Montag, 28. Juni 2010

4 : 1

Gestern Abend haben wir erstmals bedauert, nicht in Fußballdeutschland zu sein. Die Stimmung während des Spiels nach den sehenswerten Toren und dem tollen Sieg war natürlich auch in unserer kleinen Fangruppe prächtig aber wir fühlten uns doch ein bisschen einsam mit unserer Freude.
Die meisten Einheimischen haben England das Weiterkommen gewünscht. Das verdenken wir ihnen natürlich nicht. Lampard, Terry usw. sind schließlich ihre Stars, sie kennen die Spieler aus der Premier-League, die hier regelmäßig übertragen und mit großem Interesse verfolgt wird.
Am Ende hat man uns aber zum verdienten Sieg unserer Mannschaft gratuliert - ganz förmlich in tanzanisch höflicher Manier.

Dabei hat Peter die 2. Halbzeit verpasst. Für den heutigen Zahltag hat Mr. Njaala am Sonntag die Lohntüten gefüllt. Es war ausgemacht, in der Spielpause den Tresor wieder zu verschließen. Leider hat sich Mr. Njaala irgendwann mittendrin verzählt und so mussten alle Umschläge noch einmal überprüft werden. Das hat dann bis 2 Minuten vor dem Abpfiff gedauert.
Na, wenigstens ist ihm Gomez erspart geblieben.

Nun freuen wir uns auf den nächsten Knaller gegen Argentinien, hoffentlich genauso erfolgreich.

Dienstag, 22. Juni 2010

Mit Gottes Segen

Das Lugala Lutheran Hospital ist eine Einrichtung der Ulanga Kilombero Diözese. Wird ein Chefposten besetzt, so kommt dieser neuen Amtsperson eine ganz besondere Ehre zuteil. Der Bischof höchstpersönlich erteilt seinen Segen und alle Pfarrer der Region stehen ihm dabei zur Seite.

Am letzten Sonntag fand nun dieses Ereignis in Lugala statt. Peter und Mr. Magwassa, Leiter der im Herbst gegründeten Nursing school, wurden feierlich in ihr Amt eingeführt. Mitarbeiter des Hospitals waren schon Tage vorher beschäftigt, dieses Ritual vorzubereiten.

Das wichtigste war natürlich der ca. zweistündige Gottesdienst am Vormittag in der mit roten Bougainvilleazweigen geschmückten Kirche. Von der langen Predigt des Bischofs haben wir nur einzelne Worte verstanden, von Zukunft und Hoffnung für alle Menschen hat er mehrfach gesprochen.

Mungo anisaidie

Peter und Mr. Magwassa bekamen gute Wünsche für ihren Weg und die hier bei jeder Gelegenheit übliche Versicherung, dass Gott es richten werde. Mungo anisaidie.

In guter Gesellschaft

Wie wir es Ostern in Morogoro schon erlebten, gab es auch hier neben feierlichen Hymnen vor allem fröhlichen von Trommeln begleiteten Gesang mit Jauchzern und so hatte die würdevolle Zeremonie einen heiteren Rahmen. Einige Lieder erinnern an gregorianische Gesänge, man hört einen Anflug von Reggae, ab und zu Gospel und manchmal fühlt man sich auch nach Hawai versetzt, auf jeden Fall wird man vom Rhythmus erfasst.

Mit Hingabe - Ngoma

Am Ende zogen alle Besucher singend durch die Kirche und beglückwünschten die nun mit höchsten Weihen bedachten Personen. Gesang, Tanz, Religion und Rituale bilden eine Einheit und sind für die Tanzanier fester Bestandteil ihres Lebens, dafür gibt es ein allumfassendes Swahili –Wort: ngoma. Ngoma bedeutet auch Trommel und dieses typische, ursprüngliche afrikanische Instrument kommt immer zum Einsatz.

Nachmittags gab es auf dem Gelände der Schwesternschule ein „Kulturprogramm“, wieder mit vielen Liedern und Tänzen, dazu ein paar Erdnüsse zum Naschen und das Wichtigste für alle – Cola, Sprite, Mirinda.

Für Ngoma braucht man keinen Verstärker, doch man liebt es hier vor allem auch schön laut. Also wurde extra eine grässlich klingende „Musikmaschine“ mit uralten Mikrofonen herbei geschafft. Die Schwesternschülerinnen – 2 Jungs sind auch darunter- haben den beiden Hauptpersonen sogar ein Lied gewidmet. Für uns hörte sich das ausgesprochen lustig an. Im Kiswahili gibt es kein Wort, welches auf einem Konsonanten endet. Die Leute können das auch nicht aussprechen und hängen z.B. an aus dem Englischen übernommene Wörter ein i, wie baiskeli, benki, cheki oder muziki. So war dann in dem Lied mehrfach „Magwassa na Gundermanni“ zu hören und weil es offenbar allen so gut gefiel, wurde es laufend neu angestimmt.

Geschenke gab es auch. Mit Ngoma- Begleitung wurden bunte Tücher ausgepackt und die Beteiligten damit eingehüllt. Nun werden wir uns afrikanisch einkleiden können. Peter hatte sich bereits ein Hemd schneidern lassen und dieses zur Feier des Tages getragen. Darüber hatte man sich sehr gefreut.

Stoffe für neue Kleidung

Für die Hospitalmitarbeiter, einige Patienten und Dorfbewohner war es ein abwechslungsreicher Nachmittag, für uns ein Erlebnis afrikanischer Lebensfreude.


Samstag, 12. Juni 2010

Gärtners Freud und Gärtners Leid

Die Reisernte ist in vollem Gange. Die Leute sind von morgens bis abends auf den Feldern und hoffen, dass es endlich trocken bleibt, damit die Verluste nicht allzu hoch sind. Auch wir haben erst einmal genug von Schlammlöchern und matschigen Pisten, doch heute gab es wieder einen sehr heftigen Regenguss….

Im Hospital sind in diesen Tagen wenig Patienten. Keiner hat Zeit, sich behandeln zu lassen und vor dem Reisverkauf fehlt bei den meisten auch das Geld für Medikamente. Charles hat sich zwei Tage für die Reisernte frei genommen, wie auch einige Mitarbeiter im Hospital. Hier hat fast jeder irgendwo seine Shamba. Für die meisten Leute im Dorf ist es die einzige Einnahmequelle, für einige Mitarbeiter ein recht lukrativer Hinzuverdienst, wenn man den Reis in Morogoro, Dar es Salaam oder anderen großen Städten verkaufen kann. Manche fragen nach Vorschuss vom Lohn, damit sie ihre Helfer bezahlen können. Wir haben unsere Hilfe ebenfalls angeboten, für uns wäre es eine neue Erfahrung, Reis erntet man schließlich nicht alle Tage. Es wäre aber verkehrte Welt, Mzungus (Weiße) auf seinem Feld arbeiten zu lassen, noch dazu unentgeltlich – das kann man sich hier nun wirklich nicht vorstellen. Unser Interesse hat zumindest bewirkt, dass uns ein eigenes Reisfeld zur Bewirtschaftung angeboten wurde. Wir haben das abgelehnt, was man nicht so richtig versteht, denn in bescheidenem Umfang könnten doch auch wir mit dem Reisanbau Geld verdienen. Trotzdem haben wir uns über dieses Angebot gefreut, zeigt es doch, dass wir für die Dorfbewohner inzwischen dazugehören.

Jetzt werden die Säcke in allen Größen und Varianten zu den Reismühlen gebracht. Wer es sich leisten kann, mietet ein Fahrzeug, die meisten transportieren die Lasten auf dem Fahrrad, einige aber auch ganz traditionell auf dem Kopf, die Kleinsten nicht ausgenommen.

Reismühle im Hochbetrieb

Charles hat letzte Woche zwei Papayabäumchen gepflanzt, mal sehen, ob sie tragen, solange wir hier sind. Nach einem Jahr sollen die ersten Früchte wachsen. Allerdings weicht unsere anfängliche Euphorie über das schnelle Wachstum der Pflanzen und die vermeintlich reiche Ernte der Früchte zunehmend dem Frust über verschiedene ungebetene Gäste. Was die Affen nicht holen, erledigen Nachbars Hühner. Unsere Avocados haben den Affen besonders gut geschmeckt, ebenso die frischen Triebe der Mangobäume. Die Apfelsinen waren offensichtlich noch zu sauer - einmal abgebissen, dann weggeworfen. Peter und Charles betätigen sich mit Katapulten als Affenschreck – geholfen hat es bisher nicht. Die Schweine haben ebenfalls gewühlt und die bereits kräftigen Melonen- und Zucchinipflanzen gefressen.

Wiederstedter Zinnien und
Studentenblumen...

Lediglich unsere aus Deutschland mitgebrachten Blumen und neu gepflanzte Sträucher von einer Baumschule in Dar, wie Ingwer, der übrigens wunderschön blüht, verschiedenfarbige Oleander, Frangipani und einige andere, die selbst der begeisterte Botaniker Peter nicht kennt, bleiben verschont und wachsen prächtig. Gerade bei den Blumen am Hauseingang erleben wir ein kulturelles Missverständnis. Alle freuen sich über die von vielen Schmetterlingen umflatterten bunten Blüten, doch käme man nicht auf die Idee, Blumen im eigenen Garten zu pflanzen, weil man davon weder satt wird noch damit Geld verdienen kann. Wahrscheinlich kannte es hier bisher auch niemand. Emma und Charles haben sich jedenfalls über Zinniensträuße zum weeki endi sehr gefreut und schon dankbar Blumensamen mitgenommen. Dafür findet sich schließlich immer ein kleines Eckchen.

... ein Paradies für Schmetterlinge

Dienstag, 1. Juni 2010

Heute ist Zahltag (31. Mai)

Für die Mitarbeiter des Hospitals zweifellos der wichtigste und für Mr. Njaala der wohl stressigste Tag des Monats ist der Zahltag.
Das Hospitalkonto wird bei einer Bank in Ifakara verwaltet. Gelder der Hilfsorganisationen und der Regierung werden überwiesen und müssen als Bargeld abgehoben werden, um sämtliche Ausgaben des Hospitals zu bestreiten und Gehälter auszuzahlen. Private Girokonten, wie in Deutschland üblich, gibt es nicht.
Der Bargeldverkehr bringt es mit sich, dass von Zeit zu Zeit, vor allem vor den Zahltagen, jemand nach Ifakara fahren muss, um größere Geldbeträge zu holen. Gerade während der Regenzeit ist dies mitunter eine heikle Angelegenheit. Dann sitzt der arme Mr. Njaala möglichst unauffällig mit seinen dicken Geldbündeln im Bus, der unterwegs vielleicht dreimal in den Graben rutscht oder stundenlang auf der Strecke liegt, weil andere Fahrzeuge die Straße blockieren. Heute z.B. hat der Bus von Ifakara knapp 9 h gebraucht, meistens schafft er es in 4-5 h.
Die Regenzeit ist übrigens noch nicht vorbei. Zwar gab es schon ein paar regenfreie Tage – dann auch gleich mit staubigen Wegen als Vorgeschmack auf die Trockenzeit - doch in den letzten Tagen hat es wieder sehr heftig geregnet. Auch auf unserer Rückfahrt von Dar Es Salaam haben wir einen Zwischenstopp mit Übernachtung in Ifakara einer unfreiwilligen Nacht im Auto vorgezogen. Die Piste war einfach nicht befahrbar. Dank CelFon – wie das Handy hier heißt- ist man aber bestens informiert.

Letzte Woche mussten die Bestände zur Lohnzahlung aufgefüllt werden und wir haben Mr. Njaala mit einem mulmigen Gefühl nach Ifakara fahren lassen, um Geld zu holen. Die Leiterin des SolidarMed Büros mit Kontovollmacht hatte den stattlichen Betrag von 15 Mio Shilingis bereits abgehoben. Gegen 14.00 Uhr sendete Mr. Njaala die Nachricht, dass er mit dem Geld im Bus nach Malinyi sitzt, danach war er telefonisch nicht mehr erreichbar – sein CelFon war abgestellt. Die nächsten nervenaufreibenden Stunden bis zur Ankunft gegen 22.30 Uhr lassen den Krankenhausverwalter gefühlte 2 Jahre älter werden. Mr. Njaala hatte immerhin ca. 6 Jahresgehälter in der Tasche! Für einen Tanzanier ist das eine unvorstellbar hohe Summe Bargeld.

Hier liegen die Millionen

Die Vorbereitung der Ausgabe der sprichwörtlichen Lohntüten dauert zwei Tage. Für jeden der knapp 80 Mitarbeiter wird ein Umschlag mit seinem Lohn vorbereitet und sicher im Tresor aufbewahrt. Am Zahltag selbst stehen die ersten schon Schlange, bevor der Arbeitstag gegen 08.00 Uhr beginnt.
Jeder nimmt seinen Umschlag und strahlt beim Anblick der abgezählten Scheine. Bei den meisten bleibt bis zum nächsten Zahltag nicht viel übrig, was da ist, wird auch ausgegeben. In Afrika lebt man von der Hand in den Mund und ist schon froh, wenn das überhaupt möglich ist.