Donnerstag, 2. September 2010

Neue Herausforderungen

Vor ca. 4 Wochen wurde eine vom Kreiskrankenhaus Torgau gespendete Röntgeneinheit, die einem Container beigestellt war, nach Lugala geliefert. Dieses moderne und leistungsfähige Gerät mit diversem Zubehör war in insgesamt 4 großen Holzkisten sicher verstaut und sollte nun endlich ausgepackt werden. Für solche Aktionen ist nur am Wochenende Zeit und so hatten sich am Samstag einige neugierige Helfer eingefunden. Die Kollegen der Sangerhäuser Holzbaufirma hatten schöne Kisten gezimmert und es mit dem sicheren Verschluss besonders gut gemeint. Es wurden unendlich viele Torx-Schrauben verwendet, für die zum Befestigen und Lösen ein spezielles Werkzeug benötigt wird. Wer hat so etwas im afrikanischen Busch? Natürlich der Hospitalverwalter mit seinem Akku-Bohrschrauber und den für die Torx-Schrauben passenden Bits. Der Akkuschrauber hatte schon des öfteren seine Bewunderer und in unserem versierten Hospitalfundi Kuandika einen Liebhaber gefunden. Für besondere Arbeiten bekommt er das Gerät leihweise und hatte es zwischenzeitlich schon in seinem für hiesige Verhältnisse gut ausgestatteten Werkzeugschrank einsortiert. Auch im OP wird ein solches Gerät aus einer früheren Spendenlieferung verwendet. Von diesem ist leider das Ladegerät defekt und so diente unser Gerät auch schon zum Knochen verschrauben. Für den OP erhoffen wir uns baldige Abhilfe, der Besuch einiger Lugala-Arbeitskreis-Mitglieder steht unmittelbar bevor, sie werden sicher einen Akku-Schrauber im Gepäck haben.
Die beiden Peter haben sich bei diesem Einsatz nicht geschont und damit wieder einmal Personal und Patienten beeindruckt. Leider gibt es nicht einmal ein Foto. Wir hatten vergessen, die Akkus des Fotoapparates aufzuladen und die hier erhältlichen Batterien sind schon untauglich, bevor sie überhaupt ausgepackt werden, man braucht sie also gar nicht erst zu kaufen.

Für Aufbau und Inbetriebnahme der kompletten Anlage warten wir nun auf einen Monteur aus Dar es Salaam.

Während dieser Zeit habe ich für den örtlichen Polisi Steven ein aus 50 A4- Seiten bestehendes Lehrbuch 20-fach kopiert. Unser Kopierer ist zwar ein recht komfortables Gerät, doch ohne automatischen Einzug. Jedes Blatt muss einzeln eingelegt und gewendet werden, so war das Ganze recht umständlich und zeitaufwändig. Auch so etwas ist nur am Wochenende möglich, an einem normalen Arbeitstag gleicht unser Büro einem Taubenschlag. Einen Kopierer gibt es hier natürlich weit und breit nicht, so dass dieser Büroservice ebenso wie unsere Internetverbindung in der Bibliothek gern in Anspruch genommen wird und für das Hospital eine bescheidene Einkommensquelle geworden ist.

Am Nachmittag habe ich mich als Fahrlehrer betätigt. Dem Hospital gehören 3 Motorräder, mit denen unsere Medical Officer zur Patientenbetreuung ab und zu über Land fahren. Das staatliche Programm zur Gesundheitsvorsorge sieht vor, dass auch Nurses zum so genannten outreach fahren und in den Dörfern Sprechstunden und gesundheitliche Aufklärung zu Ernährung, Säuglings- und Kinderpflege, Schutz vor HIV, Malaria usw. anbieten. Bisher wurden die Nurses mit dem Auto gefahren, Auto samt Fahrer waren damit den ganzen Tag blockiert, Patiententransporte nicht möglich. Nun haben wir für diesen Zweck ein Moped. Das steht seit einem Monat ungenutzt herum, denn keiner der Nurses kann mit diesem pikipiki fahren, jemand muss es ihnen beibringen. Ich habe mich dazu bereit erklärt und natürlich vorher selbst eine Runde gedreht, schließlich habe ich seit mehr als 25 Jahren nicht mehr auf einem Moped gesessen, höchstens als Sozius bei Jens auf seinem S50. Damals war es meine Schwalbe, diesmal eine kleine, aber wie ich finde, relativ schwere Honda 50. Das einstmals vertraute Fahrgefühl war trotz dieser langen Fahrpause schnell wieder da.

Wir hatten uns 16.00 Uhr auf dem zum Hospital gehörenden Airstrip verabredet. Natürlich kam eine gefühlte Ewigkeit niemand und ich hatte schon in Erwägung gezogen wieder zu fahren, denn mittlerweile kam ich mir vor, wie der Affe im Zoo oder besser die Giraffe im Nationalpark, vor allem unzählige Kinder bestaunten die Mzungu-Frau mit dem pikipiki. Doch dann kamen sie – Mama Chogo, Prisca und Rose – in ihren Flip Flops und bunten Kangas.

Erste Bekanntschaft mit dem Pikipiki

Trotz dieser absolut ungeeigneten Fußbekleidung konnten die drei nach kurzer Einweisung und kleiner Vorführrunde mit dem Moped fahren, das Schalten war mit den Badelatschen natürlich schwierig. Die übereinander getragenen Kangas waren hinderlich und nach kurzer Zeit abgelegt. Das wichtigste: es macht ihnen Spaß und sie möchten auch wirklich selbst fahren – mal sehen. Theoretischen Unterricht und eine Prüfung gibt es nicht. Wenn wir der Meinung sind, es kann allein losgehen, dann kaufen wir für 5000 TSh (ca. 2,70 Euro!) eine Lizenz zum Fahren für das pikipiki und los geht´s. Nun üben sie jeden Tag, jede mit unterschiedlichem Geschick – aber alle mit Turnschuhen.

Mama Chogo in Aktion

Mit Prisca bin ich die 5 km in`s Dorf sogar schon als Sozius zurückgefahren, allerdings in der hier bei den Frauen üblichen seitlichen Sitzhaltung, damit ich notfalls abspringen kann… Heute Nachmittag geht es weiter.

Rose mit Freude am Fahren

Rose war die eifrigste, fuhr jeden Tag ein paar Runden auf dem Hospitalgelände, hat sichtlich viel Freude am Fahren und war eine Woche nach der ersten Fahrstunde allein über Land unterwegs. Der Radius beschränkte sich natürlich erst einmal auf 5 km, doch dieses Ereignis war hier schon etwas Besonderes und Rose zu recht stolz auf sich.