Sonntag, 15. April 2012

Abschied

So schnell vergehen 2 Jahre.

Unser Einsatz im Lugala Lutheran Hospital ist zu Ende.
Mitte Februar sind wir nach Deutschland zurückgekehrt und ich habe es lange vor mir hergeschoben, diesen letzten Beitrag zu schreiben. Zu oft waren die Gedanken noch in Lugala.

Am Wochenende vor unserer Abreise hatten wir die Belegschaft zu einer kleinen Abschiedsfeier eingeladen und mit Zicklein, Reis und natürlich Cola, Fanta....bewirtet.
Kochen für das Abendessen

Die kleine Kirche in Lugala ist nicht nur Gotteshaus sondern auch Versammlungs- oder Schulungsstätte und wird für Zusammenkünfte aller Art genutzt. Dort wurden wir am Abend mit guten Wünschen, Gesang und kleinen Geschenken verabschiedet und als wir nach dem gemeinsamen Abendessen zum letzten Mal nach Hause gingen, unter dem grandiosen Sternenhimmel das Kreuz des Südens im Blick, wurden wir doch ein bisschen melancholisch.
Zum Abschluss gönnten wir uns etwas Besonderes: Statt noch einmal die stressige 2-Tagesreise mit der ständigen Ungewissheit über eine pannenfreie Ankunft bis Dar es Salaam zu fahren, ließen wir uns von Pat, einem britischen Piloten vom Flying Medical Service, stationiert in Arusha, mit einer kleinen Cessna von Lugala nach Arusha fliegen. Dieser 4-stündige Flug über das Land war zweifellos die schönste Variante, Abschied von Tanzania zu nehmen.
Das Hospital aus der Vogelperspektive

Am nächsten Morgen warteten wir im Zwiespalt der Gefühle zwischen Bergbesteigern und Safaritouristen auf dem Kilimanjaro-Airport auf die Maschine nach Deutschland und spätestens jetzt war uns bewusst, dass unser Abenteuer Tanzania zu Ende ist. Die Freude auf zu Hause und Wehmut im Blick zurück hielten sich die Waage.
Nach 8 Wochen sind wir in Deutschland wieder angekommen und der Alltag hat uns eingeholt. Wir genießen den Frühling und freuen uns über Nachrichten aus Lugala.
Was bleibt? Die Erinnerung an eine spannende, intensive und interessante Zeit in einer fremden Kultur mit Erfahrungen, die wir nicht missen möchten und die unser Leben bereicherten, die Erinnerung an Menschen, die wir schätzen und ins Herz geschlossen haben 


Ein Fazit über unsere Arbeit wird folgen.
B.

Mittwoch, 29. Februar 2012

Emma und Charles

waren unsere beiden Hausangestellten. Natürlich hatten sich unmittelbar nach unserer Ankunft in Lugala mehrere Frauen und Männer vorgestellt und darum gebeten, für uns arbeiten zu dürfen. Selbst wenn wir dies nicht als notwendig erachtet hätten, wären wir nicht umhin gekommen, jemanden einzustellen. Es wird ganz einfach erwartet, dass man jemanden beschäftigt und damit für das Einkommen der gesamten Familie sorgt. Im Laufe der Zeit haben wir mitbekommen, dass hier jeder, der meint, es sich leisten zu können, ein sehr gering bezahltes Hausmädchen zum Kochen, Putzen und Waschen sowie ein Kindermädchen einstellt. In einem europäischen Haushalt zu arbeiten, ist für die Betreffenden ein Glücksfall - sie werden gut bezahlt, fair behandelt und versorgt.

Wir entschieden uns letztlich für Emma und Charles als Team, weil beide schon gemeinsam im Haushalt des vormals in Lugala tätigen Arztes gearbeitet hatten und beide auch seine Empfehlung waren.

Charles hat sich redlich als Gärtner gemüht. Für unsere mitgebrachten Sämereien legte er akkurate Beete an, doch leider war seine mühevolle Arbeit fast umsonst. Sobald sich erste zarte grüne Spitzen zeigten, hatten die Pflänzchen gegen Affen, Nachbars Hühner oder irgendwelches Ungeziefer keine Chance. Einzig einige Zucchinis und Kürbisse wuchsen, doch die hat Charles dann leider selbst mit dem Gartenschlauch ersäuft.... Also beschränkte sich das Gärtnern weitestgehend auf Hecke- und Rasenschneiden, dies beherrscht er mit seiner typischen kurzschneidigen Sense perfekt. Das Grundstück hielt er rundherum in Ordnung.

Charles in Aktion

Emmas Arbeitstag begann meist mit Wäsche, was man so als Handwäsche in einer großen Schüssel bewältigen kann. Während der Trockenzeit war Hausputz fast täglich notwendig, denn der Staub zog unweigerlich in jeden Winkel des Hauses. Außerdem kochte Emma. Tomaten, Auberginen, Bohnen, Reis, ab und zu Kartoffeln oder Kochbananen - groß ist die Auswahl nicht. So gab es diese Zutaten in wechselnden Kombinationen und wenn es auch irgendwann eintönig war, schmeckte es immer gut, auch unseren Besuchern. Die waren vor allem über die vielseitig einsetzbaren Kokosnüsse erstaunt, mit denen Emma die meisten Gerichte verfeinerte.

Emma - in Arbeitskleidung

Es ist üblich, dass die Hausangestellten die Reste aus Topf und Pfanne essen dürfen. Emma sorgte täglich dafür, dass reichlich „Reste“ übrig blieben und wir staunten manchmal, wieviel ein Mensch essen kann.

Anfangs war es für uns gewöhnungsbedürftig, während unserer Abwesenheit ständig jemanden im Haus zu wissen, der sich dort bewegte, als wohnte er selbst dort. Eine afrikanische Weisheit besagt, im Busch gibt es keine Geheimnisse – für unser Haus galt das auch.

Über das besondere Beschäftigungsverhältnis von Afrikanern bei Europäern schreibt der Ethnologe Nigel Barley sehr treffend und unterhaltsam in seinen Aufzeichnungen:

Wer für mich arbeitet, ist nicht einfach bei mir beschäftigt...Unser Verhältnis ist allumfassend. Wenn die Frau des Betreffenden krank wird, ist das ebensosehr meine Sache wie seine und es wird von mit erwartet...sie gesund zu machen. Wenn ich beschließe, etwas wegzugeben, muss ich es ihm als erstem anbieten. Es einem anderen zu geben, wäre höchst ungehörig. Mich auf meine eigenen Angelegenheiten zu beschränken und aus seinem Privatleben herauszuhalten, ist fast unmöglich. Wenn ich nicht unverschämt großes Glück habe, werde ich ahnungsloser Europäer mich garantiert in das unabsehbare Netz lockerer verwandtschaftlicher Beziehungen und Verpflichtungen verstrickt finden.... Dann folgt mit Sicherheit irgendeine Geschichte über einen unbezahlten Brautpreis oder verendetes Vieh, und wenn ich mich weigere, einen Teil der finanziellen Lasten zu übernehmen, wird mir das als ...Verrat angerechnet. Die Grenzlinie zwischen `mein` und `dein` muss ständig neu ausgehandelt werden......Europäer und Amerikaner beklagen sich ständig über die `Unverschämtheit` oder die `Frechheit` ihrer Arbeitskräfte, die einfach erwarten, dass ihr Brotgeber sich um sie kümmere....“

Diese Erfahrungen können wir durchaus bestätigen, dennoch waren Emma und Charles angenehme und zuverlässige Hausangestellte.

B.

Samstag, 11. Februar 2012

Abreisestimmung

In einigen Tagen werden wir unsere Arbeit hier beenden und Lugala verlassen. Eine kleine Feier werden wir für die Hospitalangestellten noch ausrichten- und das war es dann... Kaum vorstellbar, dass schon zwei Jahre vorüber sind; zwar gab es jeden, aber auch jeden Tag eine neues Problem. Aber so Tag für Tag und Woche für Woche hat sich doch alles in diesem Mikrokosmos “Lugala“ abgespielt und wenn es jeden Tag ein andere Überraschung gibt, dann sind das irgendwann auch keine Neuigkeiten mehr.

Auch die Einkaufsfahrten nach Dar es Salaam sind irgendwann immer nach dem gleichen Schema abgelaufen: am ersten Tag bis Morogoro, dann bis Dar, 2 oder 3 Tage einkaufen und wieder zurück bis Morogoro oder- wenn es mit dem Einkauf ein bisschen schneller ging- bis Mangula und am nächsten Tag zum Hospital. Interessant waren zum Schluss nur noch die Tiere, die im Mikumipark zu sehen waren, die verunglückten Lkw’s und natürlich immer wieder die Frage, ob wir diesmal ohne „puncher“ durchkommen würden. So sind diese zwei Jahre im Rückblick doch ziemlich einförmig verlaufen. Willkommene Abwechslung waren immer die Besuche von Verwandten oder Freunden- sie waren auch so etwas wie eine heimliche Zeitrechnung: in 5 Wochen kommen diese, dann sind wir bis zum Besuch von jenen allein....das war schon hilfreich. In diesem Zusammenhang war die Mikumisafari durch den Nationalpark eigentlich jedesmal ein Erlebnis; wenn ich auch zum Schluss ein bisschen das Gefühl hatte, dass die Tiere mir schon vertraulich zuzwinkerten- so oft waren wir uns schon begegnet.

Die Hitze war oft mörderisch, ich habe darunter sehr gelitten (Beate ist viel hitzeresistenter), manchmal war ich schon am Vormittag in Schweiß gebadet- und es begann erst richtig heiß zu werden. Einigermaßen tröstlich war nur, dass nicht nur die Weißen unter den Temperaturen litten; auch die Einheimischen laufen mit kleinen Handtüchern herum- aber letztlich bringt einem geteiltes Leid auch keine Abkühlung.... Jetzt lese ich von der Kälte in Deutschland und bin gespannt, wie lange mein Wunsch nach tieferen Temperaturen anhält.

Das Essen haben wir einigermaßen in den Griff bekommen. Für unsere Besucher war es immer eine irgendwie neue, exotische Erfahrung- schmeckt ganz gut, kann man essen- aber wenn man über Monate nur etwa ein knappes Dutzend Zutaten zur Verfügung hat, dann ist das über zwei Jahre doch irgendwann eintönig. Wir haben uns beholfen und von unseren Fahrten nach Dar noch etwas für unsere Küche mitgebracht: Weißkraut, Mohrrüben, Sonnenblumen- und Olivenöl, Thunfisch, Sardinen und Lachs in der Dose, Butter (die wir in der Kühlbox immer gerade so bis nach Lugala brachten, bevor sie zerschmolzen ist), Nudeln und Gemüsekonserven. Die letzten Reste brauchen wir gerade auf. Ein paar Dinge auf dem Frühstücks-/Mittagstisch werden wir vermissen: die aromatischen Bananen (jede Sorte schmeckt anders, aber immer gut), die Mango waren süß, süß und noch einmal süß und im Überfluss vorhanden- irgendwann mochte man sie nicht mehr essen, ebenso Papaya. Unser Zitronenbaum im Garten trägt in diesem Jahr richtig gut und wenn ich ein paar Früchte in die Küche bringe, duftet alles ganz intensiv. Dabei wird einem erst einmal bewusst, mit welchen Zuchtzitronen wir uns in Deutschland zufrieden geben müssen. Wenn uns die Fischer diese Welsart aus dem nahegelegenen Furua brachten, haben die Fische oft noch gelebt- frischer kann man Fisch nicht bekommen. Ebenso frisch war das Zickelfleisch, oft noch schlachtwarm. Ach ja, und ungehemmt so viel Knoblauch essen, konnten wir zuletzt nur in Rumänien. Doch vieles, vieles hat uns auch gefehlt und darauf können wir uns jetzt freuen....

Aber wir waren ja nicht in Lugala, um Essgewohnheiten und das Klima kennenzulernen- die Arbeit im und für das Hospital war der Grund für diese zwei Jahre Lugalaaufenthalt. Der Auftrag vor unserer Abreise wurde etwas salopp formuliert: ...sehen Sie mal, ob Sie in Lugala in Sachen Finanzen und Verwaltung etwas auf die Beine stellen können.... oder so ähnlich- und wenn ich mir vorstelle, dass auch von Abschreibungen und Rücklagen die Rede war- dann kann ich jetzt nur lächeln. Die finanzielle Situation des Hospitals war eigentlich hoffnungslos und nach „unseren“ Maßstäben war es absolut bankrott. In den ersten Monaten habe ich oft nicht gewusst, wie wir die Löhne zahlen können: wir haben die Auszahlung zeitlich gestreckt und auf die Tageseinnahmen gewartet, wir haben uns Geld von Solidarmed geborgt- es war manchmal abenteuerlich. Gleichzeitig haben wir die vielen- erst im März (vor unserer Ankunft!!) massiv erhöhten- Sonderzahlungen gekürzt, einige auch ganz gestrichen und im übrigen nach dem Prinzip der oft zitierten schwäbischen Hausfrau gewirtschaftet: man kann nur so viel ausgeben, wie man eingenommen hat. Es war unglaublich schwierig und ich glaube nicht, dass wir das noch einmal machen würden.....Alles, aber auch alles hat sich um das Hospital gedreht - es gab ja auch sonst nichts anderes- wir haben jeden Tag 10 Stunden im Büro gesessen und auch an den Wochenenden gearbeitet (es gab ja auch sonst nichts anderes). Dazu die unglaublich vielen Schulden und immer wenn wir dachten, nun wäre ein Ende in Sicht, wurde eine neue Forderung präsentiert. Dazu muss man noch wissen, dass die Beschäftigten auch in dieser fast auswegslosen Situation auf keine, wirklich keine einzige ihrer- berechtigten oder unberechtigten- Forderungen verzichtet haben. Aber irgendwann haben wir Boden unter den Füßen bekommen und wie das so oft im Leben ist: wo Tauben sind, fliegen Tauben zu....oder in Thüringen sagt man: der Teufel sch....t immer auf den größten Haufen. Von da kam eine Spende, von dort ein Hilfsangebot, es ging spürbar aufwärts und auch in einem kleinen Hospital im afrikanischen Busch ist Wirtschaft 50% Ökonomie und 50% Psychologie. Es hatte sich offenbar herumgesprochen, dass der Service im Krankenhaus sehr gut ist und dass die Behandlungskosten unschlagbar niedrig sind. Dieses „Aldiprinzip“ war unsere strategische Linie (das Gros der Patienten hatte ja nicht mehr Geld in der Tasche) und inzwischen kommen die Patienten bis von Ifakara und weiterher. Die Patientenzahlen und damit auch die Einkünfte haben sich beinahe verdoppelt (im Januar 2010 hatten wir 14,754 Mio Tsh Patienteneinnahmen, im Januar dieses Jahres waren es 29.279 Mio Tsh!!) und das Hospital hat einen richtig guten Ruf. Letzteres vor allem auch wegen der engagierten Arbeit des hier tätigen Arztes.

Auf jeden Fall ist es dem Hospital finanziell noch nie so gut gegangen wie jetzt. Das Hospital ist gesund uns steht gut da- ich gestehe, dass wir da beide auch ein wenig stolz darauf sind- und was die Zukunft bringt? In Afrika ist eine längerfristige Planung nicht möglich, es wird kurzfristig gedacht und entsprechend gehandelt. Das ist auch so eine Erfahrung, die wir in diesen zwei Jahren gemacht haben.

Das alles soll keine Bilanz unserer Arbeit hier in Lugala sein- eher ein vorsichtiger Abgesang und wahrscheinlich sind es die letzten Grüße aus dem Busch.

P.

Donnerstag, 2. Februar 2012

Geschichten

Puffotter - schön aber gefährlich

Ihr Biss endet meist tödlich, wer es rechtzeitig zur Behandlung schafft, verliert vielleicht "nur" Arm oder Bein.

Eines abends bat Mama Chogo, Makali möge sie doch bitte mit dem Hospitalauto von ihrer shamba abholen. Es war spät geworden und in der Dunkelheit wollte sie nicht mit dem Rad nach Hause fahren. Ein paar Tage später meinte sie auf meine Frage, ob sie sich im Dunkeln nicht vor Schlangen fürchtet, nein, sie zieht immer Gummistiefel an, deshalb fürchte sie keine Schlangen, aber vor Löwen hätte sie Angst und Makali hätte auf dem Weg zu ihrer shamba auch einen gesehen. Meine skeptischen Blicke sind ihr natürlich nicht entgangen und ich fragte noch einmal, ob sie tatsächlich Löwen gesagt hatte. Sie bestätigte es. Wir haben hier schon etliche Geschichten gehört und vieles darf man nicht so ernst nehmen. Auch wenn Mama Chogo eine absolut glaubwürdige Person ist, dass es hier Löwen geben soll, glaube ich nicht.

Aber darüber kamen mir ganz andere Gedanken: die in den umliegenden Dörfern oder abseits irgendwo im Busch lebenden Menschen verlassen diese Region ein Leben lang nicht - und so werden sie wohl niemals in ihrem Leben all die Tiere ihres Heimatlandes sehen, die jeder Afrika-Tourist in den Nationalparks aus unmittelbarer Nähe beobachten kann. In Deutschland können selbst Kinder im heimischen Zoo Elefanten, Löwen, Zebras, Nashörner usw. bestaunen.

Neugierige Zebras im Mikumi-Nationalpark

Nicht einmal Giraffen, das Nationalsymbol Tanzanias, werden die Leute hier sehen, bestenfalls kennen sie diese anmutigen Tiere aus den Schulbüchern ihrer Kinder.

Stolze Giraffen - Symbol Tanzanias

Dagegen sind unliebsame Begegnungen mit Krokodilen und Nilpferden beim Fischen oder Durchqueren des Furua oder Mnyera gar nicht so selten. Wer es überlebt, trägt furchtbare Verletzungen davon. Diese Patienten hören dann im Hospital nicht ohne Stolz auf Namen wie Kiboko (Nilpferd) oder Mamba (Krokodil).

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Unser Tischler Lyabonga hat das Arbeiten wahrlich nicht erfunden, für ein Schwätzchen ist er dagegen gern zu haben. So standen wir am Hauseingang und beliebte Themen sind immer die shamba und das Wetter. Er ist derzeit ganz zufrieden mit seinem Reisfeld. Ich erzählte ihm, dass uns in Deutschland, wenn wir in Kürze zurückkehren, eisige Kälte und Schnee erwarten, zeigte ihm Winterfotos von unserem Garten und sagte, dass es viel kälter ist als im Bier-und-Cola-Kühlschrank in Makassys Bar. Anders kann man Frost hier niemandem erklären. Auch wenn die Leute die schneebedeckten Bäume auf Bildern sehen und ihnen die weiße Pracht gefällt, kann sich niemand vorstellen, wie sich Schnee anfühlt und sie fragen ernsthaft, wie man bei Minusgraden überleben kann.

Hier haben Regen und Wärme der letzten Wochen für üppiges Grün gesorgt und ein Hospitalarbeiter war noch beim Grasschneiden. Daneben weidete die Kuh des Pfarrers.

Gras für die Kühe in Deutschland?

Ich erzählte Lyabonga, dass man bei uns das geschnittene Gras im Sommer trocknet, um im Winter, wenn alles verschneit ist, die Tiere mit dem Heu zu füttern. Auch hier gibt es während der Trockenzeit einige Monate kein frisches Grün, alles ist verdorrt. Der Grasschnitt wird ebenfalls getrocknet- und anschließend verbrannt. Da wir ja nun bald nach Hause zurückkehren und es schließlich jetzt verschneit ist, fragte er mich, ob ich denn das Gras nicht mit nach Deutschland nehmen wolle....

B.

Donnerstag, 26. Januar 2012

Radikal

Die Bewohner dieses Hauses hatten sich beklagt, dass sie nachts von herabfallenden und auf das Dach knallenden Mangos aus dem Schlaf gerissen werden. Abgesehen davon, dass dies maximal 2 Monate während der Reifezeit der Mangos passiert, waren es lediglich 2 Äste des einst prachtvollen Mangobaumes, die auf das Dach ragten. Es wurde vereinbart, diese störenden Äste abzusägen. Aber wenn die Leute hier einmal eine Säge in die Hand nehmen, kennen sie kein Halten mehr. Das Ergebnis:

Damit der Baum auch richtig eingeht und keine Chance mehr zum Ausschlagen hat, wurde gleich noch zur Axt gegriffen und dem Stamm endgültig zugesetzt. Dieses Bild kann man übrigens überall in den Dörfern sehen.


Peter Hellmold kam auf seinem Heimweg gerade dazu, als auch der zweite und dritte Stamm bereits rabiat und stümperhaft gestutzter Bäume bearbeitet wurde und konnte diesem hemmungslosen Treiben gerade noch Einhalt gebieten.
Dieses in unseren Augen frevelhafte Vorgehen empfinden die Leute hier als normal – es gibt doch genügend Bäume! Und damit haben sie durchaus recht – auf dem Hospitalgelände gibt es - noch- genügend Bäume.
An den verstümmelt in den Himmel ragenden Baumresten stört sich ohnehin niemand, die gehen bald endgültig ein und können schließlich doch komplett umgehauen werden.
B.

Dienstag, 24. Januar 2012

Letzte Runde

Mit unserer letzten Besucherin verbrachten wir noch einmal ein paar Tage auf Zanzibar und haben Abschied von der Insel und dem Indischen Ozean genommen.

Abschiedsstimmung auf Zanzibar

Überhaupt war diese letzte – pannenfreie(!) - Fahrt von Dar es Salaam nach Lugala eine Abschiedstour. Ein letztes Mal haben wir bei Action Medeor Medikamente gekauft und bei den Kapuzinern in San Damiano übernachtet.


Für ihre herzliche Aufnahme und Hilfsbereitschaft haben wir uns mit einer Einladung zu einer kleinen geselligen Runde bedankt. Die Auswahl der Getränke überließen wir ihnen und mit Schmunzeln haben wir registriert, dass zum Abendessen mehr Bier und Wein auf den Tischen stand als ihre sonst so innig geliebte Cola. Das Eis zum Dessert war eine gelungene Überraschung.
San Damiano in Dar es Salaam

Letzte Zwischenstation zur Übernachtung war noch einmal die Tan-Swiss-Lodge in Mikumi mit Verabschiedung vom Inhaber Joseph, mit dem wir uns so oft über die Besonderheiten der tanzanischen Angestellten und ihren unglaublichen Einfallsreichtum beim Finden von Ausreden und den meist schwierigen und Geduld sowie Fingerspitzengefühl fordernden Umgang mit tanzanischen Behörden ausgetauscht haben. Auf der Fahrt durch den Park standen in der Abenddämmerung Giraffen, Elefanten, Zebras und Impalas in großer Zahl Spalier, als wollten auch sie uns „Kwa heri“ zurufen.
Sie haben Vorrang beim Überqueren der Straße

Am nächsten Morgen gab es einen kurzen Zwischenstop in Mangula in den Udzungwa-Bergen mit Verabschiedung von Josephine, einer liebenswürdigen und immer fröhlichen jungen Rezeptionistin-Barfrau-Kellnerin-Zimmermädchen, die einen richtig guten Service im Twiga-Hotel bietet und sich so schön freute, wann immer wir dort übernachteten.
Im SOLIDARMED-Büro in Ifakara gab es das nächste „Auf Wiedersehen“ und Dank für die hervorragende Zusammenarbeit, wie man sie sich nicht besser wünschen kann und vor allem natürlich bei Elisabeth Rotzetter, auch für ihre persönliche Fürsorge schon vor unserer Ankunft in Tanzania.

Am Kilombero erwartete uns eine beträchtliche Fahrzeugschlange und wir ahnten nichts Gutes. Auf der Fähre befanden sich Leute, doch sie fuhr nicht. Auf meine Frage an die Kassiererin, was denn das Problem sei, erhielt ich eine typisch tanzanische Antwort: Die Fähre ist ein „bisschen kaputt“ . Unangenehme Dinge werden hier immer umschrieben und niemals sagte man, dass ein Unglück passiert ist, obwohl genau dies geschehen war. Ob nun mit oder ohne Fährenbeteiligung - es gab 2 Tote, Polizei stand am Ufer und ein Wagen mit Särgen ebenfalls. Nachdem ein Verunglückter gefunden und abtransportiert war, verschwanden die Polizisten, man suchte zwar weiter, doch die Fähre wurde erst einmal wieder gestartet. Wir hatten abgeschätzt, dass es nach dieser Wartezeit von ca. 1,5 h mindestens eine weitere Stunde dauern würde, ehe wir auf die Fähre kämen, ununterbrochenen Betrieb vorausgesetzt. In diesem Gewächshausklima ist das nicht die reine Freude und so erzählte ich dem Wärter am Tor, dass wir gekühlte Medikamente im Auto transportieren, die so schnell wie möglich nach Lugala müssten, was ja auch stimmte. Natürlich kennen uns die Fährleute mittlerweile- so viele Wazungu fahren schließlich nicht in den Busch- und so wurde der Hospital-Landcruiser ganz nach vorn gewunken.
Zügig ging es auf der von den letzten Regenfällen aufgeweichten und von Fahrzeugen zerwühlten aber zwischenzeitlich gut getrockneten Piste bis Lugala. Einige intensive Sonnenstrahlen sind da schon sehr wirkungsvoll.
Nun wartet in den letzten 3 Wochen noch eine Menge Arbeit, der Jahresabschluss 2011 sowie die Vorbereitung des jährlichen Audits einen Tag vor unserer Abreise.

Und wir werden uns von allen Mitarbeitern und dem Hospital verabschieden, das uns in den beiden Jahren doch sehr an`s Herz gewachsen ist.
B.

Montag, 23. Januar 2012

Mafuta

"Mafuta” heißt sowohl Öl als auch Diesel und letzterer ist wie eine Art Zweitwährung, zumal hier in dieser landwirtschaftlich dominierten Gegend mit einigen Traktoren im Einsatz. Der Preis für Diesel ist in den vergangenen zwei Jahren von etwa 1.600 auf aktuell 2.400 Tsh/l (ca. 1,20 €) gestiegen und jeder Besitzer einer „shamba“ (Ackerfläche) versucht, irgendwie billig an Diesel zu kommen. Das Hospital verbraucht beträchtliche Mengen Diesel beim abendlichen Generatorbetrieb zur Stromerzeugung und lagert diesen im eigenen Tank. Bei Bedarf werden beide Generatoren mit zwei Kanistern aufgefüllt, die an einer Zapfsäule betankt werden. Diese Menge wird in ein Buch eingetragen- bei einer Kontrolle müsste also beides übereinstimmen - mittels Messstab gemessene Menge im Tank und in`s Buch eingetragener Verbrauch, zumal der Zapfhahn zweifach abgeschlossen ist und diese beiden Schlüssel sicher verwahrt werden.
Schon in der Vergangenheit war es zu unerklärlichen Differenzen bei der Kontrolle gekommen. Als im Februar des vergangenen Jahres eine Buchprüfung angekündigt wurde, haben wir sicherheitshalber wieder den Tankinhalt mittels Messstab nachgeprüft und mit unserem Buch verglichen: es fehlten über 400 (!) Liter und wieder keine Erklärung dafür...
Irgendwann in Laufe des Sommers wurde mir von einem (wohlgesinnten) Mitarbeiter dringend empfohlen, die Schlösser an der Zapfsäule auszuwechseln- eine Maßnahme, die man hier ohnehin halbjährlich/jährlich durchführen sollte. Wir haben auf Grund dieses Hinweises neue Schlösser gekauft und noch einmal den im Buch eingetragenen Verbrauch mit der manuellen Messung verglichen: wieder fehlten über 400 Liter. Offenbar existierte noch ein zweites Schlüsselpaar (oder Nachschlüssel) und es war mehr als einfach, während des abendlichen Generatorbetriebs sich die gewünschte Menge Diesel an der Zapfsäule abzufüllen.
Das Betanken der Kanister besorge ich immer selbst; einfüllen muss es der Mitarbeiter, der gerade für den Generatorbetrieb verantwortlich ist. Bei einer spontanen Kontrolle im Generatorraum habe ich dann einen vollen, nicht eingefüllten Kanister vorgefunden. Die Erklärung: die Generatoren seien voll gewesen (was sie auch waren) und der Kraftstoff sollte später nachgefüllt werden.... Der Diebstahl war ziemlich offensichtlich und hätte eigentlich mit der Entlassung geahndet werden müssen. Die Bereitschaft zu dieser Maßnahme war jedoch bei den „Entscheidungsträgern“ des Hospitals nur sehr gering und mir ist klar geworden, dass viele von diesem preisgünstigen Dieselbezug profitiert haben müssen. Als nämlich während der Erntezeit der Traktor des Hospitals an Mitarbeiter ausgeliehen wurde, hat nicht ein einziger nach Diesel nachgefragt und der Traktor war immer betankt....

Nach einigen Tagen habe ich festgestellt, dass sich jemand am Zählwerk der Zapfsäule zu schaffen gemacht hatte- die einzelnen Zahlenscheiben waren verdreht, gingen nicht mehr auf Null zu stellen und die Anzeige war ein bisschen unübersichtlich. Um dennoch die Kontrolle etwas zu verbessern, habe ich festgelegt, dass bei jedem Wechsel des Verantwortlichen für den Generatorbetrieb monatlich der Füllstand im Tank gemssen und vermerkt wird. 14 Tage später war der Messstab verschwunden. Daraufhin habe ich aus einem langen Stahlstab einen provisorischen Messstab gefertigt: die ‚Buchmenge‘ war der Nullpunkt, den haben wir markiert, 200 Liter abgefüllt, wieder markiert und diese Markierung auf den ganzen Stab übertragen. Das Abfüllen geschah mit zwei Kanistern, auf denen ein Strich/Eichmarke genau 20 Liter anzeigen sollte- hat man mir versichert...Nach fast zwei Jahren hier im Land ist man immer ein bisschen misstrauisch und eine Nachkontrolle hat ergeben, dass die Markierung nicht 20 Liter, sondern 25 Liter anzeigte. Wir hätten also mit jedem Kanister 5 Liter mehr als dokumentiert eingefüllt und das wäre dann wieder die „frei verfügbare Masse“ gewesen. Nun bin ich gespannt, ob ich in den wenigen verbleibenden Wochen noch eine weitere Überraschung erlebe....
P.