Freitag, 30. Dezember 2011

Jahresende

In Deutschland werden weihnachtliche Traditionen gepflegt und auch wir haben das Weihnachtsfest in Lugala wie im Vorjahr verbracht, ohne dabei natürlich von Tradition sprechen zu wollen.

Am Tag vor Heiligabend haben wir bis zum späten Nachmittag Löhne ausgezahlt. Es ging zu wie im Taubenschlag, denn an den Zahltagen geben sich die Mitarbeiter die Klinke in die Hand. Ansonsten war dieser Tag ein Samstag wie jeder andere auch. Abends gegen 20.00 Uhr klopfte unser Seremala (Tischler) Lyabonga, der das Arbeiten wahrlich nicht erfunden hat und sagte, dass er ein paar Bretter schneiden wolle. Die Säge läuft natürlich nur mit Generatorstrom und für private Geschäfte geht man auch schon mal um diese Zeit in die Werkstatt.

Unser Festtagsbraten war wieder eine Ente, die Charles geschlachtet, sorgfältig gerupft und ausgenommen hatte. Und auch in diesem Jahr führte unsere Wanderung durch die lichten Brachystegiawälder um Sofi Mission, mit blühenden Orchideen und Lilien in großer Zahl. Das Weihnachtskino auf dem Laptop zeigte „Die Buddenbrooks“.

Makassy meinte es besonders gut mit der Dorfjugend, es gab pausenlose Beschallung rund um die Uhr. Gut, dass wir ca. 500 m Luftlinie entfernt wohnen und alles etwas gedämpft abbekommen. Wir fragen uns manchmal, was an diesem schrägen Krach in Endlosschleifen schön sein soll.

Der 26. 12., ein Montag, war wieder ein normaler Arbeitstag und man erwartete natürlich auch von uns Präsenz im Büro. Aber was soll man hier auch weiter tun, für ausgedehnte Radtouren ist es tagsüber einfach viel zu heiß, in der näheren Umgebung kennen wir wohl nun wirklich jede Hütte, alle Bücher sind gelesen und damit die Möglichkeiten der Abwechslung oder Freizeitgestaltung auch schon erschöpft.

Kurz nacheinander erschienen unsere beiden Studenten Njaala und Kuandika und es war ein freudiges Wiedersehen. Njaala sprudelte förmlich über. Auf Einladung des Lugala Arbeitskreises weilte er während der Semesterferien gemeinsam mit einem clinical officer 3 Wochen in Deutschland, danach hatten wir uns noch nicht gesehen.

Kuandika und Njaala

Nach ihrem Studium befragt meinten beide, es sei hart, aber sie seien sehr eifrig und würden es schaffen. Davon sind auch wir überzeugt. Beide wissen, dass diese Ausbildung ihre Chance in Tanzania ist. Vor allem für Kuandika ist das Lernen natürlich eine Umstellung nach seiner Arbeit als Fundi. Aber der sonst eher schweigsame und zurückhaltende Kuandika hatte auch etwas zu beklagen: im Gegensatz zu Lugala sei es in Machame sehr kalt und vor allem nachts hätte er anfangs sehr gefroren. Machame liegt am Fuß des Kilimanjaro in ca. 1300 m Höhe und dort herrschen ganz angenehme klimatische Bedingungen – für uns Mitteleuropäer. Jedenfalls wissen wir nun, dass unsere Schlafsäcke und Peters Wanderjacke, die wir vorsorglich für eine Bergbesteigung aus Deutschland mitgenommen hatten, nun noch richtig gute Dienste leisten werden - und Kuandika strahlte.

Im Hospital ist es nach einigen Monaten mit vielen Patienten jetzt ein bisschen ruhiger geworden. Die Leute arbeiten auf ihrer Shamba, für den Reis ist allerbestes Wachs-Wetter, jeden Tag Sonne, abends Gewitter und kein allzu starker Regen.

Für Silvester haben wir gerade eine Flasche Sekt in den Kühlschrank gestellt und hätten wir keinen Kalender, bekämen wir gar nicht mit, dass am Sonntag ein neues Jahr beginnt.

B.

Freitag, 23. Dezember 2011

Frohe Weihnachten

"Schläft ein Lied in allen Dingen,
die da träumen fort und fort.
Und die Welt hebt an zu singen,
Triffst du nur das Zauberwort."
Eichendorff

Mit diesem schönen Gedicht erreichten uns Weihnachtsgrüße aus Deutschland und weil es uns so gut gefällt und passender nicht sein könnte, Weihnachtsgrüße aus einem fremden Land zu senden, wünschen wir damit allen Lesern ein frohes und friedliches Weihnachtsfest.

Beate & Peter


Blühender Flammenbaum - Christmastree in Lugala

Montag, 19. Dezember 2011

Der Preis des Fortschritts

Das Hospital hat einen zunehmend guten Ruf. Die Patienten kommen aus entfernten Gegenden, sogar aus Ifakara. Vielleicht liegt es auch daran, dass das medizinische Personal weitgehend von Verwaltungskleinkram verschont bleibt und sich seinen eigentlichen Aufgaben- der medizinischen Versorgung- widmen kann. Das führt natürlich auch zu höheren Einnahmen: im November des vergangenen Jahres hat das Hospital mit „patient fees“ etwas über 20 Mio Tsh. eingenommen, im gerade vergangenen November waren es über 33 Mio !! Außerdem hat sich die schweizer Hilfsorganisation SOLIDARMED in den vergangenen zwei Jahren verstärkt in Lugala engagiert. Es gibt immer wieder neue Bauprojekte und Umbauten, dazu werden Arbeitskräfte gebraucht und somit kommt Geld unter die Leute....

Das Hospital hat alle Gehälter pünktlich zahlen können- auch einschließlich der von der Regierung angeordneten Erhöhungen- was in Tanzania durchaus nicht die Regel ist- hat alle außenstehenden Altforderungen beglichen; es steht also (für afrikanische Verhältnisse) zur Zeit finanziell gut da. Auch damit ist wieder Geld unter die Leute gekommen...

Die Auswirkungen sind täglich zu sehen. Als wir vor knapp zwei Jahren hierher kamen, hat man tagsüber 4, 5, manchmal 6 Motorräder gesehen- wenn ich jetzt mittags zum Essen gehe stehen bis zu 20 Fahrzeuge vor dem Hospital. Blank geputzt und einige mit Musikanlage. Diese Motorräder entsprechen dann jenen Autos in Deutschland, die zumeist tiefergelegt sind und mit heruntergelassenen Scheiben und wummernden Bässen durch die Straßen fahren...Die stolzen Besitzer der Motorräder machen das hier auch - vor allem nachts ist das manchmal ein bisschen störend, zumal hier generell gern !!! LAUT!!! Musik gehört wird. Das ist der sicht- und hörbare Wohlstand. Die Kehrseite der Medaille ist, dass wir im Hospital jetzt fast täglich schwere Verkehrsunfälle zu versorgen haben (zur Zeit liegen auch zwei querschnittsgelähmte Patienten auf Station, ebenfalls nach Stürzen mit dem Motorrad). Die Erklärung dafür ist einfach: offiziell muss man natürlich eine Fahrerlaubnis erwerben- wie sich dieser ‚Erwerb‘ gestaltet, wird offengelassen. Man geht zur Zulassungsstelle und gegen Zahlung einer bestimmten Gebühr bekommt man die Fahrerlaubnis. So einfach ist das... Außerdem kann man schon für etwa 50.000 Tsh ohne jegliche Fahrpraxis einen Probeführerschein erhalten, der ist drei Monate gültig. So fahren sie dann auch- starten, losfahren, überschätzen... Das Hospital berechnet für die fachgerechte Versorgung der meist komplizierten Brüche 100.000 Tsh, wahrscheinlich sind auch so unsere gestiegenen Einnahmen zu erklären.

Jetzt gibt es neben dem Fahrrad- auch einen Motorradparkplatz

Bei der Fahrt durch die Dörfer sieht man neben den Lehmhütten überall neue Ziegelhäuser entstehen. Einfache Häuser zwar, aber immerhin... Der Bau eines Hauses geht folgendermaßen: an einer günstigen Stelle wird nach Lehm gegraben, dieser wird mit Wasser gestampft, zu Ziegel geformt, die dann in der Sonne trocken. Es werden gerade so viele Ziegel hergestellt, wie man zum Bau des Hauses benötigt. Aus diesen Trockenziegeln wird ein kegelförmiger Turm gebaut- innen ein kleiner Hohlraum, an einer Seite zwei Feuerlöcher- und der ganze Haufen von außen mit Lehm verschmiert. Dann wird der nächste, in der Nähe stehende, große Baum gefällt. Aus dem Stamm werden Bretter und Balken für das künftige Haus geschnitten, die dicken und dünnen Äste lässt man trocknen (das dauert bei den Temperaturen hier nicht lange) und heizt damit den Brennofen. Nach einigen Tagen sind die gebrannten Ziegel fertig.

Typische Ziegelbrennöfen

Bis zu diesem Zeitpunkt hat der ganze Hausbau noch keinen Pfennig gekostet, wenn man die eigene Arbeitskraft nicht rechnet... Aber das macht hier ohnehin niemand. Die erste richtig teure Geldausgabe ist der Kauf von Zement, ein Sack kostet etwa 15.000 Tsh - über 7 Euro (dafür arbeiten unsere cashworker 3 Tage). Außerdem muss ein Maurer bezahlt werden. Bretter und Balken des gefällten Baumes sind ausreichend für Dachstuhl und Fensterrahmen, sofern das Holz nicht schon vorher verkauft wurde- dann steht der Rohbau halt noch ein Jahr länger... Zum Schluss noch ein Grasdach, das irgendwann durch Wellblech ersetzt wird- und das neue Haus ist bezugsfertig, auch wenn oft noch Türen und Fenster fehlen. Der finanzielle Aufwand hat sich auf jeden Fall in Grenzen gehalten. Verblüffend ist, dass in vielen Fällen die Familie weiter in der Lehmhütte wohnt, das Haus vermietet und damit ein bisschen Geld verdient. Warum auch nicht?

Ich möchte nicht missverstanden werden- Motoräder und feste, stabile Häuser stellen zweifellos einen Fortschritt dar und ich will wirklich kein nostalgisch verträumtes Lugala und Umgebung. Nachdenklich macht mich nur die Tatsache, dass in den vergangenen zwei Jahren genauso viele dicke, alte Bäume verschwunden sind wie feste Häuser gebaut wurdenund man muss kein Hellseher sein um sich vorzustellen, wie es hier in 10 bis 15 Jahren aussehen wird. Vor wenigen Jahren wurde die Straße von Chalinze nach Arusha ausgebaut, es gab Arbeit und die Anwohner haben Geld verdient. Wenn man heute auf dieser Straße fährt, sieht man rechts und links feste Häuser- aber keinen einzigen Baum mehr...

Dies ist wohl der Preis, der für ein bisschen Wohlstand gezahlt werden muss.

Inzwischen ist das Gebiet Halbwüste, der Boden wird immer weniger ertragreich und die nomadischen Viehzüchter (Sukuma und Massai) wandern mit ihren Herden hier in das Kilomberogebiet ein- was natürlich zu Spannungen mit den ansässigen Reisbauern führt, da deren Felder von den Herdenbesitzern als Viehweide betrachtet werden.

P.


Donnerstag, 3. November 2011

Zeit für Urlaub

Der November ist unser Urlaubsmonat. Wir haben nicht nur Lugala, sondern Afrika verlassen und werden Anfang Dezember wieder zurückkehren.
Bis dahin viele Grüße an alle Leser dieser Seite.

Freitag, 14. Oktober 2011

Einkaufen in Dar es Salaam

Nach 8 Wochen hatten wir Mitte September die staubige Einöde wieder einmal verlassen und sind aus der Lugala-Abgeschiedenheit auf Einkaufstour nach Dar es Salaam gefahren.

Erste Station mit Übernachtung war Morogoro. Am Morgen vor der Weiterfahrt hatten wir einen Termin bei unserem Lieblingsinder - keineswegs ein gutes Restaurant sondern eine Toyoto-Werkstatt mit excellentem Service, die wir allerdings leider schon viel zu oft aufsuchen mussten. Unser Landcruiser ist ein wirklich robustes Fahrzeug aber nach 13 Jahren sind Verschleißteile nun einmal verschlissen und die Mensch und Material alles abverlangenden Pistenfahrten tragen zur Überbeanspruchung bei. Als wir das Fahrzeug im vergangenen Jahr übernommen hatten, war die angebliche Generalüberholung ganz offensichtlich auch nur auf dem Papier erfolgt. Nach dem diesmal auf dem Programm stehenden Zahnriemenwechsel ging es weiter nach Dar.

Neben Büromaterial, Autoersatzteilen, Schlüsselduplikaten und allerlei Kleinkram sind vor allem Medikamente und medizinisches Verbrauchsmaterial zu besorgen. Hierfür kann man zwar die Bestellung per E-Mail an den Krankenhausversorger MSD (medical stores department) senden und angeblich ist nach 10 Tagen alles versandfertig verpackt, doch das hat noch nie geklappt und wird in dieser staatlichen Einrichtung auch niemals klappen. Erst wenn man dort mit der Bestellliste erscheint und an der Reihe ist, wird mit der Bearbeitung begonnen. Eine freundliche Mitarbeiterin tippt die Bestellnummern, obwohl vorab als Excel-Liste gesendet, in ihren PC, man wird in einen auf eisige Temperaturen gekühlten Raum mit tanzanischem Fernsehprogramm geleitet und sehr freundlich gebeten zu warten. Reichlich Lesestoff sollte man dabei haben.

Viele Mitarbeiter tragen irgendwelche Formulare im tanzanischen Bummelschritt hin und her und scheinen sehr geschäftig. Bis endlich alle Medikamente zusammengesucht sind, vergehen 2-3 Stunden. Die Packer werfen viereckige Schachteln und runde Dosen durcheinander in große Kartons und lächeln freundlich, wenn man beim platzsparenden Stapeln behilflich ist. Nun darf man das Auto auf`s Gelände fahren und es erstaunt mich immer wieder, dass tatsächlich alles hineinpasst. Am Ende bekommt man neben Lieferschein und Rechnung auch eine Liste mit den nicht erhältlichen Medikamenten und Verbrauchsmaterialien. Mit der geht es dann am Nachmittag oder nächsten Tag zu Action Medeor, dem etwas teureren Anbieter, bei dem meist der Rest erhältlich ist.

Die MSD-Prozedur ist Angelegenheit des Apothekers, Peter hat dafür extra eine Berechtigungskarte und ich habe das nun auch schon zur Genüge erlebt. Wie schon beim letzten Mal hatte ich mir die Innenstadtziele vorgenommen und wollte eigentlich mit dem City-Bus fahren. Doch die sind morgens Richtung Innenstadt selbst für afrikanische Verhältnisse hoffnungslos überfüllt und halten nicht einmal an. Mit dem Taxi wäre es ebenso zwecklos, man steht ohnehin nur im Stau und zu Fuß gibt es einige Abkürzungen. Also gehe ich mit einem Bündel Geld im Rucksack quer durch Kariakoo, das eng bebaute und dichtbesiedelte Viertel der Einheimischen. Vor einem Jahr hätte ich das wahrscheinlich nicht gemacht. Nach ca. 40 min bin ich schon jm Computergeschäft. Selbst das einfache Kaufen des Toners für den Kopierer dauert mindestens eine halbe Stunde. Freundlich wird man gebeten, erst einmal Platz zu nehmen. Jeder Verkäufer scheint für ein anderes Produkt verantwortlich zu sein und so warte ich geduldig bis der Toner-Fachmann kommt. Inzwischen ist es mir kalt geworden, denn in allen Läden wird auf gefühlte Wintertemperatur gekühlt. Nachdem der nette Herr meinen Wunsch entgegengenommen hat, schickt er einen Helfer ins Lager, der für ca. 15 min verschwindet und dann mit einem Doppelpack wiederkommt. Er offeriert es als günstigeres Angebot und selbst wenn es nicht so wäre, hätte ich es genommen, wer weiß ob er eine Einzelpackung gefunden hätte. Das Bild gleicht sich in fast allen Innenstadtläden: zuvorkommende Verkäufer, ausnahmslos indischer Abstammung, einheimische Laufburschen (mir fällt auf, dass dieses Wort bei uns gar nicht mehr gebräuchlich ist, weil es wohl auch diese Spezies nicht mehr gibt), übermäßig tief gekühlte Räume und Sitzgelegenheiten für die Warterei. Mit dem Toner im Gepäck geht es weiter zu diversen Medizinprodukteanbietern und Laborausstattern, bei jedem bekomme ich etwas von meiner Liste. Die Wartezeit bietet Gelegenheit das jeweiliege Angebot zu studieren, etliche Produkte kommen aus Deutschland, die für höchste Qualität bekannt und hier sehr begehrt sind. Sogar aus dem Ilmkreis habe ich etwas entdeckt.


Qualität aus Thüringen

Beim Büroausstatter kaufe ich die vielen Kleinigkeiten, Stifte, Stempelkissen, Heftklammern usw. Zum Schlüsseldienst geht es auch noch, ebenso in ein Wechselbüro (wenn Besucher kommen, wird für Bekannte aus Lugala immer mal etwas Geld mitgegeben, welches wir dann umtauschen). Inzwischen ist es Nachmittag und ich gönne mir ein Eis. Der Rückweg ist ziemlich beschwerlich, die Sonne brennt, es ist heiß, staubig, eng und laut. Stromausfälle sind hier üblich und so dröhnt vor jedem Laden ein Generator, dazu der unablässig dichte Verkehr mit schwarzen Rußwolken aus überwiegend uralten Dieselmotoren.

Irgendwann am Nachmittag treffen wir uns bei den Capuzinern in unserer Unterkunft während der Aufenthalte in Dar. Es ist eine Oase mitten in der Stadt, in der wir unser Stammzimmer haben und uns am Ende eines solchen Tages richtig heimisch fühlen. Auch unser stets bis unters Dach und manchmal auch darüber voll beladenes Auto steht hier sicher.

Am Ende aller Erledigungen für das Hospital, zu denen uns stets noch per sms gesendete Wünsche erreichen, fahren wir zum Einkauf unserer persönlichen Dinge und tauchen für kurze Zeit in eine europäische Supermarktwelt ein.

Diese Fahrten nach Dar es Salaam sind zwar willkommene Abwechslung aber letztendlich mehr strapaziöse Notwendigkeit als Vergnügen.

B.



Freitag, 30. September 2011

Geld

Die Einnahmen und Ausgaben des Hospitals beschäftigen uns eigentlich ständig. Bei jeder, aber auch wirklich jeder Entscheidung wird geprüft, ob das Hospital zur Finanzierung in der Lage ist und welches Programm für eine Rückerstattung geeignet sein könnte- viel Phantasie und Kreativität sind gefragt.

Irgendwann überlegt man natürlich auch einmal, wie es mit unseren Einnahmen und Ausgaben hier in Lugala bestellt ist. Einnahmen haben wir nicht. Ich bekomme in Deutschland meine Altersbezüge, aber Beate ist für diese zwei Jahre unentgeltlich freigestellt und dieser Verdienstausfall macht sich schon bemerkbar. Für Miete und Strom wären 5 Euro im Monat zu zahlen. Diese lächerlich geringen Ausgaben für die Wohnung sollten einmal ein Anreiz für das Krankenhauspersonal sein, hier in Lugala sesshaft zu werden- die gute Absicht ist nie wirksam geworden.

Ca. alle 8 Wochen fahren wir nach Dar es Salaam. Diese Fahrten sind immer Versorgungsfahrten mit langer Erledigungsliste (Medikamente, Labor- und Verbrauchsmaterial bei verschiedenen Anbietern, Ersatzteile, Büromaterial usw.) und wir verbinden sie nach Möglichkeit mit der Abholung bzw. Rückreise von Besuchern. Die 2 max. 3 Übernachtungen in DAR bei den Kapuzinern- 15 Euro für uns beide pro Nacht- werden vom Hospital bezahlt.

Zu Besuchern sage ich immer, man kann in Lugala kein Geld ausgeben. Das ist natürlich leicht übertrieben. Ein bisschen braucht man schon und ich habe einmal versucht zu überschlagen, wie teuer das Leben hier in Lugala für uns ist.

Emma und Charles bekommen im Monat jeweils 50 Euro- das ist hier sehr viel für eine Haushilfe, zumal sie nur etwas mehr als halbtags arbeiten. Üblich ist bei den Familien in Lugala weniger als die Hälfte. Aber wir sind Weiße und so wird natürlich mehr erwartet und auch gezahlt. Um sich vorstellen zu können, welche Bezahlung hier angeboten und auch akzeptiert wird, nur ein Beispiel: für unseren Handwerker Kuandika brauchten wir dringend einen Nachfolger. Nach längerer Suche haben wir einen – hoffentlich- gleichwertigen Ersatz gefunden, eine Empfehlung der Diözese in Ifakara. Der neue fundi kann Autos reparieren, Klempnerarbeiten ausführen und als Elektriker arbeiten- Autofahren kann er auch. Bis vor kurzer Zeit hat er bei der Diözese gearbeitet und dort 50.000 Tsh (das sind weniger als 25 Euro) verdient. Im Monat!!!

Aber weiter in der Aufzählung: Emma kocht Mittagessen, für die Zutaten geben wir täglich ca. 1 Euro aus, wenn wir einen Fisch bekommen, ist es etwas mehr. Am Sonntag gibt es Fleisch, das ist natürlich teurer, ca. 4 € pro kg). Meine tägliche Bierration (1-2 Bier ) kostet etwas mehr als unser Mittagessen- noch einmal 40 Euro monatlich (die Marke „Castel“ ist richtig gut und gibt es seit ein paar Wochen auch als Schwarzbier). Butter, Nudeln, Oliven-/Sonnenblumenöl, Kaffee, Obstsäfte, Wein, Rum oder Gin (damit wir nicht ganz den Geschmack vergessen) und ein paar Köstlichkeiten, auf die wir nicht ganz verzichten möchten, bringen wir aus DAR mit, ebenso Waschmittel und was man sonst so braucht - und so ein Einkauf schlägt dann mit 100-150 Euro zu Buche. Auf diesen Fahrten machen wir meist in Morogoro und auf der Rückfahrt in Mangula Station; hier kostet die Übernachtung 20 bzw. 25 Euro. Bei diesen Aufenthalten gehen wir abends essen, das sind noch einmal jeweils 20 Euro.

Außerdem bezuschussen wir das Studium von Njaala und seit September auch das von Kuandika- für beide jeweils 50 Euro. Das war es dann schon – und man kann überschlagen, dass wir in diesem Land ungefähr 500 Euro im Monat ausgeben.

Damit sind wir hier in Lugala absolute Verschwender. Eine einfache nurse verdient 130 Euro, wenn sie besser ausgebildet ist, sind es etwa 70 Euro mehr. Damit sind sie in dieser Gegend absolute Spitzenverdiener; aber auf dieses Geld wartet eine große Verwandtschaft und die bestimmt, was mit dem Verdienst geschieht. Gespart wird nicht- man könnte das Geld nur irgendwo verstecken und dann besteht immer noch die Gefahr, dass es die Ratten anfressen- also wird es restlos ausgegeben. Sofort ....und das führt dann dazu, dass oft wenige Tage nach der Gehaltszahlung schon wieder nach Vorschuss für den nächsten Monat gefragt wird. Dabei beschränkt man sich natürlich beim Essen auf das Sattwerden, d.h. jeden Tag ugali (ein fester Maisbrei) und irgendetwas für den Geschmack. So ein grosser Klumpen reicht dann für die ganze Familie, gegessen wird mit den Fingern, alle greifen zu und alle werden für wenige Cent satt. So gesehen haben Emma und Charles bei uns jeden Tag ein Sonntagsessen, auch wenn es nach unseren Vorstellungen nur einfache und mit der Zeit vor allem ziemlich eintönige Kost ist. Emma kocht immer schon vorsorglich so reichlich, dass genügend für beide übrig bleibt und wir wundern uns oft, dass diese Mengen zu schaffen sind und nach dem „Resteessen“ absolut nichts mehr übrig ist.

Jetzt nach der Reisernte haben die Leute mehr Geld- man merkt es auch daran, dass öfter einmal ein Bier getrunken wird. Da die Schwarzen aber keinen Alkohol gewöhnt sind, ist das manchmal schon komisch anzusehen.... Außerdem leistet man sich auch einmal etwas „Besonderes“ zum Essen und auch das ist manchmal komisch anzusehen: viele, viele frittierte Bananen und viel Fisch, ebenfalls frittiert. Aber auf diese Einnahmen aus dem Reisverkauf wird auch das ganze Jahr gewartet und sie sind oft für viele Familien die einzige Einnahmequelle. Auch über die Verwendung dieser Gelder entscheidet die Großfamilie und wenn auch immer gesagt wird, dass die Tanzanier konsensgeneigt sind: beim Geld hört auch hier die Freunschaft auf und keiner kann sich gegen die Entscheidungen der Sippe stellen. Das kann manchmal schon hart sein....

Aber das Leben hier ist hart- nach anderthalb Jahren Aufenthalt können wir da schon ein wenig mitreden. Ein wenig nur- aber immerhin.

P.

Donnerstag, 8. September 2011

Vom Fundi zum Daktari

Kuandika ist einer der wichtigsten Mitarbeiter des Hospitals, auch wenn das von vielen nicht so gesehen wird, denn er ist „nur“ Handwerker und jede noch so unqualifizierte Hilfsperson im medizinischen Bereich des Hospitals meint, ihn herumkommandieren zu können. In medizinischen Berufen tätige Personen genießen in diesem Land höchstes Ansehen, auch denen mit geringer Qualifikation, abgebrochener oder fehlender Ausbildung, erkennbar in hellgrüner Kleidung, begegnet man ehrfürchtiger als Menschen jeder anderen Berufsgruppe. Selbst die Schülerinnen in ihren Rosa-Uniformen nehmen das für sich in Anspruch. Es ist gesellschaftlicher Konsens.

Kuandika ist gelernter Elektriker aber auch versierter Klempner und Automechaniker und hat als Fundi auf allen Gebieten reichlich zu tun. Das Solarsystem hat so seine Tücken, von den Batterien steigt nach 12 Jahren eine nach der anderen aus und Rohrbrüche der verrotteten Wasserleitungen gibt es permanent. Ohne Kuandika und seine Helfer gäbe es so manches Mal keinen Strom oder kein Wasser.

Seit einer Woche müssen wir sagen: Kuandika war einer der wichtigsten Mitarbeiter, denn er arbeitet nicht mehr in Lugala. Seit Anfang September absolviert er eine dreijährige Ausbildung zum clinical officer (co) im weit entfernten Machame. Nach über 10 Jahren hatte er von all den Ungerechtigkeiten ihm gegenüber die Nase voll, für uns nur allzu verständlich. Die hier üblichen sprunghaften, von der Regierung angeordneten, Gehaltserhöhungen gelten nur für das medizinische Personal, seine schriftlichen Anträge auf Lohnerhöhung wurden dem HMT nie vorgetragen, ebensowenig wie sein Wunsch nach einer Wohnung. Er wohnte in einem Zimmer, ursprünglich der Lagerraum im Hinterhof des Gästehauses. Für die private Nutzung der Motorräder müssen die Angestellten einen wirklich sehr geringen Betrag pro gefahrenen Kilometer bezahlen. Natürlich gibt es ein Fahrtenbuch, doch einige haben statt ihrer Unterschrift in das entsprechende Feld einfach Kuandika eingetragen. Beklagt hat er sich nie, wohlwissend, dass er in der Hierarchie ganz unten steht.

Kuandika ist ein kluger Kopf und eher schweigsamer Mensch und hatte nach sicher langer Überlegung seinen Entschluss gefasst. Bekannt als absolut zuverlässig und jederzeit einsatzbereit, machte er vor ca. einem halben Jahr immer mal für ihn untypische Bemerkungen, er würde nach Feierabend oder am Wochenende nichts mehr reparieren. Peter Hellmold bat ihn zum Gespräch, denn es war offensichtlich, dass er irgendetwas mit sich herumtrug – und dann gab es die Offenbarung: er will clinical officer werden. Nach ungläubiger Rückfrage, ob er sich das reichlich überlegt hätte und ob er nicht vielleicht ein Studium im Bereich Solartechnik aufnehmen wolle, was für ihn ohnehin vorgesehen war, meinte Kuandika, mit seinem Berufsleben als Techniker hätte er abgeschlossen, jetzt möchte er Mediziner werden. Die Frage nach den Zugangsvoraussetzungen erübrigte sich von selbst. Keiner der heute im Hospital beschäftigten und geförderten CO`s oder Labortechniker hatte ein besseres Schulzeugnis vorzuweisen als er. Am Tag nach dem Gespräch mit Peter Hellmold brachte er alle notwendigen Bewerbungsunterlagen geordnet in einer Folie ins Büro, so etwas haben wir hier noch nie gesehen. Es wird öfter um Kopien für Urkunden und Zeugnisse gebeten, die meisten Papiere sind verschmutzt, fleckig, eingerissen und manchmal sogar von Ratten angefressen.

Nachdem er im Juli seine Zulassung zum Studium erhalten hatte, war Kuandika wohl der glücklichste Mensch weit und breit. Wir haben hier noch nie jemanden so strahlen sehen.


Erst Allzweck-Fundi - jetzt Student

Die Ausbildung wird vom Hospital bezahlt. Damit besteht die Verpflichtung, nach seinem Studium 5 Jahre in Lugala zu arbeiten. Krankenpflegerinnen gibt es dank der eigenen Schule ausreichend, doch clinical officer fehlen. Wir haben keinen Zweifel, dass das Hospital in Lugala einen sorgfältig arbeitenden und freundlichen clinical officer als Verstärkung bekommen wird und unterstützen Kuandika auch privat.

B.

Samstag, 3. September 2011

Blüten ohne Ende und Staub ohne Ende

Die Mangobäume stehen wieder in voller Blüte. Die eher unscheinbaren und nur wegen ihrer großen Dichte auffälligen Blüten verströmen einen einzigartigen Duft. Mangobäume wachsen hier reichlich und so wird die Nase sozusagen auf Schritt und Tritt von diesem intensiven Duft geradezu verwöhnt.

Blühende Mangobäume

Im Unterschied zu den Vegetationsperioden wie wir sie aus Mitteleuropa kennen, beginnen auch andere Bäume zu blühen und das ist bei dieser Trockenheit wirklich erstaunlich. Im Moment ist dies aber auch das einzig Schöne, was die Vegetation zu bieten hat, inzwischen gibt es fast kein Grün mehr. Dies aber nicht nur, weil alles vertrocknet, sondern weil alles mit einer dicken rotbraunen Staubschicht überzogen ist. Mit dem Fahrrad unterwegs, wird man von Fahrzeugen aller Art permanent in Staubwolken gehüllt. Das ist einfach lästig und unangenehm und so suchen wir uns immer neue Nebenwege durch die Buschdörfer. Die Hauptstraße nach Malinyi ist zur Rennstrecke für die mittlerweile zahlreichen Motorräder geworden und man kann sie eigentlich nur noch meiden. Doch ab und zu wollen wir schließlich auf den Markt oder in der Serengeti-Bar ein Bier trinken und Ziegenfleich für unseren Sonntagsbraten kaufen. Wieder zu Hause, muss man sich sofort unter die Dusche stellen, dann stört nicht einmal das kalte Wasser.
Gerechterweise sei erwähnt, dass auch wir die Leute mit einer imposanten Staubfahne einhüllen, der niemand ausweichen kann, wenn wir mit dem Auto unterwegs sind.

Unterwegs

Mit Regen ist in den nächsten Monaten nicht zu rechnen, so müssen wir den Staub noch einige Zeit in Kauf nehmen. Die Menschen hier scheint es in ihrer großen Gelassenheit wenig zu stören, es ist eben eine Begleiterscheinung der Trockenzeit, die sie nicht anders kennen.

B.

Samstag, 27. August 2011

Geschafft - 2 Jahre Ausbildung in Lugala

Der erste Jahrgang der vor 2 Jahren gegründeten Lugala School of Nursing hat seine Ausbildung beendet. Nach einer zweiwöchigen Prüfungsphase wirkten alle recht müde, doch für die Vorbereitungen des großen Abschlussfestes hatten alle noch genügend Energie. Es ist immer wieder erstaunlich: hier geht im Alltag so vieles schief, aus Nachlässigkeit, Vergesslichkeit oder weil man einige Dinge einfach nicht wichtig nimmt, Sauerstoff- und andere Gasflaschen sind ganz plötzlich leer, Medikamente alle und nicht rechtzeitig nachbestellt, Geräte verlegt oder verschwunden, Wasserhähne sowieso dauernd kaputt – doch bei den Feiern klappt alles perfekt, von der Musik bis zur Bewirtung der Gäste, alles läuft nach einem sorgfältig ausgearbeiteten Plan. Doch diese Feiern veranstalten sie schließlich für sich selbst und das ist der große Unterschied.
Bevor das große Fest steigen konnte, waren natürlich die Prüfungen zu absolvieren, schriftlich, mündlich und auch praktisch musste das erworbene Wissen nachgewiesen werden. In geheimer Mission wurden die in einem Umschlag versiegelten Prüfungsunterlagen aus Ifakara abgeholt. Eigens dafür musste der Fahrer den Schuldirektor nach Ifakara bringen und mit ihm als einzigem Fahrgast zurückkommen. Nichts und niemand durfte im Auto mitgenommen werden. Wenn man weiß, dass es hier keine Schwierigkeit ist, ein Zeugnis passend zu machen, um geforderte Zugangsvoraussetzungen zu erfüllen, oder sich ein Abschlusszeugnis zu kaufen, scheint dies geradezu absurd.
Die beiden Prüfer hingegen wurden mit großer Begleitung abgeholt, Schuldirektor und beide Lehrerinnen ließen sich das nicht nehmen. Als beide Prüfer nach 2 Wochen wieder zurück gebracht wurden, wäre für weitere Personen im Landcruiser kein Platz mehr gewesen. Die Zuwendungen in Form von prall gefüllten Reissäcken dürften für das neu gefederte Fahrzeug eine Herausforderung gewesen sein.
Stolz und erstmals in weiß - die ersten Absolventinnen der Lugala School of Nursing
Letzten Samstag war es soweit: Ganz stolz zogen die Nurses erstmals in ihren frischen blütenweißen Uniformen, die sie nun von den rosa gekleideten Schülern unterscheidet, auf das Festgelände und wurden von ihren Familien und dem Krankenhauspersonal - alle in großer Robe - mit Beifall erwartet. Mama Chogo nahm ihnen den hier obligatorischen und inzwischen auch uns bekannten Florence -Nightingale-Eid ab. Jede/r wurde einzeln mit musikalischer Begleitung nach vorn gerufen, erhielt das Zeugnis aus den Händen des Schuldirektors und anschließend Glückwünsche und Geschenke von Familien und Freunden.
Bunte Girlanden gehören immer dazu
Manche wurden mit bunt verschnürten Päckchen geradezu überhäuft und bei einigen kullerten sogar ein paar Freudentränen, weswegen sie blitzschnell in ihren Zimmern verschwanden. Dabei ist mir bewusst geworden, dass man hier nie jemanden weinen sieht, entweder gibt es Wehklagen und -schreien oder Jubelgesänge und Freudengeschrei, aber Tränen zeigt niemand.
Nachdem diese Zeremonie für die 45 Absolventen vorüber und alle Grußworte ausgetauscht waren, Schuldirektor und Lehrerinnen größere und kleinere Geschenke ihrer ehemaligen Schüler in Empfang genommen hatten - dann endlich wurden die Boxen bis zum Anschlag aufgedreht und die Gäste bewirtet. Diesen Part übernahmen die Schülerinnen des Folgejahrgangs. Wie üblich gab es die sehnsüchtig erwarteten süßen Brausen, gekocht wurde diesmal nicht nur Kuku (Hühnchen) sondern, wegen der vielen Gäste, eine Kuh. Die hatte es den Beteiligten vorher schwer gemacht, war nach dem Kauf ausgerissen und musste erst gesucht und wieder eingefangen werden.

Für 13 Absolventen hat das Hospital die Ausbildung ganz oder teilweise bezahlt. Diese sind nun verpflichtet, je nach Anteil des Sponsorings ein bis drei Jahre im Lugala Lutheran Hospital zu arbeiten. Der permanente Mangel an ausgebildeten Pflegekräften und Ärzten war vor einigen Jahren Anlass, diese Schule in Lugala zu gründen, bis zur endgültigen Zulassung im letzten Jahr ist viel Zeit vergangen. Im Oktober werden die Krankenpflegerinnen ihre Arbeit aufnehmen. Mama Chogo freut sich über die Erleichterung ihrer Dienstplanung auf den Stationen, aber dieser Zuwachs bedeutet auch einen enormen Sprung bei den Personalkosten – und das bei der zwar vor Monaten in großer Runde im Ministerium zugesagten anerkannten Bettenzahl aber noch immer unverändert für weniger als die Hälfte des Personals überwiesenen Gehältern.
Auch die anderen Absolventen haben keine Probleme, eine Stelle zu bekommen. Jedes Krankenhaus wird sie dankbar einstellen. So werden die jungen Frauen künftig einen nicht unerheblichen Anteil am Familieneinkommen haben und die Investition der Eltern in die Ausbildung ihrer Kinder hat sich gelohnt.
B.

Mittwoch, 17. August 2011

Kommunikationsschwierigkeiten

Ich weiß nicht, wie oft wir in den letzten Wochen immer wieder die selben Lieder gehört haben. Dabei haben wir noch Glück und wohnen genügend weit von der Musik entfernt....Aber der Reihe nach :
Die Ernte in diesem Jahr war gut- reichlich Regen und zur rechten Zeit Sonne und Trockenheit, so dass der Reis reifen konnte. Jetzt fahren täglich abenteuerlich beladene Transporter nach Malinyi und weiter nach Ifakara. Die Leute haben mehr Geld in der Tasche (nur nebenbei: wenn man nach der Ernte bzw. den Erträgen fragt- dann winken die shamba-Eigentümer ab und stöhnen; aber da unterscheiden sie sich nicht von den Bauern in Deutschland) und deshalb hat auch Makassy seine "Bar" wieder geöffnet. In der Zeit der knappen Kassen ist sie geschlossen. Bar ist bestimmt ein Euphemismus, ein Verkaufsverschlag (so wie alle Läden hier), ein paar Plastikstühle und -hocker, etwa 6 qm sind überdacht und keine 10 Meter entfernt donnern die oben erwähnten Tranporter mit riesiger Staubfahne vorbei; nebenan werden unter freiem Himmel die Speisen gekocht und gleich mit eingestaubt. Die Leute kommen gegen 17 Uhr und spielen Dame, d.h. zwei spielen in wechselnder Besetzung, die anderen sehen zu und kommentieren lautstark.

Makassy-Bar
Und hören Musik. Der Tonregler ist bis zum Anschlag aufgedreht und jede Unterhaltung schlicht unmöglich. Das ist aber nicht nur bei Makassy so, auch in Malinyi ist die Musik in den beiden Kneipen oder Handyläden schon fast schmerzhaft. Überall im Land ist das der Fall- ich habe keine Erklärung dafür. Deshalb gibt es auch keine Unterhaltung, alle sitzen nur da, sehen den Damespielern zu und wechseln manchmal die Plätze. Ich will gerecht sein: wenn ich komme und Bier trinke, wird die Lautstärke zurückgenommen, aber wenn ich dann gehe- und die Fahrstraße noch nicht überquert habe- wieder voll aufgedreht. Beate weiß dann, in 3 Minuten bin ich zu Hause. So geht das bis tief in die Nacht. Gesehen haben wir es noch nicht (mit Einbruch der Dunkelheit kann man sich wegen der Mücken nicht mehr draußen aufhalten, gegen 19 Uhr sind wir also meist zu Hause), aber die Vorbereitungen für das Abendessen lassen darauf schließen, dass auch später noch einige Gäste erwartet werden. Auf offenem Feuer auf drei Steinen werden in einer Ölpfanne immer im selben Öl abwechselnd Fisch und Bananen frittiert.

Vorbereitung des Abendessens - Kochbananen und Fisch

Das Schärfste ist jedoch, dass es offenbar nur diese eine CD gibt, die irgendwann einmal kopiert wurde und nun ununterbrochen gespielt wird, sehr laut gespielt wird. Wir hören es in unserem ca. 400 m entfernten Haus immer noch laut genug. Da es im Dorf keinen Strom gibt, hat Makassy für die Beschallung extra einen Generator angeschafft.
Eine Unterhaltung mit einer Bierflasche in der Hand ist also schon wegen der Lautstärke nicht möglich und außerdem - wie und worüber sollten wir mit den Schwarzen reden? Da sind einmal die sprachlichen Schwierigkeiten. Unsere Fertigkeiten des Kisuaheli (besonders meine, Beate ist mir da um Längen voraus) und ihre Kenntnis der englischen Sprache sind nur unvollkommen und damit beschränken sich Gespräche zumeist auf das Notwendigste. Dazu kommt, dass es bei einem Gespräch mit einem Einheimischen einfach kein Thema geben würde. Wir wohnen jetzt über ein Jahr hier wie auf einer Insel, kennen viele Leute und erkennen sie manchmal schon auf weite Entfernung, aber auch nach dieser langen Zeit haben wir wenig Kenntnis wie sie leben, oft auch nicht wo sie leben und was sie denken. Das würden sie uns auch niemals sagen. Wir stehen hier in der Hierarchie ganz oben, da würde bei dem ausgeprägten Rangordnungsdenken der Tanzanier niemand mit uns ein seine persönlichen Ansichten betreffendes Gespräch führen. Wir werden zwar angesprochen, ob wir jemandem Schulgeld bezahlen, ob wir Geld verborgen oder jemandem ein Haus bauen könnten- das ist die übliche und normale Bettelei. Diese ist auch nachvollziehbar; wenn die Leute hier erleben, wieviel Geld von den Weißen für das Hospital oft in kürzester Zeit aufgetrieben werden kann und wie schnell ein Vorhaben zu Ende gebracht ist- müssen sie ja denken, dass alle Europäer/Amerikaner Geld im Überfluss haben. Man kann es auch niemandem klarmachen- und da bin ich wieder bei den Verständnisschwierigkeiten- dass es in Deutschland zwar beachtliche soziale Leistungen gibt, dass die Mittel dafür aber erst einmal hart erarbeitet werden müssen. Damit ist ein Gespräch auch über diesen Bereich bzw. auf dieser Ebene erledigt. Weil man mit Menschen nicht über Dinge reden kann, die sie einfach nicht kennen oder anders ausgedrückt: man kann mit einem Blinden nicht über Malerei diskutieren....Das ist einfach so....
Wenn die Einheimischen als Gesprächspartner ausscheiden, bietet sich natürlich der hier tätige Arzt für die Kommunikation an- und um Kommunikation ging es ja eigentlich. So angenehm es ist, einen weiteren deutschen Gesprächspartner zu haben- oft genug reduzieren sich die Gespräche auf die Organisation des Hospitalbetriebs und noch öfter auf aktuelles Krisenmanagement. Dazu kommt noch die Beurteilung der Besucher, Gespräche über die Aktivitäten (meist sind es Forderungen) der Diözese. Da unsere einzige Verbindung zur Außenwelt das Internet ist, haben wir auch täglich die selben Nachrichten, über die man sich austauschen kann. Doch egal über welches Thema wir uns auch unterhalten, irgendwann landen wir immer wieder beim Hospital.
Wir haben auch sehr unterschiedliche tägliche Erfahrungen. Der Arzt ist unbedingt die absolute Autorität aber in seiner täglichen praktischen Arbeit auf ein kollegiales Miteinander angewiesen- auf die Zusammenarbeit mit dem OP- Team, mit der Matron, mit dem Hospital Management Team und bei diesen Gesprächen erfährt er schon die eine oder andere Neuigkeit- und sei es der hier übliche Klatsch. Außerdem hat er öfter ein Erfolgserlebnis: eine schwierige und dennoch geglückte OP; eine Mutter, die sich nach der Entbindung bei ihm bedankt; ein geheilter Patient, den eigentlich schon alle abgeschrieben hatten und mehr....Alles das haben wir nicht. Wir versuchen eine gute Verwaltung anzubieten und sind mit unseren Vorstellungen vom ehrlichen Umgang mit den Finanzen, mit einer bescheidenen Systematik in der Verwaltung oder auch Verantwortung für die tägliche Arbeit oft im grundsätzlichen Widerspruch zu den Angestellten. Was denUmgang mit Geld, die Solidarität mit Schwächeren oder auch Sauberkeit und Ordnung betrifft- unsere Auffassungen könnten oft nicht unterschiedlicher sein. Und da nicht zu erwarten ist, dass sich die Auffassungen der Schwarzen ändern, müssen wir immer und immer wieder Kompromisse eingehen und den kleinsten gemeinsamen Nenner finden. Auf jeden Fall bekommt man in diesem täglichen Miteinander bestimmt keine familiären Angelegenheiten mitgeteilt.
Ein Phänomen kann man aber nach diesem doch längeren Aufenthalt hier in der Abgeschiedenheit bemerken: man nimmt viel deutlicher wahr, wie sehr der Leser von und zu Nachrichten gelenkt wird. Gerade weil wir sonst keine Möglichkeiten haben, uns anderweitig zu informieren. Da wird ein Thema gepusht, täglich aufgeregt darüber berichtet und bald von der nächsten Sensation abgelöst. Beispiele?? Wer spricht heute noch von Fukushima? Dabei frisst sich dort immer noch die geschmolzene Masse in den Boden... Wer spricht noch von Gadhafi und Libyen- dort wird immer noch gekämpft, aber das ist keine Meldung mehr wert. Welche Nachricht erinnert noch an Herrn zu Guttenberg- noch vor kurzer Zeit haben Nachrichten über ihn sogar die Meldungen zur Eurokrise überlagert. Von dem Getöse um die FDP ganz zu schweigen....
Das wird wohl ein ganz großer Gewinn unseres Aufenthaltes hier auf dieser Insel Lugala sein: wir haben gelernt, Dinge nicht so wichtig zu nehmen- in wenigen Tagen interessiert es ohnehin niemanden mehr.
Und ich hoffe sehr, dass dieser Zustand nach unserer Rückkehr sehr, sehr lange anhält.....
P.

Samstag, 13. August 2011

Haustiere

In den Dörfern halten viele Leute Hühner, die überall durch`s Gelände laufen. Da Hühner einfach nur dumm sind, rennen sie, obwohl am Straßenrand friedlich herumpickend, gerade immer dann über die Straße, wenn ein Fahrzeug kommt. Erstaunlicherweise schaffen sie es meist unversehrt zur anderen Seite. Auch mit dem Fahrrad muss man aufpassen, dass nicht eins zwischen den Speichen hängenbleibt. Für den geflügelten Nachwuchs braucht man natürlich auch Hähne und so werden wir zuverlässig jeden Morgen weit vor Sonnenaufgang geweckt. Aus allen Richtungen kräht es.
Einige Enten sieht man auch. Ziegen gibt es reichlich, von denen neuerdings in Malinyi immer eine frisch geschlachtete in der Serengeti-Bar zum Verkauf hängt. Das Fleisch der jungen Zicklein ist wunderbar zart und ein schöner Sonntagsbraten. Von den halbsesshaften Sukuma mit ihren großen Watussirinderherden abgesehen, halten einige etwas wohlhabendere Leute eine Kuh oder ein Schwein.

Außerdem sieht man etliche Hunde, die irgendwie alle gleich aussehen und von denen die wenigsten einen Besitzer haben. Die meisten dieser armseligen Kreaturen streunen verwahrlost herum und müssten eigentlich alle von ihren vielen sichtbaren Leiden erlöst werden. Aber darum kümmert sich niemand.

Wir haben seit gestern auch ein Haustier – einen jungen Waran. Er hat sich unseren Garten für seine Erdhöhle ausgesucht, vielleicht als strategisch günstige Lage zu Nachbars Hennen mit ihren Küken, die sich immer wieder durch Charles` mühevoll verdichtete Hecke kämpfen. Wir haben den Eindruck, am liebsten halten die sich in unserem Garten auf und scharren alles kaputt. Als ich das Erdloch gestern entdeckte, dachten wir erst, es sei eine Schlange, worüber wir wenig erfreut gewesen wären. Eine Begegnung mit Kobras und Puffottern kann dramatisch enden. Man sah zunächst im Taschenlampenschein nur etwas Zusammengerolltes mit schöner Oberflächenzeichnung. Wir waren drauf und dran, Wasser hineinzuschütten, um das Tier herauszulocken, da quälte es sich von selbst rückwärts aus seiner Höhle heraus.

Unser freundlicher Gartenbewohner

Warane, auch recht große Exemplare, sind schon öfter durch den Garten spaziert, haben es sich auch auf dem Dach bequem oder von dort auf die Streifenhörnchen auf dem Avocadobaum Jagd gemacht. Aber die kleinen flinken Kletterer sind keine leichte Beute. Ich bin froh, dass ich dies tagsüber beobachtet habe. Auch nachts hat schon mehrmals ein Waran versucht, am Verandagitter auf das Dach zu klettern, ist dabei abgerutscht und zur Erde geplumpst. Die kratzenden und rumpelnden Geräusche ließen auf Bedrohliches schließen, doch wir wussten, wer der nächtliche Besucher war und es gab keinen Grund zur Beunruhigung.

Ein früherer Besucher auf dem Dach

Nun sind wir gespannt, wie lange der Waran bleibt. Vielleicht wird er wirklich zum Hühnerschreck. Uns soll es recht sein, wo die scharren, bleibt nicht ein Grashalm stehen.

B.

Kurzer Nachtrag zu Uwes Kommentar: Auch hier werden Warane gegessen, hat uns Tischler Lyabonga erzählt. Ob als Delikatesse oder eher aus Not, wissen wir allerdings nicht, wahrscheinlich letzteres. Wir werden auf dieses Geschmackserlebnis ganz sicher verzichten.

Montag, 8. August 2011

Schwarze Stunde

Letzten Samstag gab es für das Hospital eine ganz schwarze Stunde – aus der Maternity wurde ein Baby gestohlen. Eigentlich ist das unvorstellbar, denn die Mütter sind mit ihren Neugeborenen nie allein. Eine Oma, Tante oder Schwester, in den seltensten Fällen der Vater des Kindes, ist in den ersten Tagen immer dort und steht der Mutter bei. Der üblicherweise in einen Kanga gewickelte Neuankömmling wird umhergetragen und allen gezeigt. Vielleicht konnte es auch gerade deshalb passieren, bei den vielen Anwesenden fällt es kaum auf und es wird nicht darauf geachtet, ob vielleicht jemand ein fremdes Baby im Arm trägt. In den von den Frauen in mehreren Lagen übereinandergetragenen Kangas, den bunten Universaltüchern, kann man so einen kleinen „Frischling“ außerdem problemlos verstecken.

Es geschah während der abendlichen Besuchszeit, wenn also noch ein Familienangehöriger mit dem Abendessen kommt, dabei wird es schon ein bisschen unübersichtlich auf der Station. Natürlich gab es große Aufregung und die Polizei wurde sofort informiert. In diesem Falle setzten jedoch alle ihre große Hoffnung, das Baby schnell und gesund wieder zu finden, auf die wohl allen Tanzaniern eigene Neugier und ihr großes Mitteilungsbedürfnis. Hier wird über alles und jeden geredet, nichts bleibt verborgen. Es gibt keine Neuigkeit, die nicht sofort weitererzählt werden muss und jeder weiß so ziemlich alles über jeden.

Am Sonntag wurden Suchanzeigen aufgehängt und in den umliegenden Dörfern verteilt. So rechneten im Hospital alle damit, dass es auffällt, wenn plötzlich ein Neugeborenes auftaucht, ohne dass zuvor eine schwangere Frau in der Familie zu sehen war. Dies ist aber längst keine Veranlassung, diese Entdeckung der Polizei mitzuteilen. Die Nachbarn fragen vielleicht nach, doch hier gibt es immer und für jede Situation irgendeine Erklärung, mit der man sich zufrieden gibt, sei sie auch noch so absonderlich.

Damit die Suche also möglichst schnell zum Erfolg führt, wurde eine Belohnung ausgesetzt – 50.000 Tsh – ein halber Monatslohn für einen ungelernten Arbeiter, wenn er überhaupt einen Arbeitsplatz hat. Für die meisten Leute in der Region ist es richtig viel Geld und die Verlockung groß genug, intensiv nach dem Baby zu suchen. Tatsächlich gab es bereits am Sonntagabend erste Informationen, man wisse, wo das Baby sei, z.T. haarsträubende Vermutungen und recht wilde Spekulationen, es wurden viele Orte genannt, auch in Ifakara hätte man eine Frau mit diesem Kind gesehen.

Aber am Montag gab es wirklich den entscheidenden Hinweis. Makali fuhr mit Mama Chogo und Polizeibegleitung ins benachbarte Dorf. Sie fanden den Säugling bei einer Frau. In Windeseile hatte sich das natürlich herumgesprochen, vor dem Hospital gab es eine große Menschenansammlung. Alle warteten - und als unser sonst eher vorsichtige Fahrer Makali angebrettert kam, wurde das glücklicherweise wohlbehaltene Kind mit einem unglaublichen Freudengeschrei empfangen.

Nicht jede Frau bringt hier ein willkommenes Baby zur Welt, doch die junge Mutter und ihre Familie waren ehrlich verzweifelt und bestürzt, schockiert, wie alle Angestellten auch. Es war ihr erstes Kind und sie hatte sich wirklich gekümmert. Überglücklich konnte sie nun ihr Baby wieder in die Arme schließen.

Die ausgesetzte Belohnung wurde am Dienstag von zwei Männern abgeholt. Sie wollten, dass es niemand mitbekommt, doch auch dies wird mit Sicherheit nicht geheim bleiben.

Wie immer, wenn etwas passiert ist, wird über Konsequenzen nachgedacht. Vor Jahren war die Tür zur Maternity immer verschlossen. Neben der Tür gibt es ein Fenster mit einer Holzplatte als Abstellfläche, durch welches das Essen für die Mütter hereingereicht wurde. Irgendwann war diese Platte weg und man konnte nichts mehr abstellen. Jeder ging ein und aus und niemanden störte es. Jetzt wird unser Tischler Lyabonga wieder eine Abstellfläche an besagtem Fenster anbringen und die Tür verschlossen bleiben. Mal sehen wie lange.

B.

Montag, 1. August 2011

Anderes Denken

Es gab in diesem Jahr eine gute Reisernte. Auf einigen Shambas musste noch einmal nachgepflanzt werden, nachdem sich der Furuha während des großen Regens ein neues Bett durch die Felder gesucht hatte, doch insgesamt ist man mit dem Ertrag zufrieden. Dies macht sich auch am endlich steigenden Einkommen des Hospitals bemerkbar. Die Menschen können wieder Geld für einen Arztbesuch und Medikamente aufbringen. Diesen unmittelbaren Zusammenhang immer wieder zu sehen ist schon bedrückend.

Aber es ist auch zu beobachten, dass das Einkommen in dieser Region gestiegen ist: etliche Steinhäuser wurden gebaut, einige sogar sehr aufwändig, man sieht noch mehr Satellitenschüsseln zu denen auch ein Fernsehgerät gehört, es gibt Fahrradverkaufs- und -verleihstationen, deutlich mehr Motorräder sind unterwegs, in Malinyi wurden neue Lädchen mit dem hier üblichen bunten Angebot und die "New Serengeti Bar" eröffnet. Das meiste ist sicher auf Pump finanziert, doch es ist mehr Geld im Umlauf als vor einem Jahr.

Auch im Hospital gibt es durchaus Patienten, die für besonderen Service etwas mehr zu bezahlen bereit sind und den Aufenthalt in einem Einzelzimmer wünschen. Eines gibt es nun auf jeder der 3 Stationen, pro Nacht sind 2.000 Tsh extra zu bezahlen. Diese Zimmer sind nicht ständig mit Patienten belegt, trotzdem fast immer, im wahren Sinne des Wortes, bewohnt - sie werden einfach von unseren Angestellten als Gästezimmer für ihre zahlreichen Familienmitglieder und Besucher genutzt. Für uns ist diese Idee völlig abwegig, hier denkt man eben einfach nur praktisch.

Für die Angehörigen der von weit her kommenden Patienten haben sich die vorher zum Teil unwürdigen Bedingungen auch verbessert. Die Unterkünfte wurden mit finanzieller SOLIDARMED-Unterstützung einer dringend notwendigen Komplettreinigung und Renovierung unterzogen, dank Bundeswehrreform mit Kasernenschließungen gibt es per Container gelieferte Betten, das Areal um die Wasserstelle, die mittlerweile auch Enten, Hühnern und streunenden Hunden als Tränke diente, wurde repariert und das gesamte Gelände eingezäunt. So haben wirklich nur noch die Angehörigen Zutritt, die für die Übernachtung einen minimalen Beitrag bezahlen, je nach Komfort zwischen 200 und 1.000 Tsh. Allerdings hat es sich herumgesprochen, dass man hier sauber und preiswert übernachtet. Ein Zimmer im Gästehaus in Malinyi kostet 2.000-3.000 Tsh und so gibt sich manch sparsamer Gast schon mal als Angehöriger eines Patienten aus und schummelt sich in`s Hospitalquartier.

Zwei junge Männer sind als Wach- und Reinigungspersonal für diese Unterkünfte eingestellt worden. Sie kommen aus umliegenden Dörfern und haben hier einen Arbeitspatz gefunden. Die beiden geben sich viel Mühe und machen ihre Sache richtg gut. Doch als erstes kamen sie mit einer Liste, was sie zu den vorhandenen Geräten, wie Besen, Eimer usw. brauchen: Gummistiefel, -handschuhe und Mundschutz. Sie haben sicher mal irgendwo gehört, dass so etwas im Krankenhaus getragen wird. Man muss sich dazu vorstellen, wo die Leute herkommen; sie leben in bzw. vor der Lehmhütte, holen Wasser vom Brunnen, das gerade zum Kochen reicht, während der Regenzeit laufen sie mit Gummilatschen oder barfuß durch knöcheltiefen Schlamm, während der monatelangen Trockenzeit hüllen sie sich selbst mit jedem Schlurfschritt (kaum jemand hebt hier die Füße) in eine Staubwolke, ebenso beim Kehren des Platzes vor ihrer Hütte. Doch genau wie unsere Schwesternschülerinnen, die glauben, sie seien nun etwas Besseres und es macht etwas her, den ganzen Tag in weißen Handschuhen durch die Gegend zu laufen, brauchen sie Handschuhe, bevor sie einen Besen auch nur in die Hand nehmen und einen Mundschutz, damit sie nicht im Staub ersticken. Es ist einfach absurd.

Irgendwann hat das Hospital von irgendwoher einen Rasenmäher geschenkt bekommen. Dieser muss natürlich genutzt werden, auch wenn das Ding dauernd kaputt ist, viel Zeit für die Reparatur aufgewändet wird und der Liter Benzin 2.100 Tsh kostet. Die hier übliche Methode Gras zu schneiden beherrschen schon die halbwüchsigen Jungen mit ihren sensenähnlichen Werkzeugen, es geht sehr zügig, die Flächen sehen ordentlich und gleichmäßig geschnitten aus und der Rasenmäher ist hier eigentlich ungeeignet und absolut überflüssig. Aber er ist nun mal da und unser fleißiger Arbeiter Kibohola führt ihn den staunenden Patienten natürlich nur allzu gern vor – doch nicht ohne seine spezielle Ausrüstung:

Ohne Lärm- und Atemschutz wird nicht gemäht

Die Leute hören hier gern und vor allem sehr, sehr laut Musik. Aus den Boxen donnert und dröhnt es, so dass im näheren Umkreis keine Unterhaltung möglich ist. Manchmal ist es wirklich unerträglich, vor allem dann, wenn die Beschallung von mehreren Seiten erfolgt und man sich offensichtlich in der Lautstärke überbieten möchte. Den Leuten gefällt es. Die Motorräder werden ordentlich aufgedreht, selbst dabei geht nichts ohne zusätzlichen Musiklärm aus angebauten Boxen. Man muss schließlich auf sich aufmerksam machen. Der Rasenmäher ist vergleichsweise leise aber dafür ist unbedingt Gehörschutz notwendig - und ein Mundschutz, das versteht sich von selbst.

B.







Mittwoch, 20. Juli 2011

LUGALA – eine Reise ins afrikanische Niemandsland

Lugala ist ein Ort am Ende der Welt. Von hier führt keine Straße weiter, und diejenige, die sich durch die rote Erde in den abgelegenen Landstrich in den Süden Tansanias windet, gut 7500km von der Uckermark entfernt, kann man kaum als solche bezeichnen. Wenn man mit der Fähre über den Kilombero übergesetzt und in Ifakara schon längst die letzten Europäer hinter sich gelassen hat, führt der Weg in der Trockenzeit während vier Stunden über eine staubige, schlaglochgesäumte und von klapprigen Brücken unterbrochene Buschpiste, was dem Auto und dem Menschen alles abverlangt, die schließlich irgendwann nach Lugala führt. Das Ende der Welt, Tansania, Ostafrika, Lugala war also unser, meine Frau Katrin und ich, ungewöhnliches Reiseziel 2011. Für die abenteuerliche Anreise benötigten wir zwei Tage von Schönow in der Uckermark nach Berlin, weiter über Kairo und Dar es Salaam, nach Mikumi, Morogoro, Ifakara bis nach Lugala, mehrere Transportmittel: die Deutsche Bundesbahn, die Flugzeuge von EgyptAir, einen PKW, einen überfüllten Kleinbus, einen LKW und einen Landcruiser. Unsere thüringischen Freunde Peter und Beate, die seit nunmehr 1,5 Jahren im Lugala-Hospital ehrenamtlich arbeiten, luden uns ein, Afrika live zu erleben, abseits der Touristenströme mit alle seinen Reizen, Facetten, real und ungeschminkt.
Das Lugala-Hospital ist das einzige Spital im sehr abgelegen westlichen Teil des Ulanga-Distrikts, es ist für die medizinische Grundversorgung beidseits des Kilombero Flusses zuständig. Die Menschen nehmen weite Wege auf sich, um sich im Lugala-Spital helfen zu lassen. Auf der Suche nach medizinischer Hilfe transportieren Angehörige ihre Kranken auf Fahrrädern oder zu Fuß teilweise über 100 Kilometer weit. Ihr Weg führt über Pfade, die sich mühsam durch den Busch schlängeln und nicht selten müssen Flüsse mit Einbäumen überquert werden. Was es heißt, sich durch den Busch zu schlängeln, erfuhren wir am eigenen Leib, mit dem Fahrrad auf dem Weg ins benachbarte Biro benötigten wir für etwa 12-13 km immerhin 2 Stunden, durchwateten dabei knietief mehrere Wasserstellen, die die Regenzeit übrig gelassen hatte – eine ungewöhnliche, abenteuerliche Radtour.
Auf dem Weg nach Biro

In den wenigen Tagen, die uns in Lugala blieben, sahen wir uns um, waren Bestandteil des Dorfes abseits der Welt. Wir staunten über das schlichte, einfache Leben, die unbändige Lebensfreude der Menschen, dem ungebremsten Engagement des Hospitalpersonals den Afrikanern tagtäglich zu helfen, das überraschend wohlschmeckende afrikanische Essen, dass in jedem Ort Brunnen für die Bevölkerung gebaut wurden, dass Handys bis in die letzte Lehmhütte Einzug hielten und die Fähigkeiten der Menschen, für alle Probleme eine Lösung zu finden. So wurden zum Beispiel die gebrochenen Federn des Autos, das uns wieder nach Dar es Salaam bringen sollte, am Vortag der Abreise tatsächlich durch neue ersetzt - Respekt.
Mit großem Interesse schauten wir uns verschiedenste Schulen in Lugala, Biro und Bagamoyo an, wollten wissen wie es um die Bildung der Kinder von Tansania bestellt ist. Wir hatten dabei das große Glück, in Bagamoyo von Lehrern in die dortige staatliche Schule eingeladen zu werden. An der Tagesordnung sind Klassenstärken von 75 Kindern in einem Klassenraum, zu dritt sitzen Kinder an einer Bank, alle in Schuluniform, mit einem Stift und Heft bestückt, moderne Vorbereitungsräume für Lehrer, moderne Medien für Schüler und Lehrer - alles Fehlanzeige. Das Lugala Hospital bildet Krankenschwestern aus, es besitzt dank einer Spende gar über drei durchaus moderne PC´s, ihre Arbeitsspeicher sind jedoch derart langsam, dass jeder deutsche Schüler verzweifeln würde, für uns Anlass zu Verpflichtung neue Arbeitsspeicher zu besorgen, um schnell und unkompliziert konkret Hilfe zu leisten. Hilfe leisten, das ist das Ansinnen all derjenigen, die ihre Altkleider in Container werfen, die man überall findet. Mit Erschrecken konnten wir aber live miterleben, wie Hemden, Hosen, Jacken, Unterwäsche etc., vor allem in den abgelegenen Dörfern an den Mann/Frau gebracht wurden. Nicht kostenfrei und als Spende, wie von uns Spendern erwartet, nein sie wurden von marktschreienden Anbietern auf dem Markt versteigert, für 200, 500 oder gar 1000 Schilling , für einen Tansanier mit durchschnittlich 80.000 Schilling (40 €) Monatseinkommen ein Vermögen. Dieser Missstand afrikanischer Alltagspolitik schloss sich nahtlos an unsere Erfahrung an, dass eine Reihe von Polizisten tatsächlich korrupt sind, man will es gar nicht so recht glauben, zweimal gestoppt, zweimal abgezockt, einmal 10.000 Schilling (5 €), einmal 20.000 Schilling, ohne Quittung, mit einem freundlichen Shake-Hand für tatsächliche Verkehrsvergehen wie z.B. eine Geschwindigkeitsüberschreitung, die 20.000 Schilling wert gewesen wäre.
Bei der Reise nach Lugala und zurück mussten wir zweimal einen wunderschönen Urwald durchqueren, einfach zauberhaft und eine Gabe der Natur. Dieser Urwald ist allerdings mit Teakholzplantagen unterbrochen, ein unverantwortlicher Raubbau an der Natur. Unterbrochen ist die Reise durch den Urwald auch mit einer 3km langen Asphaltstraße, in deren Umkreis von 100 km keine Menschenseele wohnt, ein Wahlgeschenk eines Politikers führte zu diesem absonderlichen Beispiel von Geldverschwendung.
Abschließend möchte ich nicht unerwähnt lassen , dass bei unserem Trip nach Ostafrika, im Mikumi-Nationalpark zahlreiche Elefanten, Giraffen, Gnus, Zebras, Warzenschweine, Impalas, Büffel, Nilpferde und Krokodile kreuzten – ein unvergessliches Erlebnis. Die letzten drei Tage genossen wir die Ruhe Bagamoyos, der ersten Hauptstadt deutsch-Ostafrikas im 19.Jahrhudnert zur Zeit der deutschen Kolonialherrschaft am indischen Ozean. Hier trafen wir eine junge Engländerin, die den Einheimischen Englischunterricht unter freiem Himmel erteilte, damit diese ihre Bilder und Skulpturen besser verkaufen können. Wir machten davon reichlich Gebrauch, eine 1.60m große Giraffe, das Nationalsymbol Tansanias, trat den 7500km langen Rückweg an und wird fortan die Gäste unseres Hauses in Schönow begrüßen. Eine für uns ungewöhnliche Reise ist vorbei, es war die bislang anstrengendste, aber schönste Reise,
Danke Peter, Danke Beate, Danke TANSANIA.

Uwe Neugebauer-Wallura , Katrin Wallura 02.07.2011 – 16.07.2011


Sonntag, 17. Juli 2011

Die Piste nach Lugala

Von Dar es Salaam bis Mikumi ist die Straße gut- wenn man von den Spurrinnen zwischen DAR und Chalinze absieht, die von den Schwerlasttransportern verursacht werden. Auf diesem Stück fährt man sicherheitshalber nicht schneller als 80 km/h; viele Fahrer versuchen es dennoch: wir haben schon viele Unfälle auf dieser Strecke gesehen.

Der Punkt des Entfernungsanzeigers unten links zwischen Malinyi und Igawa markiert Lugala - das Dorf ist auf keiner Karte zu finden

Nach der Brücke über den Ruaha ist die Straße bis Ifakara schlecht. Danach kommt die Fährüberfahrt über den Kilombero und die Piste wird richtig schlecht. Die vergangene Regenzeit hat sehr viel Regen gebracht mit riesigen Wasserlöchern, deren Tiefe man nicht erkennt, ausgespülten Querrinnen und langen Schlammstrecken. Letztere hatten für die Einheimischen sogar Vorteile. Bei Mtimbira war die Strecke gar nicht mehr zu befahren; sie haben eine Art Knüppeldamm gebaut und sich jede Durchfahrt bezahlen lassen. Oder bei einem Anstieg stand immer ein Fahrzeug mitten auf der abschüssigen Piste. Beim Versuch auszuweichen, rutschte man unweigerlich in den Graben und das Auto lehnte an der Böschung. Auch mit Allradantrieb war das Auto nicht flottzumachen, die Leute standen daneben und irgendwann hatte man die Nerven verloren. Ein Preis wurde ausgehandelt (dabei waren sie natürlich im Vorteil, denn wir wollen weiter und sie haben alle Zeit der Welt), ca. 20 Personen haben geschoben und man war wieder in der Spur. Für die Anwohner ein erfreulicher Nebenverdienst- aber warum auch nicht: sie verdienen ja sonst nichts.
Jetzt sind die Wasserlöcher und Querrinnen ausgetrocknet und die schlammigen Abschnitte hart wie Beton. Nach europäischen Maßstäben würde man die Strecke als "unbefahrbar" bezeichnen, aber irgendwann muss man ja auch einmal aus der Wildnis in den zivilisierteren Teil dieses Landes kommen, sich also die Tortur einer Fahrt antun. Dann fährt man praktisch von einem Schlagloch in das nächste und so gewinnt der Begriff "es einmal richtig krachen lassen" eine völlig neue Bedeutung. Auch wenn man sich noch so sehr bemüht: irgendwann kommen Fahrer und Fahrzeug - es ist schon seit 13 Jahren auf dieser Piste im Einsatz - an ihre Grenzen. Bei unserer vorletzten Fahrt sind uns auf dieser Strecke von jeweils 5 Blattfedern vorn links 4 und rechts 2 gebrochen. Dabei war das Auto noch nicht einmal schwer beladen.

Eine hat gehalten

Normale Pkw können diese Piste jetzt überhaupt nicht befahren und die Frage ist- wann geht wieder etwas? Die Antwort: vor der nächsten Wahl. Dann wird die Strecke aufgekratzt, eingeebnet, gewalzt und man kann kurzfristig ziemlich unbeschwert fahren. Bis zur nächsten Regenzeit.
Wir bezahlen jährlich eine nicht unbeträchtliche Summe für die road license und da könnte man einmal fragen, was mit diesem Geld eigentlich geschieht? Auf jeden Fall ist dem Straßenbauministerium dieser Abschnitt absolut gleichgültig. Aber es kommt noch besser:
Vor Beginn der Regenzeit hat irgendjemand veranlasst, dass z.B. in Malinyi neben den größten Löchern Kies abgekippt wurde. Aber wahrscheinlich hat dieser Jemand vergessen zu sagen, dass damit die Löcher aufgefüllt werden sollen. Auf jeden Fall lagen die Kieshaufen neben riesigen Wasserlöchern und irgendwann war diese Straße nicht mehr zu befahren, d.h. ein bisschen schon, wenn man die Kieshaufen als Fahrstrecke benutzt hat. Jetzt ist sie wieder leidlich befahrbar und jetzt!! werden die Löcher aufgefüllt. Besser zu spät als nie.
Völlig absurd wird es auf der Piste zwischen Lupiro und Itete. Der jetzige, neue Gesundheitsminister stammt aus einem kleinen Dorf an der Strecke und der Himmel weiß, was er seiner Familie oder seinem Clan versprochen hat. Auf jeden Fall gibt es jetzt mitten im Urwald eine knapp 2 km lange Asphaltstraße, mit betoniertem Regenablauf- daneben gibt es kein Dorf, keine Hütte , nichts... Auf diese Straße wird gerade schon zum 5. Mal !! ein neuer Belag aufgetragen. Ich bin kein Straßenbauer, aber für das Geld hätte man mit Sicherheit die gesamte Strecke von Ifakara bis Lugala einmal glätten können.
Oder, wenn ich in DAR sehe, dass die EU eine vierspurige Straße grundhaft erneuert- da werde ich mich doch einmal fragen dürfen, was die EU mit dieser Straße zu schaffen hat?

Aber das gehört schon nicht mehr zum Bericht über die Piste nach Lugala.

P.

Sonntag, 26. Juni 2011

....Fortsetzung

Eine Fortsetzung sollte Peters letzter Beitrag nicht erfahren, doch die Erlebnisse meiner Rückkehr ab Dar es Salaam nach meinem Kurzaufenthalt in Deutschland passen nahtlos dazu, auch wenn es sich nicht unbedingt um Missgeschicke handelt.

Schon vor meiner Abreise nach Deutschland hatte ich eine Bahnfahrkarte von Dar nach Ifakara gekauft, von dort wollte mich Peter mit dem Auto abholen. Die Zeit zwischen Landung und Zugabfahrt war mit nicht einmal eineinhalb Stunden denkbar knapp, doch ohne zeitraubende Einreiseformalitäten, die uns mit unserem Resident-Status erspart bleiben und Taxifahrt zur Mittagsstunde mit wenig Verkehr sollte ich es schaffen. Auf eine in diesem Falle nicht unwillkommene kurze Verspätung konnte ich nicht hoffen, denn von Dar es Salaam fährt der Zug in der Regel pünktlich ab.

Tatsächlich klappte es wie gewünscht, Landung war bereits eine Viertelstunde früher. Nach zügiger Passkontrolle, einschließlich obligatorischer Fingerabdrücke der rechten und der linken Hand, musste ich nicht allzu lange auf mein Gepäck warten. Von den zahlreichen Taxifahrern wird man regelrecht bestürmt, also ging es sofort los und ich war gegen 14.00 Uhr, eine halbe Stunde vor Zugabfahrt, auf dem Bahnhof. Es machte mich sofort stutzig, dass von dem sonst üblichen Treiben der Menschenmassen mit unendlich viel Gepäck bei Ankünften oder Abfahrten (niemals am selben Tag) auf dem riesigen Vorplatz nichts zu sehen war. Auch die große Bahnhofshalle war fast leer, wie an Tagen, an denen kein Zug fährt. Mein Weg führte mich zum schwarzen Brett mit den handschriftlichen Bekanntmachungen. Dort war die Abfahrt des Zuges mit 24.00 Uhr und in Kiswahili-Zeit mit SAA 06.00 usiku angegeben, es bestand also kein Zweifel, der Zug fährt um Mitternacht. Das bedeutet 10 Stunden Verspätung. Man will so etwas ja nicht wahrhaben und ich erkundigte mich am Schalter, ob es tatsächlich stimmt. Die Zeit wurde bestätigt. Es war Dienstagnachmittag und der am Sonntagnachmittag eintreffende Zug war noch nicht einmal angekommen. Spätestens jetzt war mir bewusst, dass ich wieder in Tanzania bin.

Peter war zu dieser Zeit irgendwo zwischen Lugala und Ifakara unterwegs, also ohne telefonischen Empfang.

Mein Gepäck wurde von einem freundlichen Träger in den 1.Klasse-Warteraum gebracht, hier sollte ich mich für die nächsten Stunden auf einem abgewetzten Sessel einrichten. Der Unterschied zur „normalen“ Wartehalle besteht allein in der Größe, es ist ein viel kleinerer, fast gemütlicher Raum und es gibt separate Toiletten, was ja nicht schlecht ist. Zum Glück hatte ich reichlich zu Lesen. Mit der Zeit bilden sich Zweckgemeinschaften, man passt gegenseitig auf das Gepäck auf, leiht Handy-Ladekabel und plaudert ein bisschen.

Gegen 18.00 Uhr, also mehr als 48 Stunden verspätet, fuhr der Zug ein und es bestand Hoffnung auf die angegebene Abfahrt „pünktlich“ um Mitternacht. Wenigstens war die Verspätung so groß, dass ich in Ifakara nicht nachts, sondern morgens gegen 07. 00 Uhr ankommen sollte.

Peter war inzwischen aus dem Funkloch heraus und ich konnte ihn informieren, aber noch auf der anderen Kilombero-Seite. Seit einigen Tagen war die Fähre kaputt und so kam die alte klapprige Fähre zum Einsatz, auf der nur 2 statt 4 Fahrzeuge oder ein mittlerer LKW übersetzten können und bei der nach jedem Hin- und Herfahren erst einmal Wasser abgepumpt werden muss. Außerdem war der kürzlich in Dar es Salaam reparierte Starter des Autos wieder kaputt…

Um Mitternacht begann das Einsteigen. Dabei geht es erstaunlich geordnet zu, man muss sich einreihen und den Türsteher einzeln passieren, um auf den Bahnsteig zu gelangen. Ehe auch die Unmengen an Koffern, Säcken und Kisten verstaut waren, war eine weitere Stunde vergangen und gegen 01.00 Uhr fuhr der Zug endlich ab. In den nach Frauen und Männern getrennten Abteilen sind jeweils 4 Liegen mit Wolldecken und Bettlaken. Ich war froh, eine untere reserviert zu haben – jedenfalls bis die Frau eintrat, die das obere Bett zugewiesen bekommen hatte- eine sehr, sehr üppige Mama Afrika. Trotz ihrer unglaublichen Fülle war sie sehr behende und schnell nach oben geklettert.

Am Tage ist die Zugfahrt ein Erlebnis, man fährt fast 2 Stunden durch den Selous-Nationalpark und sieht Giraffen, Zebras, Antilopen usw. Das permanente Wippen, Schaukeln und Aufeinanderstoßen der Waggons stört nicht. Aber nachts hat man unweigerlich das beunruhigende Gefühl, der Zug würde jeden Moment aus den Gleisen springen. Doch es war spät und ich nach einer fast schlaflosen Nacht im Flugzeug einfach nur müde, so dass ich trotz wirrer Bilder von Zugentgleisungen und der Sorge über die Haltbarkeit der Pritsche mit der dicken Mama über mir eingeschlafen bin.

Nach 7 Stunden Fahrzeit erreichten wir Ifakara. Da die Bahnsteige sehr kurz sind, halten die 1. Klasse Waggons am Ende des Zuges weit außerhalb, man muss mit Sack und Pack knapp 1 m in die Tiefe springen und landet sozusagen auf dem Acker- ein Vorteil, dass ich bei Tageslicht aussteigen konnte.

Von Peter war noch nichts zu sehen, er musste erst ein Auto organisieren. Unseres sollte in Ifakara repariert werden. Motorradtaxi oder überfülltes Dalla Dalla schloss ich aus und eine halbe Stunde Warten nahm ich gern in kauf.

Der SOLIDARMED-Fahrer Thomas brachte unser Auto in eine Werkstatt und meinte, der Starter wäre spätestens mittags repariert. Nach dieser Auskunft war uns klar, dass wir eine weitere Nacht in Ifakara verbringen mussten, die Erfahrung sagt uns, schneller geht es nie, meistens dauert es viel länger als angekündigt. Das ist hier einfach so und die Frage, wie lange etwas dauert, hätten wir uns schon längst abgewöhnen sollen. Mit den mittlerweile 2-3 Stunden Wartezeiten an der Fähre würden wir Lugala bei Tageslicht nicht mehr erreichen und die inzwischen grottenschlechte Straße muss man bei Dunkelheit nicht fahren. Den Zimmerschlüssel hatte Peter vorsorglich noch gar nicht abgegeben.

An der Fähre am nächsten Morgen gab es noch immer lange Fahrzeugschlangen auf beiden Seiten. Es passiert öfter, dass die Fähre defekt ist und die alte Fähre genutzt werden muss. Diese ist aber keineswegs einsatzbereit und wird erst dann ertüchtigt, wenn die normale Fähre ausfällt. So passiert es dann schon, wie im letzten Jahr selbst erlebt, dass überhaupt kein Übersetzen möglich ist, bzw. für Fußgänger im Einbaum.

Auch diesmal gab es 2 Tage Pause. Niemand kommt hier auf die Idee, die alte Fähre einsatzbereit zu halten. Warum auch, es stört niemanden, zu warten. Die schweren Holz-, Reis- und Bierlaster konnten überhaupt nicht befördert werden. Allerdings hatte sich bei denen nach einigen Tagen doch etwas Unmut geregt.

Kleinere Fahrzeuge werden nach vorn gewunken und so waren wir nach 2 Stunden tatsächlich auf der anderen Seite des Kilombero angekommen - auf einer Fähre, die aufgrund ihres maroden Zustands eigentlich gar nicht so bezeichnet werden dürfte, mit morschen Planken, die notdürftig ausgebessert wurden und aufstehenden Nägeln, denen man kaum ausweichen kann und man die nächste Reifenpanne befürchten muss, mit einlaufendem Wasser, wobei man hofft, die Fähre kommt an, bevor sie sinkt. Diese Überfahrten sind nicht abenteuerlich sondern lebensgefährlich.

Die Fähre liegt zu tief - eingelaufenes Wasser muss abgepumpt werden, dann kann der Lorry an Land fahren

Kurz vor unserer Ankunft im letzten Jahr gab es ein Unglück, bei dem 19 Menschen ertrunken sind. So etwas nehmen die Leute zur Kenntnis, verdrängen oder vergessen es.

Ohne Worte

Ohne Zwischenfälle ging es bis Lugala und am Abend gab es Spargel, der nach 3 Tagen zwar nicht mehr taufrisch, aber für den Spargelliebhaber Peter Überraschung, große Freude und Genuss war.

B.

Samstag, 18. Juni 2011

Missgeschicke

Eigentlich sollte es ein entspanntes Wochenende in Dar es Salaam am Strand werden, aber manchmal geht einfach alles schief.
Es begann damit, dass gleich nach unserer Ankunft am TAZARA-Bahnhof aus Lugala ein Anruf kam: Monteure für ein neues Solarsystem seien unangemeldet erschienen und Kuandikas Anwesenheit ist unbedingt erforderlich. Eigentlich sollte er am nächsten Tag Ersatzteile für unsere Fahrzeuge kaufen, das musste nun ausfallen und er fuhr in aller Frühe die lange Strecke zurück zum Hospital.
Am folgenden Tag habe ich am Auto gewerkelt, dann alle Türen zugeschlagen und erst danach gemerkt, dass der Schlüssel im Fahrzeug liegt. Alle Öffnungsversuche mit einem starken Draht waren vergeblich- eher hätte ich den Türgriff abgerissen- so haben wir die Seitenfensterverriegelung aufgebrochen und das Auto von innen geöffnet. Bei dieser Gelegenheit haben wir gemerkt, dass man in 2 Minuten unser Fahrzeug aufbrechen und ausräumen kann. Ohne Lärm zu verursachen.
Wir wollten uns noch den Fischmarkt ansehen, sind rechtzeitig losgefahren und beim Schlangestehen an der Fähre (an der wir dann fast zwei Stunden warten mussten) gab der Starter den Geist auf. Anschieben ist hier gängige Praxis, aber als das Auto wieder fahrbereit war, musste alles weitere bei laufendem Motor geschehen.
In der Werkstatt der Kapuziner war der Autofundi nicht da, keiner konnte sagen, wann
er zurückkommen würde. Also sind wir zum Flughafen gefahren, Gepäck ausladen- viel war es ja nicht- und Verabschiedung von Beate und Gästen. Bei dieser Aufregung habe ich mein Parkticket verloren, hatte aber noch den Kaufbeleg. Den zeigte ich dem Posten am Schlagbaum, er akzeptierte ihn nicht und ich sollte 12.000 Strafe zahlen. Wir einigten uns schließlich auf 4000 - natürlich ohne Quittung und ich konnte ein neues Ticket ziehen.

Inzwischen hatte der Verkehr stadteinwärts zugenommen und mitten auf einer Kreuzung der Nyerere- Road geht der Motor wieder aus- ich hatte vergessen auszukuppeln. Ich gehe zum Verkehrspolizisten und schildere ihm mein Problem. Er verlangt 20.000,- für seine Hilfe, natürlich ohne Quittung, ruft ein paar Straßenverkäufer und nach dem Anschieben kann ich weiterfahren. Ich fahre noch zu einer Bank in der Uhuru-Road und dann im stockenden Verkehr zurück zu den Kapuzinern, als Linksabbieger kann man eine kleine Straße als Abkürzung nutzen. Ich ordne mich ganz links ein und- schon beim Abbiegen- überlegt sich der Fahrer eines neben mir stehenden Schwerlasters, dass er diese Abkürzung auch nehmen könnte, biegt ebenfalls links ab und schiebt mich dabei in den betonierten Wassergraben. Und fährt einfach weiter. Das Herausheben des Autos kostet 5000 Anschieben inclusive.

In der Dämmerung kommt der Autofundi, klopft mit dem Hammer auf den Starter (inzwischen haben bestimmt schon 10 Personen auf den Starter geklopft) und dann fahren wir zu einer Werkstatt. Mittlerweile ist tiefste Dunkelheit, wir kommen zur Werkstatt und kurze Zeit später ist in diesem Stadtteil Stromausfall. Die Mechaniker bauen bei Taschenlampenlicht den Starter aus, zerlegen ihn, besorgen bei einer anderen Werkstatt ein Verschleißteil und bauen den Starter wieder ein. Dies bis zum Schluss bei Taschenlampenbeleuchtung und kostet 40.000, diesmal mit Quittung. Kurz vor Mitternacht bin ich dann in meinem Zimmer in der Kapuzinerherberge und ziemlich erledigt.
Am nächsten Morgen fahre ich sehr früh Richtung Lugala und sehe bis zum Abzweig Mikumi 4!!! Lkw-Unfälle und denke: am Tag zuvor hätte es auch noch schlimmer kommen können.

P.