Heute gibt es weniger Stimmungsbilder, eher einen Problem- und Arbeitsbericht.
Über unsere positiven Eindrücke haben wir schon ausreichend geschrieben. Nachfolgend ein Auszug aus dem Quartalsbericht an das Leipziger Missionswerk.
Eine ungewöhnliche Aufgabe und Herausforderung hatten wir erwartet, aber auf die alltäglichen Sorgen und Schwierigkeiten im Hospital konnte man sich in Deutschland nicht vorbereiten.
In Lugala fühlen wir uns fast wie zu Hause und würden uns absolut heimisch fühlen, wenn die Kinder nicht immer wieder „Mzungu-Mzungu“ rufen und uns an unsere Herkunft erinnern würden.
Die medizinische Versorgung im Hospital ist, gemessen an den Möglichkeiten, wirklich gut. Natürlich gibt es Wünsche und anspruchsvolle Vorstellungen. Aber die gibt es auch in jedem Krankenhaus in Deutschland und moja kwa moja wird hier wohl einiges noch verbessert werden können. Die eigentliche Schwierigkeit ist, dass es nur eine rudimentäre Verwaltung und einen absolut unübersichtlichen Finanzstatus gab. Die Vielzahl der Aufgaben und damit verbundene Probleme in der Verwaltung soll später einmal geschildert, in diesem Bericht soll nur über das Wichtigste- über Geld, berichtet werden.
Das Hospital finanziert sich aus eigenen Einnahmen und Zuschüssen verschiedener Geldgeber. Die Zuwendungen des Staates sind für die Löhne, wobei bedeutend weniger Geld zur Verfügung gestellt wird als es entsprechend dem Einzugs-/Versorgungsgebiet und der Bettenzahl der Fall sein müsste. Eine Änderung ist vorerst nicht in Sicht und ein Besuch in dieser Sache im Gesundheitsministerium kann so richtig deprimierend sein. Daneben gibt es Geld von Tunajali (ein amerikanischer Fond) für alles, was mit HIV/AIDS in Verbindung gebracht werden kann. Bei dieser Unterstützung sind die Ziele ziemlich stringent definiert. Weiterhin gibt es Mittel vom Basketfund, SOLIDARMED, AMREF u.a., ohne das hier im Einzelnen zu beschreiben. Alle diese Gelder wurden bis vor wenigen Wochen zu einer großen Summe zusammengefasst und trotz unterschiedlicher Zielsetzung je nach Bedarf verwandt. Dadurch konnte niemand exakt sagen, wie weit der jeweilige Fond gerade ausgeschöpft und damit der finanzielle Status des Hospitals war. Selbst eine einfache Buchführung mit täglichen Einnahme-/Ausgabebelegen gab es praktisch nicht.
Aus dem Gesamtbudget wurde auch ein Darlehensprogramm des Hospitals für die Mitarbeiter finanziert (sehr sozial, ohne Zinsen bis zu 500.000 TSh). Die Rückzahlungen gingen aber ebenfalls in den „großen Topf“. Allgemeine und Finanzverwaltung lasteten auf nur einer Person, (Mr. Njaala) und dieser war – auch bei gutem Willen und trotz zahlreicher unbezahlter Überstunden - hoffnungslos überlastet. Zu dieser fehlenden finanziellen Transparenz und ungelösten Problemen in der Administration kommen noch zwei weit bedeutendere Schwierigkeiten. Zum einen hatten die Beschäftigten im vergangenen Jahr eine Gehaltserhöhung (rückwirkend für das gesamte Jahr 2009) erstritten. Die Geldgeber zahlten die Zuschüsse aber weiterhin nur in gleicher Höhe wie bisher und auch die Patienteneinnahmen konnten nicht beliebig erhöht werden. Zum zweiten wurden trotz höherer Gehälter alle zusätzlichen Vergütungen für die Angestellten beibehalten. Diese allowances oder charges for extra dutys sind teilweise absurd hoch. So bekommt ein Mitarbeiter für ein 3-Tages-Seminar in Morogoro, Arusha oder einer anderen größeren Stadt 250.000 TSh, dies entspricht ungefähr einem Monatsgehalt. Daneben gibt es unangemessene Extravergütungen für Rufbereitschaft, Überstunden oder auch nur für die Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen. Hier wurde ein System – das sicher als Motivation einmal gut gedacht war – ad absurdum geführt. Während in den vergangenen Jahren das Hospital immer gerade so per Saldo eine schwarze Null geschrieben hat, ist durch die oben beschriebene Entwicklung ein strukturelles Defizit entstanden. Das bedeutet einen monatlichen Verbrauch von 3,8 bzw. 2,7 Mio TSh des Stammkapitals je nachdem ob man konservativ oder kreativ rechnet.
Was bedeutet das? Das Hospital ist weit und breit der größte Arbeitgeber und eine ganze Region ist nicht nur auf die medizinische Versorgung durch dieses Krankenhaus angewiesen. Das Hospital sichert auch direkt und indirekt ein dauerhaftes, wenngleich für manche nur bescheidenes Einkommen für die Angestellten und deren Familien – wobei eine afrikanische Familie auch als Clan beschrieben werden kann und nicht mit einer Familie in Deutschland zu vergleichen ist.
Die gerade erhöhten Löhne können und sollen auf keinen Fall wieder reduziert werden. Damit bleiben nur drei Möglichkeiten: man kann Personal einsparen, die übrigen Kosten kappen und/oder die Arbeitsorganisation verbessern. Personal – zumal wenn es qualifiziert und zuverlässig sein muss- kann nicht eingespart werden. Die Stellen in den einzelnen Stationen sind knapp besetzt, in anderen Bereichen, z.B. im Labor, gibt es zuviel Personal, bleiben noch die übrigen Kosten und die Arbeitszeit. Zuerst könnte das allowance – Unwesen geändert werden. Das Krankenhaus hat in den vergangenen Wochen und Monaten die Entsendung von Mitarbeitern zu nicht unmittelbar die tägliche Arbeit betreffenden Seminaren, bei denen es selbst die Tagegelder zahlen musste, ausgesprochen restriktiv gehandhabt. Weiterhin ist es in Deutschland z.B. üblich, in den Krankenhäusern bei Rufbereitschaft für Wartezeiten nur einen geringen Betrag zu zahlen, für tatsächliche Einsatzzeiten erheblich mehr. Hier in Lugala hält sich jeweils ein Labor- oder OP- Mitarbeiter jede Nacht im Hospital auf, obwohl er ohnehin in unmittelbarer Nachbarschaft wohnt und höchstens zweimal pro Nacht in Anspruch genommen wird, meistens nie. Er bekommt die „verwartete“ Zeit aber ausgesprochen großzügig vergütet. Weiterhin machen die Mitarbeiter im OP abwechselnd nach ihrer Dienstzeit Überstunden mit Sterilisationsarbeiten. Diese können erst nach 19 Uhr erledigt werden, da es erst dann ausreichend Strom durch den Generatorbetrieb gibt. Es ist naheliegend, dass sich diese Überstunden mit Arbeitszeitverschiebungen vermeiden lassen. Flexible Arbeitszeiten sind hier bisher unbekannt. Auch damit könnte man viel Geld sparen.
Natürlich sind all das willkommene Hinzuverdienste und es wird bei der Einführung neuer Regelungen erhebliche Widerstände geben. Aber aus diesen Darstellungen wird auch klar: Wir müssen im Laufe der nächsten Monate eine vernünftige Finanzstruktur finden, müssen den Angestellten die notwendigen Schritte immer wieder erklären und müssen auf ihre Mitarbeit setzen. Andernfalls wird das Hopital mittelfristig vor dem Bankrott stehen (die benachbarte Tumaini Secondary School erlebt das gerade).
Ich muss ein bisschen um Verständnis bitten. Der vorliegende Bericht ist – abweichend von bisher üblichen Rundbriefen – ziemlich administrativ und finanzlastig geworden. Doch gerade deshalb sind wir hier in Lugala und ich hoffe sehr, dass es neben dem, was wir persönlich bewirken können, auch noch ein‘ Mungo anisaidie‘ gibt.
Oder wie meine Großmutter zu sagen pflegte: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott.
Dr. Peter Gundermann
Donnerstag, 1. Juli 2010
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