Freitag, 6. August 2010

Eine Woche Einsamkeit

Ich hatte Beate und Claudia in Ifakara zum Bahnhof gebracht, 7.00 Uhr sollte der Zug fahren. Später erfahre ich, dass der Zug 5 Stunden Verspätung hatte – das war noch relativ pünktlich, es waren auch schon 12 Stunden und mehr. Dann muss ein geplatzter Reifen gewechselt werden, das Radkreuz bricht auch noch ab, aber am Abend bin ich dann wieder in Lugala.
Ein ganz komisches Gefühl- der einzige Mzungu weit und breit zu sein. Der Arzt Peter Hellmold ist in Deutschland, Beate urlaubt mit Claudia und ich bin allein in der Wildnis.
Wie sehen dann die Tage aus? Soziale Kontakte außerhalb der Arbeit gibt es nicht und wird es wohl auch niemals geben. Also bleiben nur: Arbeiten, Fahrrad fahren, Lesen und Internet. Ich fange mit dem letzten an und gebe zu, dass ich noch bis vor wenigen Monaten ein absoluter Internet-Ignorant war. Hier ist es das Fenster zur Welt und ich bin dankbar für diese Erfindung.

unser Fenster zur Welt

Lesen ist auch eine Abwechslung, aber jeden Abend allein mit einem Buch ist auch nicht unbedingt aufbauend. Da ist Fahrrad fahren schon besser, man muss nur die einzig befestigte Straße hier meiden. Es gibt jetzt mehr Fahrzeuge als gewöhnlich (die Reisernte wird mit prinzipiell überladenen Lastwagen irgendwohin geschafft) und jetzt zur Trockenzeit macht einem der Staub doch zu schaffen. Aber auf den Wegen etwas abseits macht es Spaß – die Hütten unter Palmen, Cashewnuss- und Mangobäumen, die Feuer vor den Hütten und Kinder über Kinder. Es ist wie das Eintauchen in eine andere Welt.

mit dem Fahrrad unterwegs

Bleibt noch die Arbeit und da ist es schon ein ungewöhnlicher Zustand und auch ein bisschen verstörend, sich mit niemandem austauschen zu können. Eigentlich gibt es täglich ein oder mehrere neue Probleme, aber wenn ich dann (wie geschehen) einer größeren Gruppe staffs gegenüberstehe und diese der Meinung sind, ihnen würden über 8 Mio Schilling Sitzungsgeld vorenthalten – dann ist es schon eine besondere Situation. Oder wenn das Krankenhaus Tag für Tag und rund um die Uhr von brennendem Müll eingenebelt wird und alle Plasteabfälle gleich mit verbrannt werden – das ist auch nicht unbedingt stimmungsfördernd. In diesem Fall habe ich abends bis in die Dunkelheit versucht, mit Wasser die Brände zu löschen. Natürlich allein, wen interessiert das sonst.
Bei der Dieselabrechnung wird betrogen, d.h. irgendjemand hat geklaut, der Diesel für die Stromversorgung wird nicht rechtzeitig nachgefüllt – und alles das muss man mit sich allein abmachen. Da fällt es doch schwer, die Anwesenheit hier in Lugala nicht in Frage zu stellen.
Ich möchte diesen Job hier nicht allein machen und wenn ich es mir überlege: ich bewundere die Menschen, z.B. die Missionare, die unter bedeutend schwierigeren Bedingungen dieses Kreuz auf sich genommen haben. Da ziehe ich voller Ehrfurcht den Hut.

1 Kommentar:

  1. Lieber Peter, herzliche Grüße in die Einsamkeit von Lugala. Aus Deinen und Euren Zeilen wird sehr deutlich, daß Euer Leben dort nicht mit europäischen oder gar deutschen Maßstäben zu messen ist. So fällt es schwer, etwas über unser Gehöft in Wampen oder über die Dünenlandschaft in Westjütland, wohin uns Tochter und Schwiegersohn für eine Woche gefahren haben, zu berichten. Die von Euch zum Text eingestellten Bilder sind eine sehr anschauliche Ergänzung der Beschreibungen. Dabei würden wir uns wünschen, einige Porträts (Nahaufnahmen)der Euch umgebenden Menschen, wie Emma, Charles oder Mr. Njaala zu sehen. Lieber Peter, bald ist Beate wieder zurück und der Einsamkeit folgt zumindestens eine Zweisamkeit. Übrigens hat uns der Beitrag von Claudia auch sehr gut gefallen. Viele Grüße an Beate und Euch Beiden ein herzliches Glückauf
    von Anonymus aus Wampen.

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