Mittwoch, 20. Juli 2011

LUGALA – eine Reise ins afrikanische Niemandsland

Lugala ist ein Ort am Ende der Welt. Von hier führt keine Straße weiter, und diejenige, die sich durch die rote Erde in den abgelegenen Landstrich in den Süden Tansanias windet, gut 7500km von der Uckermark entfernt, kann man kaum als solche bezeichnen. Wenn man mit der Fähre über den Kilombero übergesetzt und in Ifakara schon längst die letzten Europäer hinter sich gelassen hat, führt der Weg in der Trockenzeit während vier Stunden über eine staubige, schlaglochgesäumte und von klapprigen Brücken unterbrochene Buschpiste, was dem Auto und dem Menschen alles abverlangt, die schließlich irgendwann nach Lugala führt. Das Ende der Welt, Tansania, Ostafrika, Lugala war also unser, meine Frau Katrin und ich, ungewöhnliches Reiseziel 2011. Für die abenteuerliche Anreise benötigten wir zwei Tage von Schönow in der Uckermark nach Berlin, weiter über Kairo und Dar es Salaam, nach Mikumi, Morogoro, Ifakara bis nach Lugala, mehrere Transportmittel: die Deutsche Bundesbahn, die Flugzeuge von EgyptAir, einen PKW, einen überfüllten Kleinbus, einen LKW und einen Landcruiser. Unsere thüringischen Freunde Peter und Beate, die seit nunmehr 1,5 Jahren im Lugala-Hospital ehrenamtlich arbeiten, luden uns ein, Afrika live zu erleben, abseits der Touristenströme mit alle seinen Reizen, Facetten, real und ungeschminkt.
Das Lugala-Hospital ist das einzige Spital im sehr abgelegen westlichen Teil des Ulanga-Distrikts, es ist für die medizinische Grundversorgung beidseits des Kilombero Flusses zuständig. Die Menschen nehmen weite Wege auf sich, um sich im Lugala-Spital helfen zu lassen. Auf der Suche nach medizinischer Hilfe transportieren Angehörige ihre Kranken auf Fahrrädern oder zu Fuß teilweise über 100 Kilometer weit. Ihr Weg führt über Pfade, die sich mühsam durch den Busch schlängeln und nicht selten müssen Flüsse mit Einbäumen überquert werden. Was es heißt, sich durch den Busch zu schlängeln, erfuhren wir am eigenen Leib, mit dem Fahrrad auf dem Weg ins benachbarte Biro benötigten wir für etwa 12-13 km immerhin 2 Stunden, durchwateten dabei knietief mehrere Wasserstellen, die die Regenzeit übrig gelassen hatte – eine ungewöhnliche, abenteuerliche Radtour.
Auf dem Weg nach Biro

In den wenigen Tagen, die uns in Lugala blieben, sahen wir uns um, waren Bestandteil des Dorfes abseits der Welt. Wir staunten über das schlichte, einfache Leben, die unbändige Lebensfreude der Menschen, dem ungebremsten Engagement des Hospitalpersonals den Afrikanern tagtäglich zu helfen, das überraschend wohlschmeckende afrikanische Essen, dass in jedem Ort Brunnen für die Bevölkerung gebaut wurden, dass Handys bis in die letzte Lehmhütte Einzug hielten und die Fähigkeiten der Menschen, für alle Probleme eine Lösung zu finden. So wurden zum Beispiel die gebrochenen Federn des Autos, das uns wieder nach Dar es Salaam bringen sollte, am Vortag der Abreise tatsächlich durch neue ersetzt - Respekt.
Mit großem Interesse schauten wir uns verschiedenste Schulen in Lugala, Biro und Bagamoyo an, wollten wissen wie es um die Bildung der Kinder von Tansania bestellt ist. Wir hatten dabei das große Glück, in Bagamoyo von Lehrern in die dortige staatliche Schule eingeladen zu werden. An der Tagesordnung sind Klassenstärken von 75 Kindern in einem Klassenraum, zu dritt sitzen Kinder an einer Bank, alle in Schuluniform, mit einem Stift und Heft bestückt, moderne Vorbereitungsräume für Lehrer, moderne Medien für Schüler und Lehrer - alles Fehlanzeige. Das Lugala Hospital bildet Krankenschwestern aus, es besitzt dank einer Spende gar über drei durchaus moderne PC´s, ihre Arbeitsspeicher sind jedoch derart langsam, dass jeder deutsche Schüler verzweifeln würde, für uns Anlass zu Verpflichtung neue Arbeitsspeicher zu besorgen, um schnell und unkompliziert konkret Hilfe zu leisten. Hilfe leisten, das ist das Ansinnen all derjenigen, die ihre Altkleider in Container werfen, die man überall findet. Mit Erschrecken konnten wir aber live miterleben, wie Hemden, Hosen, Jacken, Unterwäsche etc., vor allem in den abgelegenen Dörfern an den Mann/Frau gebracht wurden. Nicht kostenfrei und als Spende, wie von uns Spendern erwartet, nein sie wurden von marktschreienden Anbietern auf dem Markt versteigert, für 200, 500 oder gar 1000 Schilling , für einen Tansanier mit durchschnittlich 80.000 Schilling (40 €) Monatseinkommen ein Vermögen. Dieser Missstand afrikanischer Alltagspolitik schloss sich nahtlos an unsere Erfahrung an, dass eine Reihe von Polizisten tatsächlich korrupt sind, man will es gar nicht so recht glauben, zweimal gestoppt, zweimal abgezockt, einmal 10.000 Schilling (5 €), einmal 20.000 Schilling, ohne Quittung, mit einem freundlichen Shake-Hand für tatsächliche Verkehrsvergehen wie z.B. eine Geschwindigkeitsüberschreitung, die 20.000 Schilling wert gewesen wäre.
Bei der Reise nach Lugala und zurück mussten wir zweimal einen wunderschönen Urwald durchqueren, einfach zauberhaft und eine Gabe der Natur. Dieser Urwald ist allerdings mit Teakholzplantagen unterbrochen, ein unverantwortlicher Raubbau an der Natur. Unterbrochen ist die Reise durch den Urwald auch mit einer 3km langen Asphaltstraße, in deren Umkreis von 100 km keine Menschenseele wohnt, ein Wahlgeschenk eines Politikers führte zu diesem absonderlichen Beispiel von Geldverschwendung.
Abschließend möchte ich nicht unerwähnt lassen , dass bei unserem Trip nach Ostafrika, im Mikumi-Nationalpark zahlreiche Elefanten, Giraffen, Gnus, Zebras, Warzenschweine, Impalas, Büffel, Nilpferde und Krokodile kreuzten – ein unvergessliches Erlebnis. Die letzten drei Tage genossen wir die Ruhe Bagamoyos, der ersten Hauptstadt deutsch-Ostafrikas im 19.Jahrhudnert zur Zeit der deutschen Kolonialherrschaft am indischen Ozean. Hier trafen wir eine junge Engländerin, die den Einheimischen Englischunterricht unter freiem Himmel erteilte, damit diese ihre Bilder und Skulpturen besser verkaufen können. Wir machten davon reichlich Gebrauch, eine 1.60m große Giraffe, das Nationalsymbol Tansanias, trat den 7500km langen Rückweg an und wird fortan die Gäste unseres Hauses in Schönow begrüßen. Eine für uns ungewöhnliche Reise ist vorbei, es war die bislang anstrengendste, aber schönste Reise,
Danke Peter, Danke Beate, Danke TANSANIA.

Uwe Neugebauer-Wallura , Katrin Wallura 02.07.2011 – 16.07.2011


Sonntag, 17. Juli 2011

Die Piste nach Lugala

Von Dar es Salaam bis Mikumi ist die Straße gut- wenn man von den Spurrinnen zwischen DAR und Chalinze absieht, die von den Schwerlasttransportern verursacht werden. Auf diesem Stück fährt man sicherheitshalber nicht schneller als 80 km/h; viele Fahrer versuchen es dennoch: wir haben schon viele Unfälle auf dieser Strecke gesehen.

Der Punkt des Entfernungsanzeigers unten links zwischen Malinyi und Igawa markiert Lugala - das Dorf ist auf keiner Karte zu finden

Nach der Brücke über den Ruaha ist die Straße bis Ifakara schlecht. Danach kommt die Fährüberfahrt über den Kilombero und die Piste wird richtig schlecht. Die vergangene Regenzeit hat sehr viel Regen gebracht mit riesigen Wasserlöchern, deren Tiefe man nicht erkennt, ausgespülten Querrinnen und langen Schlammstrecken. Letztere hatten für die Einheimischen sogar Vorteile. Bei Mtimbira war die Strecke gar nicht mehr zu befahren; sie haben eine Art Knüppeldamm gebaut und sich jede Durchfahrt bezahlen lassen. Oder bei einem Anstieg stand immer ein Fahrzeug mitten auf der abschüssigen Piste. Beim Versuch auszuweichen, rutschte man unweigerlich in den Graben und das Auto lehnte an der Böschung. Auch mit Allradantrieb war das Auto nicht flottzumachen, die Leute standen daneben und irgendwann hatte man die Nerven verloren. Ein Preis wurde ausgehandelt (dabei waren sie natürlich im Vorteil, denn wir wollen weiter und sie haben alle Zeit der Welt), ca. 20 Personen haben geschoben und man war wieder in der Spur. Für die Anwohner ein erfreulicher Nebenverdienst- aber warum auch nicht: sie verdienen ja sonst nichts.
Jetzt sind die Wasserlöcher und Querrinnen ausgetrocknet und die schlammigen Abschnitte hart wie Beton. Nach europäischen Maßstäben würde man die Strecke als "unbefahrbar" bezeichnen, aber irgendwann muss man ja auch einmal aus der Wildnis in den zivilisierteren Teil dieses Landes kommen, sich also die Tortur einer Fahrt antun. Dann fährt man praktisch von einem Schlagloch in das nächste und so gewinnt der Begriff "es einmal richtig krachen lassen" eine völlig neue Bedeutung. Auch wenn man sich noch so sehr bemüht: irgendwann kommen Fahrer und Fahrzeug - es ist schon seit 13 Jahren auf dieser Piste im Einsatz - an ihre Grenzen. Bei unserer vorletzten Fahrt sind uns auf dieser Strecke von jeweils 5 Blattfedern vorn links 4 und rechts 2 gebrochen. Dabei war das Auto noch nicht einmal schwer beladen.

Eine hat gehalten

Normale Pkw können diese Piste jetzt überhaupt nicht befahren und die Frage ist- wann geht wieder etwas? Die Antwort: vor der nächsten Wahl. Dann wird die Strecke aufgekratzt, eingeebnet, gewalzt und man kann kurzfristig ziemlich unbeschwert fahren. Bis zur nächsten Regenzeit.
Wir bezahlen jährlich eine nicht unbeträchtliche Summe für die road license und da könnte man einmal fragen, was mit diesem Geld eigentlich geschieht? Auf jeden Fall ist dem Straßenbauministerium dieser Abschnitt absolut gleichgültig. Aber es kommt noch besser:
Vor Beginn der Regenzeit hat irgendjemand veranlasst, dass z.B. in Malinyi neben den größten Löchern Kies abgekippt wurde. Aber wahrscheinlich hat dieser Jemand vergessen zu sagen, dass damit die Löcher aufgefüllt werden sollen. Auf jeden Fall lagen die Kieshaufen neben riesigen Wasserlöchern und irgendwann war diese Straße nicht mehr zu befahren, d.h. ein bisschen schon, wenn man die Kieshaufen als Fahrstrecke benutzt hat. Jetzt ist sie wieder leidlich befahrbar und jetzt!! werden die Löcher aufgefüllt. Besser zu spät als nie.
Völlig absurd wird es auf der Piste zwischen Lupiro und Itete. Der jetzige, neue Gesundheitsminister stammt aus einem kleinen Dorf an der Strecke und der Himmel weiß, was er seiner Familie oder seinem Clan versprochen hat. Auf jeden Fall gibt es jetzt mitten im Urwald eine knapp 2 km lange Asphaltstraße, mit betoniertem Regenablauf- daneben gibt es kein Dorf, keine Hütte , nichts... Auf diese Straße wird gerade schon zum 5. Mal !! ein neuer Belag aufgetragen. Ich bin kein Straßenbauer, aber für das Geld hätte man mit Sicherheit die gesamte Strecke von Ifakara bis Lugala einmal glätten können.
Oder, wenn ich in DAR sehe, dass die EU eine vierspurige Straße grundhaft erneuert- da werde ich mich doch einmal fragen dürfen, was die EU mit dieser Straße zu schaffen hat?

Aber das gehört schon nicht mehr zum Bericht über die Piste nach Lugala.

P.