Freitag, 30. Dezember 2011

Jahresende

In Deutschland werden weihnachtliche Traditionen gepflegt und auch wir haben das Weihnachtsfest in Lugala wie im Vorjahr verbracht, ohne dabei natürlich von Tradition sprechen zu wollen.

Am Tag vor Heiligabend haben wir bis zum späten Nachmittag Löhne ausgezahlt. Es ging zu wie im Taubenschlag, denn an den Zahltagen geben sich die Mitarbeiter die Klinke in die Hand. Ansonsten war dieser Tag ein Samstag wie jeder andere auch. Abends gegen 20.00 Uhr klopfte unser Seremala (Tischler) Lyabonga, der das Arbeiten wahrlich nicht erfunden hat und sagte, dass er ein paar Bretter schneiden wolle. Die Säge läuft natürlich nur mit Generatorstrom und für private Geschäfte geht man auch schon mal um diese Zeit in die Werkstatt.

Unser Festtagsbraten war wieder eine Ente, die Charles geschlachtet, sorgfältig gerupft und ausgenommen hatte. Und auch in diesem Jahr führte unsere Wanderung durch die lichten Brachystegiawälder um Sofi Mission, mit blühenden Orchideen und Lilien in großer Zahl. Das Weihnachtskino auf dem Laptop zeigte „Die Buddenbrooks“.

Makassy meinte es besonders gut mit der Dorfjugend, es gab pausenlose Beschallung rund um die Uhr. Gut, dass wir ca. 500 m Luftlinie entfernt wohnen und alles etwas gedämpft abbekommen. Wir fragen uns manchmal, was an diesem schrägen Krach in Endlosschleifen schön sein soll.

Der 26. 12., ein Montag, war wieder ein normaler Arbeitstag und man erwartete natürlich auch von uns Präsenz im Büro. Aber was soll man hier auch weiter tun, für ausgedehnte Radtouren ist es tagsüber einfach viel zu heiß, in der näheren Umgebung kennen wir wohl nun wirklich jede Hütte, alle Bücher sind gelesen und damit die Möglichkeiten der Abwechslung oder Freizeitgestaltung auch schon erschöpft.

Kurz nacheinander erschienen unsere beiden Studenten Njaala und Kuandika und es war ein freudiges Wiedersehen. Njaala sprudelte förmlich über. Auf Einladung des Lugala Arbeitskreises weilte er während der Semesterferien gemeinsam mit einem clinical officer 3 Wochen in Deutschland, danach hatten wir uns noch nicht gesehen.

Kuandika und Njaala

Nach ihrem Studium befragt meinten beide, es sei hart, aber sie seien sehr eifrig und würden es schaffen. Davon sind auch wir überzeugt. Beide wissen, dass diese Ausbildung ihre Chance in Tanzania ist. Vor allem für Kuandika ist das Lernen natürlich eine Umstellung nach seiner Arbeit als Fundi. Aber der sonst eher schweigsame und zurückhaltende Kuandika hatte auch etwas zu beklagen: im Gegensatz zu Lugala sei es in Machame sehr kalt und vor allem nachts hätte er anfangs sehr gefroren. Machame liegt am Fuß des Kilimanjaro in ca. 1300 m Höhe und dort herrschen ganz angenehme klimatische Bedingungen – für uns Mitteleuropäer. Jedenfalls wissen wir nun, dass unsere Schlafsäcke und Peters Wanderjacke, die wir vorsorglich für eine Bergbesteigung aus Deutschland mitgenommen hatten, nun noch richtig gute Dienste leisten werden - und Kuandika strahlte.

Im Hospital ist es nach einigen Monaten mit vielen Patienten jetzt ein bisschen ruhiger geworden. Die Leute arbeiten auf ihrer Shamba, für den Reis ist allerbestes Wachs-Wetter, jeden Tag Sonne, abends Gewitter und kein allzu starker Regen.

Für Silvester haben wir gerade eine Flasche Sekt in den Kühlschrank gestellt und hätten wir keinen Kalender, bekämen wir gar nicht mit, dass am Sonntag ein neues Jahr beginnt.

B.

Freitag, 23. Dezember 2011

Frohe Weihnachten

"Schläft ein Lied in allen Dingen,
die da träumen fort und fort.
Und die Welt hebt an zu singen,
Triffst du nur das Zauberwort."
Eichendorff

Mit diesem schönen Gedicht erreichten uns Weihnachtsgrüße aus Deutschland und weil es uns so gut gefällt und passender nicht sein könnte, Weihnachtsgrüße aus einem fremden Land zu senden, wünschen wir damit allen Lesern ein frohes und friedliches Weihnachtsfest.

Beate & Peter


Blühender Flammenbaum - Christmastree in Lugala

Montag, 19. Dezember 2011

Der Preis des Fortschritts

Das Hospital hat einen zunehmend guten Ruf. Die Patienten kommen aus entfernten Gegenden, sogar aus Ifakara. Vielleicht liegt es auch daran, dass das medizinische Personal weitgehend von Verwaltungskleinkram verschont bleibt und sich seinen eigentlichen Aufgaben- der medizinischen Versorgung- widmen kann. Das führt natürlich auch zu höheren Einnahmen: im November des vergangenen Jahres hat das Hospital mit „patient fees“ etwas über 20 Mio Tsh. eingenommen, im gerade vergangenen November waren es über 33 Mio !! Außerdem hat sich die schweizer Hilfsorganisation SOLIDARMED in den vergangenen zwei Jahren verstärkt in Lugala engagiert. Es gibt immer wieder neue Bauprojekte und Umbauten, dazu werden Arbeitskräfte gebraucht und somit kommt Geld unter die Leute....

Das Hospital hat alle Gehälter pünktlich zahlen können- auch einschließlich der von der Regierung angeordneten Erhöhungen- was in Tanzania durchaus nicht die Regel ist- hat alle außenstehenden Altforderungen beglichen; es steht also (für afrikanische Verhältnisse) zur Zeit finanziell gut da. Auch damit ist wieder Geld unter die Leute gekommen...

Die Auswirkungen sind täglich zu sehen. Als wir vor knapp zwei Jahren hierher kamen, hat man tagsüber 4, 5, manchmal 6 Motorräder gesehen- wenn ich jetzt mittags zum Essen gehe stehen bis zu 20 Fahrzeuge vor dem Hospital. Blank geputzt und einige mit Musikanlage. Diese Motorräder entsprechen dann jenen Autos in Deutschland, die zumeist tiefergelegt sind und mit heruntergelassenen Scheiben und wummernden Bässen durch die Straßen fahren...Die stolzen Besitzer der Motorräder machen das hier auch - vor allem nachts ist das manchmal ein bisschen störend, zumal hier generell gern !!! LAUT!!! Musik gehört wird. Das ist der sicht- und hörbare Wohlstand. Die Kehrseite der Medaille ist, dass wir im Hospital jetzt fast täglich schwere Verkehrsunfälle zu versorgen haben (zur Zeit liegen auch zwei querschnittsgelähmte Patienten auf Station, ebenfalls nach Stürzen mit dem Motorrad). Die Erklärung dafür ist einfach: offiziell muss man natürlich eine Fahrerlaubnis erwerben- wie sich dieser ‚Erwerb‘ gestaltet, wird offengelassen. Man geht zur Zulassungsstelle und gegen Zahlung einer bestimmten Gebühr bekommt man die Fahrerlaubnis. So einfach ist das... Außerdem kann man schon für etwa 50.000 Tsh ohne jegliche Fahrpraxis einen Probeführerschein erhalten, der ist drei Monate gültig. So fahren sie dann auch- starten, losfahren, überschätzen... Das Hospital berechnet für die fachgerechte Versorgung der meist komplizierten Brüche 100.000 Tsh, wahrscheinlich sind auch so unsere gestiegenen Einnahmen zu erklären.

Jetzt gibt es neben dem Fahrrad- auch einen Motorradparkplatz

Bei der Fahrt durch die Dörfer sieht man neben den Lehmhütten überall neue Ziegelhäuser entstehen. Einfache Häuser zwar, aber immerhin... Der Bau eines Hauses geht folgendermaßen: an einer günstigen Stelle wird nach Lehm gegraben, dieser wird mit Wasser gestampft, zu Ziegel geformt, die dann in der Sonne trocken. Es werden gerade so viele Ziegel hergestellt, wie man zum Bau des Hauses benötigt. Aus diesen Trockenziegeln wird ein kegelförmiger Turm gebaut- innen ein kleiner Hohlraum, an einer Seite zwei Feuerlöcher- und der ganze Haufen von außen mit Lehm verschmiert. Dann wird der nächste, in der Nähe stehende, große Baum gefällt. Aus dem Stamm werden Bretter und Balken für das künftige Haus geschnitten, die dicken und dünnen Äste lässt man trocknen (das dauert bei den Temperaturen hier nicht lange) und heizt damit den Brennofen. Nach einigen Tagen sind die gebrannten Ziegel fertig.

Typische Ziegelbrennöfen

Bis zu diesem Zeitpunkt hat der ganze Hausbau noch keinen Pfennig gekostet, wenn man die eigene Arbeitskraft nicht rechnet... Aber das macht hier ohnehin niemand. Die erste richtig teure Geldausgabe ist der Kauf von Zement, ein Sack kostet etwa 15.000 Tsh - über 7 Euro (dafür arbeiten unsere cashworker 3 Tage). Außerdem muss ein Maurer bezahlt werden. Bretter und Balken des gefällten Baumes sind ausreichend für Dachstuhl und Fensterrahmen, sofern das Holz nicht schon vorher verkauft wurde- dann steht der Rohbau halt noch ein Jahr länger... Zum Schluss noch ein Grasdach, das irgendwann durch Wellblech ersetzt wird- und das neue Haus ist bezugsfertig, auch wenn oft noch Türen und Fenster fehlen. Der finanzielle Aufwand hat sich auf jeden Fall in Grenzen gehalten. Verblüffend ist, dass in vielen Fällen die Familie weiter in der Lehmhütte wohnt, das Haus vermietet und damit ein bisschen Geld verdient. Warum auch nicht?

Ich möchte nicht missverstanden werden- Motoräder und feste, stabile Häuser stellen zweifellos einen Fortschritt dar und ich will wirklich kein nostalgisch verträumtes Lugala und Umgebung. Nachdenklich macht mich nur die Tatsache, dass in den vergangenen zwei Jahren genauso viele dicke, alte Bäume verschwunden sind wie feste Häuser gebaut wurdenund man muss kein Hellseher sein um sich vorzustellen, wie es hier in 10 bis 15 Jahren aussehen wird. Vor wenigen Jahren wurde die Straße von Chalinze nach Arusha ausgebaut, es gab Arbeit und die Anwohner haben Geld verdient. Wenn man heute auf dieser Straße fährt, sieht man rechts und links feste Häuser- aber keinen einzigen Baum mehr...

Dies ist wohl der Preis, der für ein bisschen Wohlstand gezahlt werden muss.

Inzwischen ist das Gebiet Halbwüste, der Boden wird immer weniger ertragreich und die nomadischen Viehzüchter (Sukuma und Massai) wandern mit ihren Herden hier in das Kilomberogebiet ein- was natürlich zu Spannungen mit den ansässigen Reisbauern führt, da deren Felder von den Herdenbesitzern als Viehweide betrachtet werden.

P.