Dienstag, 26. Oktober 2010

Die letzten Wochen im Rückblick - Besucher, Wahlkampf und andere Erlebnisse

Mitte September waren 6 Mitglieder des Lugala-Arbeitskreises, der das Hospital seit 20 Jahren engagiert unterstützt, zu Gast. Ohne diese vor allem finanzielle Hilfe wäre eine Versorgung der Patienten mit Medikamenten nicht möglich. Jetzt hatten die Besucher reichlich OP-Material, diverse Geräte u.a. einen neuen Akkuschrauber für den OP und auch einige kulinarische Köstlichkeiten für uns im Gepäck.

Unsere Hauptbeschäftigung der Tage zuvor bestand im Aufräumen, Auspacken und Sortieren. Bettwäsche, Handtücher, bestimmt tausend (!) Waschlappen aus früheren Sendungen– alles wartet seit Monaten in Kisten und Kartons auf Benutzung. Auf die Frage, warum es nicht auf den Stationen verteilt wird, bekommen wir zu hören, dass es dann verschwindet. Wird es nicht verteilt, nützt es auch niemandem, doch das ist den Nurses egal. Lieber lässt man die Dinge ungenutzt verrotten, als dass man es den wirklich Bedürftigen gönnt. Nehmen sie ein Handtuch mit in ihre Lehmhütte, dann ist der Zweck doch genauso erfüllt. Die Waschlappen verteilen wir jetzt an die vielen Mütter mit ihren Kindern, sie sind dankbar und freuen sich darüber.

Fahrten nach Dar es Salaam sind stets mit diversen Einkäufen verbunden, neben Medikamenten und Laborbedarf müssen Büromaterial, Reinigungsmittel, Ersatzteile und Verbrauchsmaterialien aller Art besorgt werden. Außerdem fährt man nie allein, es gibt immer Fahrgäste, die morgens vor der Tür stehen, diesmal hatten wir noch Patienten zur Weiterbehandlung im Muhimbili-Hospital an Bord und Reissäcke, die uns von Mitarbeitern für ihre Angehörigen in der Hauptstadt mitgegeben wurden. Die erwartete Ankunft unserer Gäste am Montagabend bot uns Gelegenheit für ein Wochenende auf Sansibar. Nach all dem täglichen Trubel ist so eine kleine Auszeit sehr erholsam, abgesehen von den ständigen sms mit Wünschen, was ganz plötzlich fehlt und wir unbedingt noch mitbringen müssten, wie Batterien, Druckerpatronen u.ä..

Während der beiden Einkaufstage in Dar hatten wir insgesamt 3 Reifenpannen, glücklicherweise beim Gästehaus der Kapuziner, unserem Stammquartier in Dar. Dort hat ein freundlicher Helfer die Reparaturen übernommen. Die bereits mehrfach geflickten Schläuche müssen einfach irgendwann mal ersetzt werden. Die klimatischen Bedingungen und Straßenverhältnisse sind schon eine besondere Härte für Mensch und Material. Auf der Fahrt nach Lugala gab es für die Gäste einen Zwischenstopp mit Besuch beim Bischof in Ifakara. Außerdem erreichte uns die Bitte, doch noch 2 neue Matratzen für das Gästehaus mitzubringen. Also wurde Strick besorgt und auf dem übervoll beladenen Auto mit reichlich Gepäck auf dem Dach fanden auch noch 2 Matratzen Platz. In Deutschland dürfte man mit einer solchen Ladung wohl keiner Verkehrskontrolle begegnen.

An den folgenden Tagen haben sich die Besucher- Pfarrer, medizinisches Personal und ein Verwaltungsfachmann - ihr Betätigungsfeld im Hospital gesucht. Das 20 jährige Bestehen der Partnerschaft wurde mit einem bunten Abend mit vielen Bildern aus den vergangenen Jahren, gegenseitigen Geschenken, mit Cola, Brause und Erdnüssen unterhaltsam und würdig gefeiert.

Peter war dann mit der Gruppe in unserer Dispensary in Tanganyika Mazagati, die wir während der Regenzeit schon einmal besucht hatten. Dort mussten unbedingt Reparaturen an den Gebäuden vorgenommen werden, die nur jetzt zur Trockenzeit möglich sind. Keiner hat sich bei diesem Arbeitseinsatz geschont und das Gebäude erhielt neben den notwendigen Reparaturen vor allem eine Grundreinigung und frische Farbe – so ordentlich hat es wohl noch nie dort ausgesehen. Übernachtet wurde in Taveta. So verband dieser dreitägige Ausflug tief in den afrikanischen Busch das Angenehme mit dem Nützlichen.

Während dieser Zeit hatte das Hospital (Kontroll-) Besuch der Chefärztin des Distrikts, einen Tag später kam die Gesundheitsministerin, denn es ist Wahlkampf. Diese Gelegenheit sollte genutzt werden, um einmal mehr die Bedeutung des Hospitals herauszustellen. Die prekäre finanzielle Situation hat ihre Ursache auch darin, dass die Regierung nur Personal für ein 60- Betten-Krankenhaus anerkennt und nur dafür Gehälter zahlt. Im Laufe der Jahre ist die Bettenzahl auf das Doppelte gestiegen, zeitweise reichen auch diese nicht aus und natürlich ist mehr Personal als in den Anfangsjahren beschäftigt. Außerdem werden jährlich 15000 Patienten ambulant betreut. Somit ist die Einrichtung ein von der Bevölkerung hochfrequentiertes ländliches Krankenhaus und garantiert eine medizinische Grundversorgung für über 100000 Einwohner. Trotzdem hat es nicht den Status eines Distriktkrankenhauses, für welches mehr Personal bezahlt wird, denn dieses gibt es in Mahenge, ca. 6 Autostunden entfernt, für viele Menschen zur Regenzeit quasi nicht erreichbar. Die Ministerin nahm es zur Kenntnis, mehr nicht. Erfolg bleibt also fraglich, vielleicht dazu an anderer Stelle mehr. Jedenfalls musste für den hohen Besuch das Gästehaus komplett geräumt werden, gut dass es mit dem Ausflug unserer Lugala-Arbeitskreis-Gäste zeitlich geradeso klappte. Katharina und Kurt, zwei deutsche Studenten, die im Hospital ein Praktikum absolviert haben, mussten ebenfalls ausziehen. Die beiden habe ich kurzerhand bei uns einquartiert, so war ich wenigstens nicht allein und während unserer nachfolgenden Abwesenheit hat jemand das Haus bewohnt.

Der Verabschiedung der Lugala-Arbeitskreis-Besucher in Dar folgte die Begrüßung unserer privaten Gäste: Vera und Uwe. Die beiden durften dann auch gleich den msd-Einkauf erdulden, bevor der „Erlebnisurlaub“ am nächsten Morgen beginnen sollte. Wir hatten die Hauptstadt gerade verlassen, als plötzlich ein Stein durch die Windschutzscheibe fliegt. Doch Glück im Unglück: es gab keinen Personenschaden und dank Sonnenbrille ging auch nichts in`s Auge. Die Leute erzählten, dieser Verwirrte wirft öfter Steine….

Glück im Unglück

Mit Rollenpflaster wird der Rest notdürftig zusammengehalten, in der Toyota-Werkstatt eine Ersatzscheibe eingebaut, eine neue muss aus Südafrika beschafft werden. Auf dem Gelände der Werkstatt hörten wir ein eindeutiges Zischen, die nächste Reifenpanne, wie passend.

Schon auf dem Weg zu unserem abendlichen Etappenziel Mikumi begrüßen uns Giraffen und Zebras. Der Besuch im Park brachte diesmal ein besonders schönes Erlebnis: wir haben ein gerade geborenes Impalababy entdeckt und konnten beobachten, wie es immer wieder versucht, auf seinen wackeligen Beinen zu stehen – und es doch noch nicht schafft, allerliebst!

Noch keine Stunde auf der Welt

Am nächsten Morgen macht uns der Lodge-Inhaber freundlicherweise auf einen platten Reifen aufmerksam, Nr.5. Wir hatten uns dort ohnehin mit einem nach Dar fahrenden SolidarMed –Mitarbeiter verabredet, also übernimmt dessen Fahrer für uns die Reparatur und kauft neue Schläuche, wir erledigen in der Zwischenzeit unsere Formalitäten. Die Tagesetappe ist außerdem nur kurz, unser Ziel sind die Udzungwa-Berge. Eine Tageswanderung führt uns durch schattigen Urwald zu den Sanje-Wasserfällen, von den dort lebenden kleineren Buschelefanten sehen wir allerdings nur die Hinterlassenschaften.








Erfrischung im Urwald an den Sanje-Wasserfällen, 170 m hoch, jetzt in der Trockenzeit nur wenig Wasser

Die Weiterfahrt nach Lugala verläuft ohne Zwischenfälle, keine Reifenpanne, auch die Fähre ist intakt. Schon bei unserer Ankunft nehmen wir einen merkwürdigen und doch eindeutigen Geruch war und wir vermuten ein verwesendes Tier im angrenzenden Feld. Beim Wäsche aufhängen am nächsten Tag bemerke ich ein buntes Tuch im Baum hinter dem Garten. Bei näherem Hinsehen bestätigt sich die Vermutung, dass dort jemand ist und ich denke kurz, jetzt werden wir auch noch von dieser Seite beobachtet – die Leute stehen sonst nur auf der Straße vor dem Haus und gucken – aber er bewegt sich nicht. Peter geht näher und meint, dort hängt jemand. Wir holen Peter Hellmold und benachrichtigen Polisi Steven. Man weiß inzwischen, dass es ein seit 4 Tagen vermisster Patient war. Er muss von seinen Verwandten identifiziert werden und soll, da man ihn nicht mehr in die Leichenhalle transportieren kann, solange dort hängen bleiben. Die Familie wohnt 40 km weg, das bedeutet: Hängenbleiben bis zum nächsten Tag. Mit dieser Gewissheit und dem immer stärker werdenden Gestank ist es keine angenehme Nacht. Am Sonntag kommen die Angehörigen und schaufeln direkt unter ihm ein Grab, eine andere Bestattung war nicht mehr möglich. Charles meldet sich am Montag krank, er hat sicher nicht verkraftet, dass er sich im Garten beschäftigt hat, ohne etwas zu bemerken.

In der folgenden Woche sortiere ich mit Vera Bücher für die Bibliothek, Uwe widmet sich den virenverseuchten Computern unseres „Internetcafés“. Zeit für Fahrradtouren, Ausflüge nach Malinyi, Biro oder zum Furua und Lesen bleibt für die beiden natürlich auch.

Auf dem Weg nach Biro

Die geplante Fahrt mit der TAZARA zurück nach Dar fällt leider aus, die angekündigten 14 h Verspätung, es können durchaus noch mehr werden, sind auch für tanzanische Verhältnisse ein bisschen viel. Außerdem erwartete uns dann eine Nachtfahrt und das heiße, staubige Ifakara ist nicht gerade eine attraktive Metropole, um sich dort die Zeit zu vertreiben. So fahren wir gemeinsam mit Kuandika im Auto in die Hauptstadt, er kauft diverse Ersatzteile für Hospitalfahrzeug, Traktor und Generator sowie zwei neue Reifen für unser Auto, damit wir für die nächste Regenzeit gerüstet sind. Wir gönnen uns ein Eis, für uns inzwischen Luxus, den es außerhalb der großen Städte nicht gibt. Für Kuandika war es das erste Eis seines Lebens.

Gemeinsam mit Vera und Uwe verbringen wir eine Woche in einer Strandlodge bei Pangani am Indischen Ozean. Ein Ausflug führt uns nach Tanga, drittgrößte Hafenstadt in Ostafrika mit deutscher Geschichte, morbidem Charme und angenehmer Athmosphäre. Wir werden dort bestimmt noch einmal hinfahren.

Ehemaliges dt. Krankenhaus - dank Spendengeld aus Deutschland mit neuem Dach vor dem Verfall gerettet, doch wird es weiter ungenutzt bleiben müssen








Für uns ist dies die erste komplette Urlaubswoche seit 7 Monaten. Dabei erreichen uns die obligatorischen sms, was aus Dar noch alles mitzubringen sei. So begeben wir uns nach der Verabschiedung am Flughafen wieder auf Einkaufstour, wollen die beim letzten Mal nicht vorrätigen Medikamente besorgen, die es leider auch diesmal nicht gibt und brechen wieder nach Lugala auf. Unterwegs haben wir den nunmehr 6. Platten, diesmal im Busch. Es reicht. Freundliche Helfer bugsieren das kaputte Rad auf`s Dach und wir erreichen Lugala noch vor Einbruch der Dunkelheit. Das Haus ist total verstaubt, so hat Emma am Montag reichlich zu tun.

Es wird von Tag zu Tag heißer, das Thermometer im Haus zeigt jetzt 35 Grad, alles ist vertrocknet und der Staub lästig. Einmal Regen wäre jetzt nicht schlecht, darauf müssen wir noch bis Ende November warten.

Donnerstag, 7. Oktober 2010

Ein Scheck unterwegs

Am Ende eines jeden Quartals muss unsere Internetgebühr bezahlt werden, etwas über eine halbe Mio. Schilling. Das ist viel Geld, nicht nur für unser von Finanzsorgen geplagtes Hospital- aber der Anbieter in Arusha ist Monopolist, bestimmt die Preise und ist nicht gerade kundenfreundlich. Das Hospital hat bei der National Mikrofinance Bank (NMB) ein Konto, online-Banking wird nicht angeboten, so erfolgt die Bezahlung von Rechnungen per Scheck.

Für die Bezahlung der Internetgebühr wird in Lugala ein Scheck ausgefüllt- wie immer- Dr. Hellmold und Mr. Moses unterschreiben. Der Scheck muss nun nach Ifakara gebracht werden- dafür muss man jemanden finden, der nach Ifakara fährt und den Scheck mitnimmt. Das gelingt auch, doch nach ein paar Tagen wird der Scheck wieder nach Lugala gebracht: die Unterschriften stehen nicht an der richtigen Stelle. Die vorherigen Schecks waren genauso unterschrieben- diesmal stehen die Unterschriften eben nicht an der richtigen Stelle, deshalb: ein neuer Scheck. Ein Freund unseres Fundi Kuandika will nach Ifakara fahren- Kuandika bekommt einen Umschlag mit dem neuen Scheck und soll ihn mitgeben. Einige Tage später, wir sind mittlerweile in Dar es Salaam, um Gäste des Lugala-Arbeitskreises vom Flughafen abzuholen, erhalten wir einen Anruf von Mr. Matimbwi, dem Solarstromexperten, der schon seit einigen Jahren nicht mehr im Hospital arbeitet. Er informiert uns über einen Anruf aus Arusha: es wurde noch immer kein Geld überwiesen und der Internetzugang soll gesperrt werden. Kritik wird hier nie direkt ausgesprochen, sondern immer über Umwege angebracht, in diesem Falle über den ehemaligen Mitarbeiter. Eine Nachfrage bei Kuandika: ja, ja sein Freund hat den Scheck mitgenommen. Noch eine Nachfrage: hat er den Scheck abgegeben? Nun ist der Freund per Celfon nicht zu erreichen.

Ein kleiner Einschub: am nächsten Morgen soll ein Mitarbeiter mit dem Bus nach Moshi fahren, um 50 kg Natriumchlorid und 25 kg Dextrose für die Infusionsabteilung zu kaufen. Abfahrt ist 4 Uhr in Malinyi/Lugala, dann ca. 12 Stunden bis Chalinze, übernachten, am nächsten Tag noch einmal etwa 10-12 Stunden bis Moshi. Dort am übernächsten Tag die Chemikalien einkaufen und in gleichen Etappen zurück nach Lugala, immer mit 75 kg Gepäck.

Wir erfahren, dass Kuandika den Scheck vergessen und ihn diesem Mitarbeiter mitgegeben hat. Dieser hat den Scheck dann einem Fahrgast, der in Ifakara aussteigt, weitergereicht, mit der Bitte, den Umschlag bei SolidarMed abzugeben. Ein Mitarbeiter erledigt die Bankgeschäfte für unser Hospital. Wieder eine Nachfrage: dort ist der Scheck nicht angekommen, er soll sich aber in Ifakara befinden. Wir veranlassen telefonisch, dass unser Kontrollabschnitt aus dem Scheckbuch gescannt und nach Arusha gesendet wird. Einigermaßen erfreulich ist, dass unsere Internetverbindung nicht abgeschaltet wurde. Wie alles hier, wird es erst einmal angekündigt, Taten folgen selten - weder im positiven noch im negativen Sinne. Ob der gescannte Kontrollabschnitt die Firma beruhigt hat oder das Geld überwiesen wurde, wissen wir ein paar Tage später noch immer nicht.

Wenig später erhalten wir von SolidarMed die Nachricht, dass der Scheck eingetroffen ist, bei der Bank eingereicht und nun mit den Unterschriften akzeptiert wurde. Fortsetzung folgt.