Dienstag, 9. November 2010

Hitze und Feuer

Über die unglaubliche Hitze jetzt im “afrikanischen Winter” habe ich ja schon gejammert- sie macht uns, vor allem mir, wirklich zu schaffen. Beate kommt damit ganz gut zurecht. Bis etwa 9 Uhr vormittags geht es noch. Danach wird es heiß und heißer, gegen 14 Uhr kann man sich nicht mehr in der Sonne aufhalten. Der Boden glüht förmlich und jedes Lüftchen ist auch heiß. Die Erde ist steinhart, alles ist vertrocknet und das Grundwasser weit abgesunken. Wenn wir jetzt mit den Rädern unterwegs sind, spätnachmittags und dann ist es immer noch heiß genug, ist die Erde überall gerissen, keine Pfütze oder Schlammloch ist zu sehen. Dafür gibt es Staub, Staub und nochmals Staub. Wir schützen uns ein wenig, indem wir von Charles morgens als erstes die Straße vor unserem Haus mit etwas Wasser bespritzen lassen. Aber die Leute in den Dörfern- sie leben eigentlich immer im Dreck: entweder ist ringsum Schlamm oder Staub. Wenn man dann noch bedenkt, dass sie weite Wege gehen, um einen Eimer oder Kanister einigermaßen sauberes Wasser nach Hause zu schleppen und das reicht dann gerade zum Essen kochen und Trinken- dann kann man sich ausrechnen, wieviel zum Waschen bleibt. Auch im Hospital wird das Wasser langsam knapp. Der Wasserspiegel ist so stark abgesunken, dass es gegen Mittag kein Wasser mehr gibt- es konnte einfach nicht genug Wasser in die Versorgungstanks gepumpt werden. Und beim Wasserholen an der Pumpe muss man schon einmal 5 Minuten warten, bis wieder genug Wasser für zwei Eimer nachgelaufen ist. Erst mit dem abendlichen Einschalten des Generators springt die Pumpe an und versorgt uns auch im Haus wieder mit Wasser.

Bei dieser Trockenheit ist es verblüffend, wenn gerade jetzt Bäume zu blühen beginnen und Früchte reif werden. Die Flammenbäume (Delonix regia) beginnen zu blühen, ein anderer, zartrosa blühender Baum ebenfalls (Name wird nachgeliefert) und auch die duftenden Franchipanibäume sind über und über voll mit Blüten. Die Mango werden immer größer, Zitronen wachsen sogar bei uns im Garten und Papayas gibt es schon seit Monaten. Letztere sind so frisch vom Baum wirklich ein Genuss und mit den Früchten in den Obstabteilungen der Supermärkte in Deutschland nicht zu vergleichen- einen Vorteil müssen wir auch haben.

Als wenn die Hitze nicht schon genug wäre- ringsum wird jetzt beinahe täglich das trockene Gras abgebrannt, in der vergangenen Woche hat es unseren compound betroffen. Plötzlich waren am Nachmittag ringsum meterhohe Flammen und mein erster Gedanke war unser Diesellager. Im vergangenen Jahr wäre es bei dieser Gelegenheit beinahe in die Luft geflogen und es hatte wohl einiger Anstrengungen bedurft, um eine Katastrophe zu verhindern.

Auf Feuerwacht mit Tischler und Feuermeister Mr. Lyabonga

In diesem Jahr hatte ich vorsorglich einen Sicherheitsstreifen hauen lassen und es war richtig schön zu sehen, wie die Feuerwand bis zu diesem Streifen vorrückte, das Feuer nur noch weiterglimmte und mühelos ausgeschlagen werden konnte. Rings um unser Haus/Garten brannte es ebenfalls lichterloh- es war schon ziemlich dramatisch, aber nicht unbedingt gefährlich, wie Beate es empfunden hat, an der Grundstücksgrenze war Schluss.

Am Garten"zaun" war zum Glück Schluss


Ein paar tragische Momente gab es dennoch: in unserem Garten lebte seit ein paar Tagen eine Katzenmutter mit ihren drei kleinen Kätzchen. Sie waren zwar scheu, aber es war immer ganz unterhaltsam, ihnen beim Spielen zuzusehen. Die Jungen haben ein Versteck gesucht und dann ist das Feuer über sie weggegangen. Das war`s dann.

In der Nähe unseres Gartens steht ein alter, hoher Baum, in dem sich in halber Höhe ein Schwarm wilder Bienen eingenistet hatte. Das Wachs ist natürlich geschmolzen und der Baum brannte und brannte- an Löschen war (8-10 Meter hoch!!) nicht zu denken. In der Nacht ist dann der obere Teil des Baumes in unseren Garten gekracht. Es ist nichts passiert, Beate hat es eine schlaflose Nacht beschert, Emma und Charles haben sich am nächsten Morgen über den großen Haufen Feuerholz gefreut. Dicht daneben war in einem anderen Baumstumpf ein weiteres Bienennest. Wir hatten uns schon immer gewundert, woher während der Mangoblüte das Summen ganz in unserer Nähe kam, konnten den Bienenschwarm aber nicht finden. Nun brannte der Stumpf ein paar Tage- schade um den schönen Honig. Das sage ich ganz bewusst, denn ich habe noch nie so aromatischen Honig gegessen wie hier in Afrika, noch ein Vorteil für uns. Der Beste kommt aus Taveta, hier ganz in der Nähe und fast ebenso guter aus Tabora. Aber das ist weit weg- eine Fahrt nach Tabora würde länger dauern als ein Flug nach Deutschland. Doch auch an diese Entfernungen haben wir uns gewöhnt, auch daran, dass irgendwann und irgendwie dieser Honig aus Tabora nach DAR kommt und man ihn irgendwo an einem Stand kaufen kann. Man muss den Stand nur finden.

P.

Tansania in drei Wochen

Drei Wochen war ich gemeinsam mit Vera Gast bei Beate und Peter. Nun erhalte ich die Ehre zu einem Gastbeitrag auf diesem Blog Tansaniaadventure.
Mein Versuch, eine strukturierte Geschichte über die Zeit in Tansania zu schreiben, will mir nicht gelingen. Vielleicht, weil Tansania keine vernünftige Struktur hat, vielleicht aber auch, weil mir die Übung fehlt. Bestimmt das Letztere. Daher die offensichtliche Willkür im Folgenden.

Habari … (Begrüßungen)

Wir mit unserem permanenten Drang zur Beschleunigung scheitern in Tansania schon bei der gegenseitigen Begrüßung. Bei mir war es eine einfache Frage nach dem Weg zum Bahnhof. Irritiert, mit Unverständnis im Blick und sehr zögerlich bekam ich mit einer Geste den Weg gewiesen. Was hatte ich falsch gemacht? In Tansania begrüßt man sich ausführlich!
Nach einer einführenden Frage nach dem Befinden, welche immer positiv beantwortet wird, kommt es zur obligatorischen gleichlautenden Gegenfrage. Diese wird – wie überraschend – natürlich ebenfalls positiv beantwortet. Dann kommen die Fragen nach Familie, Arbeit, Acker usw. Wenn dieser Dialog nach gefühlten fünf Minuten beendet ist, kommt man zum eigentlichen Thema. Das passiert uns u.a. bei einer Polizeikontrolle. Nach dem klassischen einführenden Palaver (übrigens eines der Worte aus dem Swahili, welches den Weg ins Deutsche gefunden hat) stellte der Polizist mit großer Freundlichkeit fest, dass unsere Versicherung abgelaufen sei. Nach 5 € für ihn privat und 10 € für die Versicherung konnten wir weiterfahren.
Was mir noch niemand beantworten konnte, wie funktioniert das hier mit dem Notruf? An welcher Stelle darf ich sagen, dass mein Haus brennt?

Kleiderspenden

Bisher hielt ich diese Sammelcontainer für sinnvolle Einrichtungen.Bisher!
Das Ergebnis unserer Sammlungen sind Kleiderversteigerungen auf den verschiedensten Märkten. Da stehen ca. 5 Männer auf der Ladefläche und bieten den unten stehenden Landsleuten laut durcheinander schreiend die Kleidungsstücke an. Der Höchstbietende bekommt dann das Kleidungsstück zugeworfen und weitere, zum Auktionsteam gehörende Männer, kassieren das Geld sofort ein. Wenige Meter von dieser Auktion sitzen die Verkäufer und Verkäuferinnen ohne Kunden vor ihren Geschäften. Ebenfalls daneben sitzen Näherinnen mit ihren Singer-Nähmaschinen und warten vergeblich auf Kundschaft. Mit unseren „Spenden“ aus Europa und Amerika können nicht einmal die geringen tansanischen Lohnkosten konkurrieren.
Wir Europäer zerstören auf diesem Weg die Möglichkeit zum Aufbau einer Eigenversorgung und damit den Weg zur Selbstständigkeit. Die Abhängigkeit von Europa und Amerika – die wir zu jeder Gelegenheit beklagen - zementieren wir einfach.

Kontrollierter Anbau

Nachdem wir „Teakmöbel aus kontrolliertem Anbau“ und mit dem entsprechenden Gütesiegel in Deutschland kaufen können und glauben, auch noch einen Beirag zur Industrie in Afrika geleistet zu haben, bekommt man in Tansania einen wunderbaren Einblick in die Bedeutung dieser Errungenschaft.
Kontrollierter Anbau bedeutet kontrolliertes Abholzen des Altbestandes. Kontrolle beginnt mit einer Brandrodung. Nachdem auch das letzte Tier, welches nicht rechtzeitig flüchten konnte, hier sein kontrolliertes Ende gefunden hat, werden mit fast schon deutschem Ordnungssinn in einem Abstand von 1,80 Meter die Teakbäume gesetzt. Dem so entstehenden Wald ist anzusehen, dass sich hier nicht mehr viel ansiedeln wird. Dafür ist den klaren Linien dieser Monokultur zu erkennen, dass das Einzige was hier noch Fortschritte machen wird, die Bodenerosion ist.

Sauber! oder wie der Tansanier sagen würde „Safi!“.

Hilfe für Afrika

Seit vielen Jahren fließen Millionen von Fördermitteln nach Tansania. Allein Deutschland hat seit 1962 insgesamt 1,6 Millarden EURO (€ 1.600.000.000,00) an Entwicklungshilfe überwiesen. Für die Jahre 2009 bis 2011 sind ebenfalls ca. 50 Millionen EURO Entwicklungshilfe pro Jahr zugesagt. Dazu kommen jährlich noch einmal ca. 10 Millionen EURO Budgetunterstützung.

In zwei Jahren ist Jubiläum! 50 Jahre Entwicklungshilfe für ein Land, bei dem die Entwicklungshilfe ca. 40% des Staatsbudgets ausmacht. Auch wenn das Land aus unserem Blickwinkel stabil wirkt, scheint hier die Entwicklungshilfe die regelmäßige Portion Beruhigungsmittel zu sein.

Sicher fehlt mir hier Hintergrundwissen! Aber es erscheint nicht zu funktionieren – das mit der Entwicklungshilfe. Nach 50 Jahren sollten vielleicht Mittel und Wege neu durchdacht werden.

Die tote Mutter und die Toilette

Im Krankenhaus in Lugala starb eine junge Frau. Niederschmetternd daran ist, dass die schwangere Frau und ihr ungeborenes Kind verstorben sind, weil kein Fahrzeug verfügbar war um sie rechtzeitig ins Krankenhaus zu bringen. Sie hatte seit dem Vorabend auf ein Fahrzeug gewartet. Wenige Minuten nach ihrem Eintreffen im Krankenhaus starb sie. Ursache war eine Uterusruptur. Bei der Einlieferung befand sie sich im haemorhagischen Schock. Sie hinterlässt drei kleine Kinder.

Am gleichen Morgen, kurz nach dem Tod der Frau, fuhren im Krankenhaus zwei Wagen ein. Eine Delegation des Distrikts, politische Vertreter der Division, Parteivorsitzende, der Hygienebeauftragte des Distrikts und die Polizei. Diese Delegation hatte ein gravierendes Problem zu lösen.
Eine Woche vorher wurden im Gästehaus des Krankenhauses „Staatsgäste“ beherbergt. Diese Gäste mussten tatsächlich, während sie auf der Toilette des Gästehauses saßen, auf eine mit Ölfarbe gestrichene Wand sehen. Gerade ein tansanischer Staatsgast hat das Recht auf eine 1,50m hoch gekachelte Wand zu schauen, während er auf der Toilette sitzt. Am Nachmittag kamen dann zwei weitere Staatswagen, diesmal um die Konstruktion zweier Außentoiletten abzustimmen.

Prioritäten?

Abschluss

Was auch immer in diesem Beitrag steht, Tansania ist ein wunderschönes Land. Der Boden ist fruchtbar, die Tierwelt ist reichhaltig und die Menschen sind grundsätzlich freundlich und wohlwollend.

Hallo Beate, Hallo Peter,
vielen Dank.

Uwe

Montag, 8. November 2010

Teakholz...

... aus ökologisch zertifiziertem Anbau – dieses Gütesiegel suggeriert kontrollierte Bewirtschaftung der Wälder und beruhigt das umweltbewusste Gewissen der tropenholzliebenden Konsumenten. Holzanbau und - einschlag erfolgen sicher unter als ökologisch anerkannten Kriterien, doch zu welchem Preis?

Die Realität sieht so aus:

In Mikumi verlässt man den sogenannten Tanzania-Sambia-Highway, eine stark befahrene Trasse von Dar Es Salaam nach Lusaka und erreicht nach knapp 3 Autostunden die kleine Stadt Ifakara am Ufer des Kilombero. Bis dahin führt eine überwiegend schlechte Straße mit tiefen Schlaglöchern und wenigen asphaltierten Abschnitten. Aber die Strecke ist abwechslungsreich, man fährt durch bewaldete Hügellandschaft, vorbei an Zuckerrohrplantagen und Reisfeldern, tangiert den Udzungwa Nationalpark, urwaldreiche Berge mit imposanten Wasserfällen und erlebt bunte afrikanische Vielfalt in den Dörfern entlang des Weges.

Im Gegenverkehr befinden sich nicht nur Überlandbusse, Reistransporter und Bier/Cola-LKW, sondern auch schwerbeladene Holztransporter.

Nachdem man mit der Fähre glücklich übergesetzt hat, folgen bis Lugala weitere vier Autostunden über - je nach Jahreszeit - staubige oder matschige Piste und über teilweise abenteuerliche Brücken, alles inzwischen von schweren Holztransportern ramponiert. Auch diese Strecke führt durch waldreiches Gebiet, allerdings sind vom ursprünglichen typischen Regenwald mit all seinem Artenreichtum nur noch wenige Abschnitte übrig geblieben. Den größten Teil des Weges säumen inzwischen großflächig angepflanzte und eingezäunte Teakplantagen. Dort wo diese in Reih`und Glied stehenden Bäume in den Himmel ragen, wuchs über Jahrhunderte dichter und auch während der Trockenzeit grüner Wald – und wurde abgebrannt. Riesige Flächen Wald sind verschwunden und damit auch alle dort lebenden Tiere. Der Teak“wald“ ist stumm. Die typischen Geräusche des tropischen Waldes, ein permanentes Pfeifen, Zwitschern, Zirpen, Zischen – nichts ist zu hören. Nur ein paar Affen streunen noch herum.

Die schnell wachsenden, großblätterigen Teakbäume entziehen mit ihrem enormen Wasserverbrauch dem Boden das Wasser und sorgen mit dieser Austrocknung für eine weitere Verschlechterung der ohnehin schwierigen Wasserversorgung. Man muss ja nicht gleich jeden Wald zum Nationalpark erklären und keinerlei Bewirtschaftung zulassen, doch diese großflächige Zerstörung eines intakten Ökosystems ist einfach unverantwortlich.

"Wald" ohne Leben - Teakplantage

Wie so oft, fließt viel Geld in die Taschen weniger Leute. Ein paar Tagelöhner verdienen für schwere Arbeit ein paar Schillinge und müssen dabei ihr eigenes Land ruinieren.

B.