Sonntag, 19. Dezember 2010

Einmal Deutschland und zurück

Der Abschied von Deutschland ist uns doch schwerer gefallen als wir erwartet hätten. Schwerer als bei unserer Erstausreise. Damals vor 9 Monaten wussten wir absolut nicht, was uns hier in Lugala erwarten würde und hatten uns eigentlich auf das Schlimmste eingestellt. Unsere Erwartungen wurden angenehm enttäuscht, wir haben uns mit dem Leben hier arrangiert und erledigen unseren Job im Hospital ohne große Illusionen. Diese Arbeit bedeutet ja leider auch die tägliche Konfrontation mit Gleichgültigkeit, Realitätsverweigerung und oft nur gering ausgeprägter Verantwortung. Dieser Wechsel aus einer , vom rationalen Denken geprägten Welt in die afrikanische Kultur ist uns nicht leicht gefallen. Aber was ist von unserem Urlaub in Erinnerung geblieben?
Erstens: dass es mit der erwarteten Erholung nichts geworden ist. Wir hätten es eigentlich wissen müssen- bei der Fülle der Vorhaben und Aufgaben. Vielleicht hatte ich mir auch einfach zu viel vorgenommen, nach 9 Monaten war das die erste Gelegenheit und da kann man schon mal das rechte Maß verlieren.
Zweitens: es war ein Genuss, wieder einmal Temperaturen unter 10 Grad zu erleben, wenn auch der Absturz von ungefähr 40 Grad bei unserer Abreise aus Lugala auf Minustemperaturen bei unserem Aufenthalt in Arnstadt und anderswo ein bisschen heftig war. Wir können uns vorstellen, dass der andauernde Schneefall (von dem wir per Internet erfahren) ziemlich lästig ist, ich war jedenfalls überaus dankbar, eine Winterlandschaft zu erleben.
Drittens: das Essen. Wir haben mit Eisbein/Sauerkraut und Erbspürree begonnen und mit Bauernente aufgehört. In den Tagen dazwischen all die Köstlichkeiten der deutschen Küche- natürlich haben wir beide etwas zugenommen. Beim nächsten Mal ein paar Worte zu unseren Essgewohnheiten hier im Busch.
Viertens: wir denken, dass die Europäer die Menschen hier wohl niemals vollständig einschätzen oder gar verstehen können. Die Denkgewohnheiten sind einfach zu verschieden. Wir haben das bei einigen gutgemeinten Ratschlägen gemerkt - in Europa wäre dies oder jenes möglicherweise umzusetzen, aber hier ticken die Leute einfach anders. Ein Beispiel: wir haben ganz neu einen Raum für verbrannte Kinder (kommt oft vor) eingerichtet, von SOLIDARMED bezahlt. Alles ist gefliest und es gibt eine Wanne, in der die kleinen Patienten bei Bedarf mit warmem Wasser abgebraust werden können. Gestern gab es dann ziemliche Aufregung - die Patienten und ihre Angehörigen waschen Berge voll Wäsche in der Wanne und haben den Spezialbehandlungsraum in ein Waschhaus umfunktioniert. Aus ihrer Sicht war das praktisch und naheliegend, zumal die meisten unserer Patienten aus dem Busch wahrscheinlich noch nie von einer Badewanne gehört, geschweige denn eine gesehen haben. Die Wanne ist voller Sand und total verdreckt. Wir hatten da eine etwas andere Auffassung.

Inzwischen hat uns hier im Hospital der Alltag wieder und das bedeutet unter anderem: unser Buchhaltungsgehilfe ist für 3 Wochen im Urlaub, d.h. alle Arbeit bleibt bei uns hängen, Beate kümmert sich künftig um die Finanzen und Verwaltung der nursing school (mit inzwischen 100 Studenten), ein clinical officer ist nach DAR abgehauen - trotz schriftlicher Verpflichtung, nach dem vom Hospital bezahlten Studium hier ein paar Jahre zu arbeiten. Außerdem stand Mittwochabend ohne Anmeldung eine pensionierte Lehrerin vor der Tür und wollte am nächsten Tag mit ihrer Arbeit als Ausbilderin für die Krankenpfleger/innen beginnen. Vor knapp einem Jahr hatte sie nachgefragt und jetzt hat sie sich entschieden. Ganz plötzlich. Die musste für`s erste im Gästehaus untergebracht werden. Die Schüler sind übrigens schon in den Weihnachtsferien.... Außerdem sind noch in diesem Monat über 2 Mio TSH Nachzahlung an einen ehemaligen clinical officer fällig. Dieser ist vor einigen Jahren nach einem Streit mit dem damaligen Hospitalarzt bei Nacht und Nebel verschwunden, eine ordentliche Kündigung wurde nachträglich nicht gemacht. Also war er offiziell immer noch beschäftigt. Obwohl er nie wieder hier gesehen wurde, seitdem in einem anderen Krankenhaus arbeitet, hatte er erfolgreich bei der Regionalvertretung der tanzanischen Einheitsgewerkschaft auf „entgangenen Lohn“ geklagt. Was soll man dazu sagen. Donnerstagabend gegen 22.00 Uhr stehen - natürlich unangemeldet- drei Vertreter der Sozialversicherung auf dem compound, wollen untergebracht und beköstigt werden. Sie wollen mit den Mitarbeitern Verträge abschließen, so dass sie, ihre Ehepartner und Kinder im Krankheitsfall kostenlos behandelt werden. Das Hospital erhält dafür einen Pauschalbetrag für jeden. Die ganze Angelegenheit ist seit Wochen bekannt, Formulare sollten ausgefüllt und Passbilder gemacht werden, aber nichts ist vorbereitet. Es ist einfach alles liegengeblieben. Beate hat mit allen 2 Tage lang Formblätter ausgefüllt, Heirats- und Geburtsurkunden kopiert. Weiter geht es mit den Labormitarbeitern: das Labor ist personell recht gut besetzt. Sie haben ihr eigenes Arbeitsregime gefunden und müssen keine Überstunden mehr machen, wollen aber nicht verstehen, warum sie nicht trotzdem extra allowances bekommen.

Damit soll es genug sein. In einem früheren Beitrag war von einem rosablühenden Baum die Rede, der Name war mir nicht geläufig. Es ist eine Bauhinia, auch Orchideenbaum genannt und benannt nach den schweiz./franz. Botanikern Bauhin.

P.

2 Kommentare:

  1. Da seid ihr ja gleich wieder in Afrika eingetaucht. Bleibt gesund und genießt die Weihnachtstage. Viele Grüße auch an Dr. Peter.
    Viele Grüße
    Michael

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  2. Auch aus Magdeburg ein gesundes Neues Jahr!

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