Freitag, 31. Dezember 2010

Neujahrsgrüße

Das Jahr 2010 geht zu Ende, für alle hoffentlich mit zufriedenem Blick zurück. Für uns war es ein aufregendes und anstrengendes Jahr mit vielen neuen Eindrücken und Erfahrungen, positiven aber auch deprimierenden und ernüchternden Erlebnissen.

Wir wünschen allen einen guten Start in`s Jahr 2011, Gesundheit, Zuversicht, Freude an neuen Herausforderungen und Kraft, die eine oder andere Hürde zu überwinden.

Wir stoßen zum Neujahr gedanklich mit euch an, begrüßen 2011 allerdings schon 2 Stunden früher.


Karibu 2011!
Karibu Tanzania!

Donnerstag, 30. Dezember 2010

Selbstjustiz

Vorletzte Nacht werden wir gegen Morgen von einem wüsten Lärm geweckt. Nicht weit von unserem Haus brüllen Männer, kreischen Frauen und man hört Stockschläge. Wir denken, dass es eine Schlägerei unter Betrunkenen sein wird. Am hellen Morgen dann ein großer Auflauf und schließlich erfahren wir die Ursache für das nächtliche Getöse: 5 Personen sind in die winzige duka la dawa (Apotheke) im Dorf eingestiegen, wollten stehlen und wurden offenbar überrascht. Einen Dieb haben die Leute erwischt, die anderen konnten entkommen. Den einen haben sie mit Knüppeln totgeschlagen. Das ist hier in diesem Land durchaus gängige Praxis, aber es ist dann doch ein Unterschied, ob man in Erzählungen davon hört oder unmittelbar Zeuge wird. Den selbsternannten Rächern wird übrigens nichts geschehen: erstens gehört das zur Folklore und außerdem kann kein Richter unter mehr als 20 Knüppelaktivisten den Schuldigen herausfinden- insofern ist hier Diebstahl mit erheblichen Risiken verbunden. Niemand findet das nicht in Ordnung, das Leben geht seinen gewohnten Gang.

P.

Dienstag, 28. Dezember 2010

Unser Weihnachten

Der Heiligabend- Arbeitstag endet ausgesprochen unerfreulich: gegen 16 Uhr kommt eine Nurse und erklärt uns, dass sie an ihrer Wohnung einiges auszusetzen hat. Bei Starkregen spritzt Wasser an ihre Tür, im Hof läuft das Regenwasser nur langsam ab, ein Schloss ist defekt und überhaupt ist die Wohnung für sie und ihren ganzen Hausrat (alles zusammen passt in eine Badewanne) zu klein. Ich sehe es mir an, die Mängel können behoben werden, sind aber seit Wochen bekannt und außerdem ist jetzt Freitagabend- man könnte also bis Montag warten. Nein, ihr husband würde kommen, außerdem gefällt ihr die Wohnung nicht und sie möchte eines der freien Häuser haben. Nebenbei: sie arbeitet erst seit vier Monaten bei uns und das Hospital hatte ihr sämtliche Studiengebühren bezahlt. Daraufhin lasse ich sie einfach stehen. Doch sie kommt wieder ins Büro und will sofort alles repariert haben. Nocheinmal erkläre ich ihr, dass jetzt kein Handwerker mehr da sei, aber sie meint, dann soll ich das doch machen. Darauf ist die Diskussion erst einmal zu Ende. Im darauffolgenden Gespräch mit Mama Chogo und Moses wird klar, dass es gar nicht um die Mängel am Haus geht: die Nurse suchte einfach einen Vorwand, um sich aus dem Staub machen zu können – wegen des Sponsorings muss sie laut Vertrag 3 Jahre im Hospital arbeiten. Sie ist nicht die erste, die einfach verschwindet. Wir fahren erst einmal nach Malinyi, dort hat gerade eine neue Kneipe eröffnet- für das Dorf gehobener Standard. Wir gönnen uns zusammen vier Bier und sind noch vor der Dunkelheit wieder zu Hause. Es bleibt jetzt ca. eine halbe Stunde länger hell, doch die kürzeste Nacht liegt nun schon wieder hinter uns. Wir lesen und ich versuche mich mit dem Lesen der Weihnachtsgeschichte in Stimmung zu bringen, aber es will mir nicht gelingen.

Am 1.Weihnachtsfeiertag sind wir bis nachmittags im Büro, dann ist endlich Schluss und es gibt unser Festessen auf der Gartenterrasse: Beate hat eine junge Flugente zubereitet, dazu Kartoffeln und als Nachtisch – natürlich – Mangos. Zum Radfahren ist es zu heiß. Am Abend sehen wir uns den Film „Keinohrhasen“ an, passende Unterhaltung.
Den 2.Weih
nachtsfeiertag, den es übrigens in Tanzania nicht gibt, beginnen wir mit einem ausgiebigen Frühstück, fahren dann nach Sofi Mission. Der Ort liegt ca.30km entfernt, man braucht aber fast eine Stunde mit dem Auto.

Sofi Mission

Auf einer Anhöhe liegt wunderschön die alte Missionsstation mit dem dazugehörigen Wirtschaftsgebäude sowie Schule und Krankenstation. Letztere arbeitet schon lange nicht mehr und auch von den Wirtschaftsgebäuden sind die meisten eingefallen. Aber es ist ein beeindruckender Platz. Wir wandern Richtung Berge und dann wird richtig schön.

Die Temperaturen sind wie im Hochsommer in Deutschland - wenn es denn einmal einen richtigen altdeutschen Sommer gibt - und der Wald ist wie der Hainich oder auf der Hainleite im Mai. Überall frisches Grün, die Brachystegiabäume mit frischen Blättern und überall blühen Blumen:







Orchideen, Lilien und Iris - es ist unglaublich und wir sind ganz beeindruckt.

Gerade rechtzeitig vor einem kräftigen Gewitter erreichen wir unser Auto .

Unsere vielen Mangos warten darauf verarbeitet zu werden. Also kochen wir Marmelade, die uns gut gelingt und richtig fruchtig schmeckt. Am Abend gibt es noch einmal Kino und wir lassen Weihnachten mit „Oceans 13“ unterhaltsam ausklingen.

P.


Donnerstag, 23. Dezember 2010

Weihnachtsgrüße

Wir wünschen unseren Familien, Freunden, Bekannten und anderen Lesern unseres Blogs ein frohes und friedliches Weihnachtsfest, besinnliche Stunden und gemütliches Beisammensein. 

Weihnachtliche Stimmung kommt bei uns nicht so recht auf. Schwülwarme Luft bei 30° passt einfach nicht dazu.  „Weihnachtsbäume“ gibt es aber auch. Um diese Zeit stehen die Flammenbäume in voller Blüte und werden deshalb hier als Christmastree bezeichnet.
 


Sonntag, 19. Dezember 2010

Einmal Deutschland und zurück

Der Abschied von Deutschland ist uns doch schwerer gefallen als wir erwartet hätten. Schwerer als bei unserer Erstausreise. Damals vor 9 Monaten wussten wir absolut nicht, was uns hier in Lugala erwarten würde und hatten uns eigentlich auf das Schlimmste eingestellt. Unsere Erwartungen wurden angenehm enttäuscht, wir haben uns mit dem Leben hier arrangiert und erledigen unseren Job im Hospital ohne große Illusionen. Diese Arbeit bedeutet ja leider auch die tägliche Konfrontation mit Gleichgültigkeit, Realitätsverweigerung und oft nur gering ausgeprägter Verantwortung. Dieser Wechsel aus einer , vom rationalen Denken geprägten Welt in die afrikanische Kultur ist uns nicht leicht gefallen. Aber was ist von unserem Urlaub in Erinnerung geblieben?
Erstens: dass es mit der erwarteten Erholung nichts geworden ist. Wir hätten es eigentlich wissen müssen- bei der Fülle der Vorhaben und Aufgaben. Vielleicht hatte ich mir auch einfach zu viel vorgenommen, nach 9 Monaten war das die erste Gelegenheit und da kann man schon mal das rechte Maß verlieren.
Zweitens: es war ein Genuss, wieder einmal Temperaturen unter 10 Grad zu erleben, wenn auch der Absturz von ungefähr 40 Grad bei unserer Abreise aus Lugala auf Minustemperaturen bei unserem Aufenthalt in Arnstadt und anderswo ein bisschen heftig war. Wir können uns vorstellen, dass der andauernde Schneefall (von dem wir per Internet erfahren) ziemlich lästig ist, ich war jedenfalls überaus dankbar, eine Winterlandschaft zu erleben.
Drittens: das Essen. Wir haben mit Eisbein/Sauerkraut und Erbspürree begonnen und mit Bauernente aufgehört. In den Tagen dazwischen all die Köstlichkeiten der deutschen Küche- natürlich haben wir beide etwas zugenommen. Beim nächsten Mal ein paar Worte zu unseren Essgewohnheiten hier im Busch.
Viertens: wir denken, dass die Europäer die Menschen hier wohl niemals vollständig einschätzen oder gar verstehen können. Die Denkgewohnheiten sind einfach zu verschieden. Wir haben das bei einigen gutgemeinten Ratschlägen gemerkt - in Europa wäre dies oder jenes möglicherweise umzusetzen, aber hier ticken die Leute einfach anders. Ein Beispiel: wir haben ganz neu einen Raum für verbrannte Kinder (kommt oft vor) eingerichtet, von SOLIDARMED bezahlt. Alles ist gefliest und es gibt eine Wanne, in der die kleinen Patienten bei Bedarf mit warmem Wasser abgebraust werden können. Gestern gab es dann ziemliche Aufregung - die Patienten und ihre Angehörigen waschen Berge voll Wäsche in der Wanne und haben den Spezialbehandlungsraum in ein Waschhaus umfunktioniert. Aus ihrer Sicht war das praktisch und naheliegend, zumal die meisten unserer Patienten aus dem Busch wahrscheinlich noch nie von einer Badewanne gehört, geschweige denn eine gesehen haben. Die Wanne ist voller Sand und total verdreckt. Wir hatten da eine etwas andere Auffassung.

Inzwischen hat uns hier im Hospital der Alltag wieder und das bedeutet unter anderem: unser Buchhaltungsgehilfe ist für 3 Wochen im Urlaub, d.h. alle Arbeit bleibt bei uns hängen, Beate kümmert sich künftig um die Finanzen und Verwaltung der nursing school (mit inzwischen 100 Studenten), ein clinical officer ist nach DAR abgehauen - trotz schriftlicher Verpflichtung, nach dem vom Hospital bezahlten Studium hier ein paar Jahre zu arbeiten. Außerdem stand Mittwochabend ohne Anmeldung eine pensionierte Lehrerin vor der Tür und wollte am nächsten Tag mit ihrer Arbeit als Ausbilderin für die Krankenpfleger/innen beginnen. Vor knapp einem Jahr hatte sie nachgefragt und jetzt hat sie sich entschieden. Ganz plötzlich. Die musste für`s erste im Gästehaus untergebracht werden. Die Schüler sind übrigens schon in den Weihnachtsferien.... Außerdem sind noch in diesem Monat über 2 Mio TSH Nachzahlung an einen ehemaligen clinical officer fällig. Dieser ist vor einigen Jahren nach einem Streit mit dem damaligen Hospitalarzt bei Nacht und Nebel verschwunden, eine ordentliche Kündigung wurde nachträglich nicht gemacht. Also war er offiziell immer noch beschäftigt. Obwohl er nie wieder hier gesehen wurde, seitdem in einem anderen Krankenhaus arbeitet, hatte er erfolgreich bei der Regionalvertretung der tanzanischen Einheitsgewerkschaft auf „entgangenen Lohn“ geklagt. Was soll man dazu sagen. Donnerstagabend gegen 22.00 Uhr stehen - natürlich unangemeldet- drei Vertreter der Sozialversicherung auf dem compound, wollen untergebracht und beköstigt werden. Sie wollen mit den Mitarbeitern Verträge abschließen, so dass sie, ihre Ehepartner und Kinder im Krankheitsfall kostenlos behandelt werden. Das Hospital erhält dafür einen Pauschalbetrag für jeden. Die ganze Angelegenheit ist seit Wochen bekannt, Formulare sollten ausgefüllt und Passbilder gemacht werden, aber nichts ist vorbereitet. Es ist einfach alles liegengeblieben. Beate hat mit allen 2 Tage lang Formblätter ausgefüllt, Heirats- und Geburtsurkunden kopiert. Weiter geht es mit den Labormitarbeitern: das Labor ist personell recht gut besetzt. Sie haben ihr eigenes Arbeitsregime gefunden und müssen keine Überstunden mehr machen, wollen aber nicht verstehen, warum sie nicht trotzdem extra allowances bekommen.

Damit soll es genug sein. In einem früheren Beitrag war von einem rosablühenden Baum die Rede, der Name war mir nicht geläufig. Es ist eine Bauhinia, auch Orchideenbaum genannt und benannt nach den schweiz./franz. Botanikern Bauhin.

P.

Wahlen 2010

Diesen kurzen Beitrag hatte ich Mitte November noch vor unserer Abreise nach Deutschland geschrieben und vergessen einzustellen, deshalb an dieser Stelle als Nachtrag, da das Thema nach wie vor aktuell ist und uns jeden Tag neben all den anderen großen und kleinen Überraschungen beschäftigt.

Am letzten Oktoberwochenende ging ein überaus aufwändiger Wahlkampf zu Ende und alle Tanzanier waren aufgefordert, eine neue Regierung zu wählen. Wie abzusehen, bleibt Präsident Kikwete weitere 5 Jahre im Amt. Vor allem der Stimmen der tanzanischen Regierungsbeamten und aller anderen Staatsangestellten durfte er sich wohl sicher sein. Die Regierung zeigte sich vorher noch einmal von ihrer besten Seite und erhöhte die Gehälter aller Staatsangestellten um völlig überzogene 28 %, egal ob die Einrichtungen, u.a. Krankenhäuser, dies finanziell verkraften können oder nicht. Von den 80 Mitarbeitern des Lugala Lutheran Hospitals werden 18 von der Regierung bezahlt, die auf diesen Anspruch natürlich nicht verzichten wollen. Ganz abgesehen davon, dass sich damit auch unser Arbeitgeberanteil erhöht, musste auch ein Ausgleich mit den anderen Hospitalangestellten gefunden werden. Es gab jeden Tag ein Meeting, Thema: den einen etwas nehmen und den anderen etwas geben. Und am Ende ist niemand so richtig zufrieden. Für uns ist das natürlich eine schwierige Situation, denn Rücklagen sind einfach nicht da und das Einsparpotential ist erschöpft. Entlassungen soll es möglichst nicht geben. So rechnen wir hin und her, ohne zu einer befriedigenden Lösung zu kommen.

B.

Freitag, 17. Dezember 2010

Zurück aus dem Heimaturlaub

Nun sind wir schon wieder seit einer Woche in Lugala. Für die Rückreise hatten wir uns wohl den richtigen Tag ausgesucht, wenn wir sehen, wie Deutschland im Schnee versinkt, Straßen blockiert und Flughäfen geschlossen sind. So jedenfalls die Nachrichten im Internet.
Mit unserem Gepäck hatten wir die 40 kg für jeden fast ausgeschöpft, insgesamt brachten die Koffer 72 kg auf die Waage, vor allem wegen der Werkzeuge, OP-Materialien und -gerätschaften für das Hospital. Für unsere rein privaten Dinge hätte wahrscheinlich das Handgepäck ausgereicht. Der Zoll interessierte sich glücklicherweise nicht für unser Gepäck. Auch die Sägeblätter, wegen denen wir auf dem Heimflug den Koffer auspacken mussten, gingen diesmal in Berlin problemlos durch die Kontrolle. Mit den Kreissägeblättern arbeitete unser Tischler seit 20 Jahren. Zum Schluss war kaum noch ein ordentlicher Schnitt möglich und so hatten wir die Sägeblätter zum Schärfen mitgenommen. Herr Steikert von der CNC – Werkzeugschleiferei Steikert in Göllingen hat sie freundlicherweise kostenlos für uns geschärft.

Kuandika, unser Fahrer, holte uns am Mittwochmittag vom Flughafen ab und dann begann auch schon gleich der Stress. Da am Donnerstag Unabhängigkeitstag und damit nationaler Feiertag war, mussten alle Einkäufe gleich nach unserer Ankunft erledigt werden, also Medikamente bei zwei verschiedenen Großhändlern, Kuandika hatte eine Liste für Ersatzteile für die Fahrzeuge, von denen er vor unserer Ankunft noch nicht alle besorgen konnte und natürlich auch diverse Lebensmittel und andere notwendige Dinge für die nächsten Wochen (wie Nudeln, Butter, Olivenöl, Kaffe, Waschpulver....), auch für den Arzt Peter Hellmold, der uns seine Einkaufsliste geschickt hatte. Das alles nach einem Temperatursprung von 40° nach einer fast schlaflosen Nacht im Flugzeug. Es war ganz schön anstrengend und wir sind abends todmüde ins Bett gefallen.

In Dar es Salaam gab es noch eine sehr schöne Aufgabe zu erledigen, wir haben Spendengeld aus Deutschland umgesetzt. Am letzten Tag zu Hause erreichte uns eine E-Mail von Peter Hellmold, wir sollten bitte in Dar ein Lichtmikroskop für unser Labor kaufen, er hatte es bei einem Laborausstatter telefonisch bestellt. Unser altes Mikroskop ist endgültig ausgestiegen und nicht mehr zu gebrauchen. Dieses Mikroskop ist für die täglichen Untersuchungen aber absolut notwendig (vor allem wegen Malaria und Stuhluntersuchungen, da die meisten Patienten, hauptsächlich Kinder, verwurmt sind). Das Mikroskop kostete 2 Mio Tan.Schilling, ca. 1000 Euro. So haben wir die großzügige Spende des Architekturbüros Utta Enderlein mit den Erlösen aus Briefmarkenverkäufen der Briefmarkenfreunde um den Sammler Harri Bechtel und aus Postkartenversteigerungen meines Vaters und Ebay -Profis, aufgestockt und davon das Mikroskop bezahlt. Unser Laborleiter, Mr. Kaberege, hat es sehr erfreut in Empang und sofort in Betrieb genommen.

Mr. Kaberege und Mama Chogo mit neuem Mikroskop
Am Donnerstag ging es dann auf einen Ruck bis nach Lugala, 13 h Fahrt. Nach den ersten Regenfällen war die Straße ab Ifakara abschnittweise schon sehr aufgeweicht. Wir hatten Glück, dass kein LKW auf der Strecke hängen geblieben ist und wie am Tag zuvor die Straße blockiert hat. So gibt es hier wie da Schwierigkeiten, bei uns ist es der Schlamm, in Deutschland der Schnee.

Hier empfing uns dann gleich der übliche Hospitalalltag mit all seinen (finanziellen) Schwierigkeiten. Wir sind freudig begrüßt worden, das hat uns natürlich gefreut.
Die Einnahmen waren in den letzten Monaten nach der Ernte recht gut, doch es steht nach wie vor das Problem mit den völlig unangemessen erhöhten Gehältern. Noch vor unserer Abreise nach Deutschland gab es unzählige Meetings und man hatte sich tatsächlich auf einen Kompromiss geeinigt, der dann aber bei der Gehaltszahlung Ende November nicht umgesetzt wurde....
Hier werden nach und nach die Mangos reif. Wir haben schon reichlich gegessen, es ist wirklich ein Genuss. Statt Glühwein zum Jahresende schmeckt auch Mangosaft mit Schuss...
Wir haben jetzt angenehme Wohlfühltemperaturen, etwas über 30°, es ist nicht mehr ganz so stechend heiß wie vor unserer Abreise, doch dafür ziemlich schwül. Allerdings ist der erwartete Regen in den letzten Tagen ausgeblieben, es brauen sich immer mal ein paar Wolken zusammen, doch es fällt kein Tropfen.
Ich komme mit diesem Klima ganz gut zurecht, Peter mag es ja lieber etwas kälter. Der kurz erlebte heftige Winter in Deutschland hat mir völlig ausgereicht.

B.

Dienstag, 9. November 2010

Hitze und Feuer

Über die unglaubliche Hitze jetzt im “afrikanischen Winter” habe ich ja schon gejammert- sie macht uns, vor allem mir, wirklich zu schaffen. Beate kommt damit ganz gut zurecht. Bis etwa 9 Uhr vormittags geht es noch. Danach wird es heiß und heißer, gegen 14 Uhr kann man sich nicht mehr in der Sonne aufhalten. Der Boden glüht förmlich und jedes Lüftchen ist auch heiß. Die Erde ist steinhart, alles ist vertrocknet und das Grundwasser weit abgesunken. Wenn wir jetzt mit den Rädern unterwegs sind, spätnachmittags und dann ist es immer noch heiß genug, ist die Erde überall gerissen, keine Pfütze oder Schlammloch ist zu sehen. Dafür gibt es Staub, Staub und nochmals Staub. Wir schützen uns ein wenig, indem wir von Charles morgens als erstes die Straße vor unserem Haus mit etwas Wasser bespritzen lassen. Aber die Leute in den Dörfern- sie leben eigentlich immer im Dreck: entweder ist ringsum Schlamm oder Staub. Wenn man dann noch bedenkt, dass sie weite Wege gehen, um einen Eimer oder Kanister einigermaßen sauberes Wasser nach Hause zu schleppen und das reicht dann gerade zum Essen kochen und Trinken- dann kann man sich ausrechnen, wieviel zum Waschen bleibt. Auch im Hospital wird das Wasser langsam knapp. Der Wasserspiegel ist so stark abgesunken, dass es gegen Mittag kein Wasser mehr gibt- es konnte einfach nicht genug Wasser in die Versorgungstanks gepumpt werden. Und beim Wasserholen an der Pumpe muss man schon einmal 5 Minuten warten, bis wieder genug Wasser für zwei Eimer nachgelaufen ist. Erst mit dem abendlichen Einschalten des Generators springt die Pumpe an und versorgt uns auch im Haus wieder mit Wasser.

Bei dieser Trockenheit ist es verblüffend, wenn gerade jetzt Bäume zu blühen beginnen und Früchte reif werden. Die Flammenbäume (Delonix regia) beginnen zu blühen, ein anderer, zartrosa blühender Baum ebenfalls (Name wird nachgeliefert) und auch die duftenden Franchipanibäume sind über und über voll mit Blüten. Die Mango werden immer größer, Zitronen wachsen sogar bei uns im Garten und Papayas gibt es schon seit Monaten. Letztere sind so frisch vom Baum wirklich ein Genuss und mit den Früchten in den Obstabteilungen der Supermärkte in Deutschland nicht zu vergleichen- einen Vorteil müssen wir auch haben.

Als wenn die Hitze nicht schon genug wäre- ringsum wird jetzt beinahe täglich das trockene Gras abgebrannt, in der vergangenen Woche hat es unseren compound betroffen. Plötzlich waren am Nachmittag ringsum meterhohe Flammen und mein erster Gedanke war unser Diesellager. Im vergangenen Jahr wäre es bei dieser Gelegenheit beinahe in die Luft geflogen und es hatte wohl einiger Anstrengungen bedurft, um eine Katastrophe zu verhindern.

Auf Feuerwacht mit Tischler und Feuermeister Mr. Lyabonga

In diesem Jahr hatte ich vorsorglich einen Sicherheitsstreifen hauen lassen und es war richtig schön zu sehen, wie die Feuerwand bis zu diesem Streifen vorrückte, das Feuer nur noch weiterglimmte und mühelos ausgeschlagen werden konnte. Rings um unser Haus/Garten brannte es ebenfalls lichterloh- es war schon ziemlich dramatisch, aber nicht unbedingt gefährlich, wie Beate es empfunden hat, an der Grundstücksgrenze war Schluss.

Am Garten"zaun" war zum Glück Schluss


Ein paar tragische Momente gab es dennoch: in unserem Garten lebte seit ein paar Tagen eine Katzenmutter mit ihren drei kleinen Kätzchen. Sie waren zwar scheu, aber es war immer ganz unterhaltsam, ihnen beim Spielen zuzusehen. Die Jungen haben ein Versteck gesucht und dann ist das Feuer über sie weggegangen. Das war`s dann.

In der Nähe unseres Gartens steht ein alter, hoher Baum, in dem sich in halber Höhe ein Schwarm wilder Bienen eingenistet hatte. Das Wachs ist natürlich geschmolzen und der Baum brannte und brannte- an Löschen war (8-10 Meter hoch!!) nicht zu denken. In der Nacht ist dann der obere Teil des Baumes in unseren Garten gekracht. Es ist nichts passiert, Beate hat es eine schlaflose Nacht beschert, Emma und Charles haben sich am nächsten Morgen über den großen Haufen Feuerholz gefreut. Dicht daneben war in einem anderen Baumstumpf ein weiteres Bienennest. Wir hatten uns schon immer gewundert, woher während der Mangoblüte das Summen ganz in unserer Nähe kam, konnten den Bienenschwarm aber nicht finden. Nun brannte der Stumpf ein paar Tage- schade um den schönen Honig. Das sage ich ganz bewusst, denn ich habe noch nie so aromatischen Honig gegessen wie hier in Afrika, noch ein Vorteil für uns. Der Beste kommt aus Taveta, hier ganz in der Nähe und fast ebenso guter aus Tabora. Aber das ist weit weg- eine Fahrt nach Tabora würde länger dauern als ein Flug nach Deutschland. Doch auch an diese Entfernungen haben wir uns gewöhnt, auch daran, dass irgendwann und irgendwie dieser Honig aus Tabora nach DAR kommt und man ihn irgendwo an einem Stand kaufen kann. Man muss den Stand nur finden.

P.

Tansania in drei Wochen

Drei Wochen war ich gemeinsam mit Vera Gast bei Beate und Peter. Nun erhalte ich die Ehre zu einem Gastbeitrag auf diesem Blog Tansaniaadventure.
Mein Versuch, eine strukturierte Geschichte über die Zeit in Tansania zu schreiben, will mir nicht gelingen. Vielleicht, weil Tansania keine vernünftige Struktur hat, vielleicht aber auch, weil mir die Übung fehlt. Bestimmt das Letztere. Daher die offensichtliche Willkür im Folgenden.

Habari … (Begrüßungen)

Wir mit unserem permanenten Drang zur Beschleunigung scheitern in Tansania schon bei der gegenseitigen Begrüßung. Bei mir war es eine einfache Frage nach dem Weg zum Bahnhof. Irritiert, mit Unverständnis im Blick und sehr zögerlich bekam ich mit einer Geste den Weg gewiesen. Was hatte ich falsch gemacht? In Tansania begrüßt man sich ausführlich!
Nach einer einführenden Frage nach dem Befinden, welche immer positiv beantwortet wird, kommt es zur obligatorischen gleichlautenden Gegenfrage. Diese wird – wie überraschend – natürlich ebenfalls positiv beantwortet. Dann kommen die Fragen nach Familie, Arbeit, Acker usw. Wenn dieser Dialog nach gefühlten fünf Minuten beendet ist, kommt man zum eigentlichen Thema. Das passiert uns u.a. bei einer Polizeikontrolle. Nach dem klassischen einführenden Palaver (übrigens eines der Worte aus dem Swahili, welches den Weg ins Deutsche gefunden hat) stellte der Polizist mit großer Freundlichkeit fest, dass unsere Versicherung abgelaufen sei. Nach 5 € für ihn privat und 10 € für die Versicherung konnten wir weiterfahren.
Was mir noch niemand beantworten konnte, wie funktioniert das hier mit dem Notruf? An welcher Stelle darf ich sagen, dass mein Haus brennt?

Kleiderspenden

Bisher hielt ich diese Sammelcontainer für sinnvolle Einrichtungen.Bisher!
Das Ergebnis unserer Sammlungen sind Kleiderversteigerungen auf den verschiedensten Märkten. Da stehen ca. 5 Männer auf der Ladefläche und bieten den unten stehenden Landsleuten laut durcheinander schreiend die Kleidungsstücke an. Der Höchstbietende bekommt dann das Kleidungsstück zugeworfen und weitere, zum Auktionsteam gehörende Männer, kassieren das Geld sofort ein. Wenige Meter von dieser Auktion sitzen die Verkäufer und Verkäuferinnen ohne Kunden vor ihren Geschäften. Ebenfalls daneben sitzen Näherinnen mit ihren Singer-Nähmaschinen und warten vergeblich auf Kundschaft. Mit unseren „Spenden“ aus Europa und Amerika können nicht einmal die geringen tansanischen Lohnkosten konkurrieren.
Wir Europäer zerstören auf diesem Weg die Möglichkeit zum Aufbau einer Eigenversorgung und damit den Weg zur Selbstständigkeit. Die Abhängigkeit von Europa und Amerika – die wir zu jeder Gelegenheit beklagen - zementieren wir einfach.

Kontrollierter Anbau

Nachdem wir „Teakmöbel aus kontrolliertem Anbau“ und mit dem entsprechenden Gütesiegel in Deutschland kaufen können und glauben, auch noch einen Beirag zur Industrie in Afrika geleistet zu haben, bekommt man in Tansania einen wunderbaren Einblick in die Bedeutung dieser Errungenschaft.
Kontrollierter Anbau bedeutet kontrolliertes Abholzen des Altbestandes. Kontrolle beginnt mit einer Brandrodung. Nachdem auch das letzte Tier, welches nicht rechtzeitig flüchten konnte, hier sein kontrolliertes Ende gefunden hat, werden mit fast schon deutschem Ordnungssinn in einem Abstand von 1,80 Meter die Teakbäume gesetzt. Dem so entstehenden Wald ist anzusehen, dass sich hier nicht mehr viel ansiedeln wird. Dafür ist den klaren Linien dieser Monokultur zu erkennen, dass das Einzige was hier noch Fortschritte machen wird, die Bodenerosion ist.

Sauber! oder wie der Tansanier sagen würde „Safi!“.

Hilfe für Afrika

Seit vielen Jahren fließen Millionen von Fördermitteln nach Tansania. Allein Deutschland hat seit 1962 insgesamt 1,6 Millarden EURO (€ 1.600.000.000,00) an Entwicklungshilfe überwiesen. Für die Jahre 2009 bis 2011 sind ebenfalls ca. 50 Millionen EURO Entwicklungshilfe pro Jahr zugesagt. Dazu kommen jährlich noch einmal ca. 10 Millionen EURO Budgetunterstützung.

In zwei Jahren ist Jubiläum! 50 Jahre Entwicklungshilfe für ein Land, bei dem die Entwicklungshilfe ca. 40% des Staatsbudgets ausmacht. Auch wenn das Land aus unserem Blickwinkel stabil wirkt, scheint hier die Entwicklungshilfe die regelmäßige Portion Beruhigungsmittel zu sein.

Sicher fehlt mir hier Hintergrundwissen! Aber es erscheint nicht zu funktionieren – das mit der Entwicklungshilfe. Nach 50 Jahren sollten vielleicht Mittel und Wege neu durchdacht werden.

Die tote Mutter und die Toilette

Im Krankenhaus in Lugala starb eine junge Frau. Niederschmetternd daran ist, dass die schwangere Frau und ihr ungeborenes Kind verstorben sind, weil kein Fahrzeug verfügbar war um sie rechtzeitig ins Krankenhaus zu bringen. Sie hatte seit dem Vorabend auf ein Fahrzeug gewartet. Wenige Minuten nach ihrem Eintreffen im Krankenhaus starb sie. Ursache war eine Uterusruptur. Bei der Einlieferung befand sie sich im haemorhagischen Schock. Sie hinterlässt drei kleine Kinder.

Am gleichen Morgen, kurz nach dem Tod der Frau, fuhren im Krankenhaus zwei Wagen ein. Eine Delegation des Distrikts, politische Vertreter der Division, Parteivorsitzende, der Hygienebeauftragte des Distrikts und die Polizei. Diese Delegation hatte ein gravierendes Problem zu lösen.
Eine Woche vorher wurden im Gästehaus des Krankenhauses „Staatsgäste“ beherbergt. Diese Gäste mussten tatsächlich, während sie auf der Toilette des Gästehauses saßen, auf eine mit Ölfarbe gestrichene Wand sehen. Gerade ein tansanischer Staatsgast hat das Recht auf eine 1,50m hoch gekachelte Wand zu schauen, während er auf der Toilette sitzt. Am Nachmittag kamen dann zwei weitere Staatswagen, diesmal um die Konstruktion zweier Außentoiletten abzustimmen.

Prioritäten?

Abschluss

Was auch immer in diesem Beitrag steht, Tansania ist ein wunderschönes Land. Der Boden ist fruchtbar, die Tierwelt ist reichhaltig und die Menschen sind grundsätzlich freundlich und wohlwollend.

Hallo Beate, Hallo Peter,
vielen Dank.

Uwe

Montag, 8. November 2010

Teakholz...

... aus ökologisch zertifiziertem Anbau – dieses Gütesiegel suggeriert kontrollierte Bewirtschaftung der Wälder und beruhigt das umweltbewusste Gewissen der tropenholzliebenden Konsumenten. Holzanbau und - einschlag erfolgen sicher unter als ökologisch anerkannten Kriterien, doch zu welchem Preis?

Die Realität sieht so aus:

In Mikumi verlässt man den sogenannten Tanzania-Sambia-Highway, eine stark befahrene Trasse von Dar Es Salaam nach Lusaka und erreicht nach knapp 3 Autostunden die kleine Stadt Ifakara am Ufer des Kilombero. Bis dahin führt eine überwiegend schlechte Straße mit tiefen Schlaglöchern und wenigen asphaltierten Abschnitten. Aber die Strecke ist abwechslungsreich, man fährt durch bewaldete Hügellandschaft, vorbei an Zuckerrohrplantagen und Reisfeldern, tangiert den Udzungwa Nationalpark, urwaldreiche Berge mit imposanten Wasserfällen und erlebt bunte afrikanische Vielfalt in den Dörfern entlang des Weges.

Im Gegenverkehr befinden sich nicht nur Überlandbusse, Reistransporter und Bier/Cola-LKW, sondern auch schwerbeladene Holztransporter.

Nachdem man mit der Fähre glücklich übergesetzt hat, folgen bis Lugala weitere vier Autostunden über - je nach Jahreszeit - staubige oder matschige Piste und über teilweise abenteuerliche Brücken, alles inzwischen von schweren Holztransportern ramponiert. Auch diese Strecke führt durch waldreiches Gebiet, allerdings sind vom ursprünglichen typischen Regenwald mit all seinem Artenreichtum nur noch wenige Abschnitte übrig geblieben. Den größten Teil des Weges säumen inzwischen großflächig angepflanzte und eingezäunte Teakplantagen. Dort wo diese in Reih`und Glied stehenden Bäume in den Himmel ragen, wuchs über Jahrhunderte dichter und auch während der Trockenzeit grüner Wald – und wurde abgebrannt. Riesige Flächen Wald sind verschwunden und damit auch alle dort lebenden Tiere. Der Teak“wald“ ist stumm. Die typischen Geräusche des tropischen Waldes, ein permanentes Pfeifen, Zwitschern, Zirpen, Zischen – nichts ist zu hören. Nur ein paar Affen streunen noch herum.

Die schnell wachsenden, großblätterigen Teakbäume entziehen mit ihrem enormen Wasserverbrauch dem Boden das Wasser und sorgen mit dieser Austrocknung für eine weitere Verschlechterung der ohnehin schwierigen Wasserversorgung. Man muss ja nicht gleich jeden Wald zum Nationalpark erklären und keinerlei Bewirtschaftung zulassen, doch diese großflächige Zerstörung eines intakten Ökosystems ist einfach unverantwortlich.

"Wald" ohne Leben - Teakplantage

Wie so oft, fließt viel Geld in die Taschen weniger Leute. Ein paar Tagelöhner verdienen für schwere Arbeit ein paar Schillinge und müssen dabei ihr eigenes Land ruinieren.

B.






Dienstag, 26. Oktober 2010

Die letzten Wochen im Rückblick - Besucher, Wahlkampf und andere Erlebnisse

Mitte September waren 6 Mitglieder des Lugala-Arbeitskreises, der das Hospital seit 20 Jahren engagiert unterstützt, zu Gast. Ohne diese vor allem finanzielle Hilfe wäre eine Versorgung der Patienten mit Medikamenten nicht möglich. Jetzt hatten die Besucher reichlich OP-Material, diverse Geräte u.a. einen neuen Akkuschrauber für den OP und auch einige kulinarische Köstlichkeiten für uns im Gepäck.

Unsere Hauptbeschäftigung der Tage zuvor bestand im Aufräumen, Auspacken und Sortieren. Bettwäsche, Handtücher, bestimmt tausend (!) Waschlappen aus früheren Sendungen– alles wartet seit Monaten in Kisten und Kartons auf Benutzung. Auf die Frage, warum es nicht auf den Stationen verteilt wird, bekommen wir zu hören, dass es dann verschwindet. Wird es nicht verteilt, nützt es auch niemandem, doch das ist den Nurses egal. Lieber lässt man die Dinge ungenutzt verrotten, als dass man es den wirklich Bedürftigen gönnt. Nehmen sie ein Handtuch mit in ihre Lehmhütte, dann ist der Zweck doch genauso erfüllt. Die Waschlappen verteilen wir jetzt an die vielen Mütter mit ihren Kindern, sie sind dankbar und freuen sich darüber.

Fahrten nach Dar es Salaam sind stets mit diversen Einkäufen verbunden, neben Medikamenten und Laborbedarf müssen Büromaterial, Reinigungsmittel, Ersatzteile und Verbrauchsmaterialien aller Art besorgt werden. Außerdem fährt man nie allein, es gibt immer Fahrgäste, die morgens vor der Tür stehen, diesmal hatten wir noch Patienten zur Weiterbehandlung im Muhimbili-Hospital an Bord und Reissäcke, die uns von Mitarbeitern für ihre Angehörigen in der Hauptstadt mitgegeben wurden. Die erwartete Ankunft unserer Gäste am Montagabend bot uns Gelegenheit für ein Wochenende auf Sansibar. Nach all dem täglichen Trubel ist so eine kleine Auszeit sehr erholsam, abgesehen von den ständigen sms mit Wünschen, was ganz plötzlich fehlt und wir unbedingt noch mitbringen müssten, wie Batterien, Druckerpatronen u.ä..

Während der beiden Einkaufstage in Dar hatten wir insgesamt 3 Reifenpannen, glücklicherweise beim Gästehaus der Kapuziner, unserem Stammquartier in Dar. Dort hat ein freundlicher Helfer die Reparaturen übernommen. Die bereits mehrfach geflickten Schläuche müssen einfach irgendwann mal ersetzt werden. Die klimatischen Bedingungen und Straßenverhältnisse sind schon eine besondere Härte für Mensch und Material. Auf der Fahrt nach Lugala gab es für die Gäste einen Zwischenstopp mit Besuch beim Bischof in Ifakara. Außerdem erreichte uns die Bitte, doch noch 2 neue Matratzen für das Gästehaus mitzubringen. Also wurde Strick besorgt und auf dem übervoll beladenen Auto mit reichlich Gepäck auf dem Dach fanden auch noch 2 Matratzen Platz. In Deutschland dürfte man mit einer solchen Ladung wohl keiner Verkehrskontrolle begegnen.

An den folgenden Tagen haben sich die Besucher- Pfarrer, medizinisches Personal und ein Verwaltungsfachmann - ihr Betätigungsfeld im Hospital gesucht. Das 20 jährige Bestehen der Partnerschaft wurde mit einem bunten Abend mit vielen Bildern aus den vergangenen Jahren, gegenseitigen Geschenken, mit Cola, Brause und Erdnüssen unterhaltsam und würdig gefeiert.

Peter war dann mit der Gruppe in unserer Dispensary in Tanganyika Mazagati, die wir während der Regenzeit schon einmal besucht hatten. Dort mussten unbedingt Reparaturen an den Gebäuden vorgenommen werden, die nur jetzt zur Trockenzeit möglich sind. Keiner hat sich bei diesem Arbeitseinsatz geschont und das Gebäude erhielt neben den notwendigen Reparaturen vor allem eine Grundreinigung und frische Farbe – so ordentlich hat es wohl noch nie dort ausgesehen. Übernachtet wurde in Taveta. So verband dieser dreitägige Ausflug tief in den afrikanischen Busch das Angenehme mit dem Nützlichen.

Während dieser Zeit hatte das Hospital (Kontroll-) Besuch der Chefärztin des Distrikts, einen Tag später kam die Gesundheitsministerin, denn es ist Wahlkampf. Diese Gelegenheit sollte genutzt werden, um einmal mehr die Bedeutung des Hospitals herauszustellen. Die prekäre finanzielle Situation hat ihre Ursache auch darin, dass die Regierung nur Personal für ein 60- Betten-Krankenhaus anerkennt und nur dafür Gehälter zahlt. Im Laufe der Jahre ist die Bettenzahl auf das Doppelte gestiegen, zeitweise reichen auch diese nicht aus und natürlich ist mehr Personal als in den Anfangsjahren beschäftigt. Außerdem werden jährlich 15000 Patienten ambulant betreut. Somit ist die Einrichtung ein von der Bevölkerung hochfrequentiertes ländliches Krankenhaus und garantiert eine medizinische Grundversorgung für über 100000 Einwohner. Trotzdem hat es nicht den Status eines Distriktkrankenhauses, für welches mehr Personal bezahlt wird, denn dieses gibt es in Mahenge, ca. 6 Autostunden entfernt, für viele Menschen zur Regenzeit quasi nicht erreichbar. Die Ministerin nahm es zur Kenntnis, mehr nicht. Erfolg bleibt also fraglich, vielleicht dazu an anderer Stelle mehr. Jedenfalls musste für den hohen Besuch das Gästehaus komplett geräumt werden, gut dass es mit dem Ausflug unserer Lugala-Arbeitskreis-Gäste zeitlich geradeso klappte. Katharina und Kurt, zwei deutsche Studenten, die im Hospital ein Praktikum absolviert haben, mussten ebenfalls ausziehen. Die beiden habe ich kurzerhand bei uns einquartiert, so war ich wenigstens nicht allein und während unserer nachfolgenden Abwesenheit hat jemand das Haus bewohnt.

Der Verabschiedung der Lugala-Arbeitskreis-Besucher in Dar folgte die Begrüßung unserer privaten Gäste: Vera und Uwe. Die beiden durften dann auch gleich den msd-Einkauf erdulden, bevor der „Erlebnisurlaub“ am nächsten Morgen beginnen sollte. Wir hatten die Hauptstadt gerade verlassen, als plötzlich ein Stein durch die Windschutzscheibe fliegt. Doch Glück im Unglück: es gab keinen Personenschaden und dank Sonnenbrille ging auch nichts in`s Auge. Die Leute erzählten, dieser Verwirrte wirft öfter Steine….

Glück im Unglück

Mit Rollenpflaster wird der Rest notdürftig zusammengehalten, in der Toyota-Werkstatt eine Ersatzscheibe eingebaut, eine neue muss aus Südafrika beschafft werden. Auf dem Gelände der Werkstatt hörten wir ein eindeutiges Zischen, die nächste Reifenpanne, wie passend.

Schon auf dem Weg zu unserem abendlichen Etappenziel Mikumi begrüßen uns Giraffen und Zebras. Der Besuch im Park brachte diesmal ein besonders schönes Erlebnis: wir haben ein gerade geborenes Impalababy entdeckt und konnten beobachten, wie es immer wieder versucht, auf seinen wackeligen Beinen zu stehen – und es doch noch nicht schafft, allerliebst!

Noch keine Stunde auf der Welt

Am nächsten Morgen macht uns der Lodge-Inhaber freundlicherweise auf einen platten Reifen aufmerksam, Nr.5. Wir hatten uns dort ohnehin mit einem nach Dar fahrenden SolidarMed –Mitarbeiter verabredet, also übernimmt dessen Fahrer für uns die Reparatur und kauft neue Schläuche, wir erledigen in der Zwischenzeit unsere Formalitäten. Die Tagesetappe ist außerdem nur kurz, unser Ziel sind die Udzungwa-Berge. Eine Tageswanderung führt uns durch schattigen Urwald zu den Sanje-Wasserfällen, von den dort lebenden kleineren Buschelefanten sehen wir allerdings nur die Hinterlassenschaften.








Erfrischung im Urwald an den Sanje-Wasserfällen, 170 m hoch, jetzt in der Trockenzeit nur wenig Wasser

Die Weiterfahrt nach Lugala verläuft ohne Zwischenfälle, keine Reifenpanne, auch die Fähre ist intakt. Schon bei unserer Ankunft nehmen wir einen merkwürdigen und doch eindeutigen Geruch war und wir vermuten ein verwesendes Tier im angrenzenden Feld. Beim Wäsche aufhängen am nächsten Tag bemerke ich ein buntes Tuch im Baum hinter dem Garten. Bei näherem Hinsehen bestätigt sich die Vermutung, dass dort jemand ist und ich denke kurz, jetzt werden wir auch noch von dieser Seite beobachtet – die Leute stehen sonst nur auf der Straße vor dem Haus und gucken – aber er bewegt sich nicht. Peter geht näher und meint, dort hängt jemand. Wir holen Peter Hellmold und benachrichtigen Polisi Steven. Man weiß inzwischen, dass es ein seit 4 Tagen vermisster Patient war. Er muss von seinen Verwandten identifiziert werden und soll, da man ihn nicht mehr in die Leichenhalle transportieren kann, solange dort hängen bleiben. Die Familie wohnt 40 km weg, das bedeutet: Hängenbleiben bis zum nächsten Tag. Mit dieser Gewissheit und dem immer stärker werdenden Gestank ist es keine angenehme Nacht. Am Sonntag kommen die Angehörigen und schaufeln direkt unter ihm ein Grab, eine andere Bestattung war nicht mehr möglich. Charles meldet sich am Montag krank, er hat sicher nicht verkraftet, dass er sich im Garten beschäftigt hat, ohne etwas zu bemerken.

In der folgenden Woche sortiere ich mit Vera Bücher für die Bibliothek, Uwe widmet sich den virenverseuchten Computern unseres „Internetcafés“. Zeit für Fahrradtouren, Ausflüge nach Malinyi, Biro oder zum Furua und Lesen bleibt für die beiden natürlich auch.

Auf dem Weg nach Biro

Die geplante Fahrt mit der TAZARA zurück nach Dar fällt leider aus, die angekündigten 14 h Verspätung, es können durchaus noch mehr werden, sind auch für tanzanische Verhältnisse ein bisschen viel. Außerdem erwartete uns dann eine Nachtfahrt und das heiße, staubige Ifakara ist nicht gerade eine attraktive Metropole, um sich dort die Zeit zu vertreiben. So fahren wir gemeinsam mit Kuandika im Auto in die Hauptstadt, er kauft diverse Ersatzteile für Hospitalfahrzeug, Traktor und Generator sowie zwei neue Reifen für unser Auto, damit wir für die nächste Regenzeit gerüstet sind. Wir gönnen uns ein Eis, für uns inzwischen Luxus, den es außerhalb der großen Städte nicht gibt. Für Kuandika war es das erste Eis seines Lebens.

Gemeinsam mit Vera und Uwe verbringen wir eine Woche in einer Strandlodge bei Pangani am Indischen Ozean. Ein Ausflug führt uns nach Tanga, drittgrößte Hafenstadt in Ostafrika mit deutscher Geschichte, morbidem Charme und angenehmer Athmosphäre. Wir werden dort bestimmt noch einmal hinfahren.

Ehemaliges dt. Krankenhaus - dank Spendengeld aus Deutschland mit neuem Dach vor dem Verfall gerettet, doch wird es weiter ungenutzt bleiben müssen








Für uns ist dies die erste komplette Urlaubswoche seit 7 Monaten. Dabei erreichen uns die obligatorischen sms, was aus Dar noch alles mitzubringen sei. So begeben wir uns nach der Verabschiedung am Flughafen wieder auf Einkaufstour, wollen die beim letzten Mal nicht vorrätigen Medikamente besorgen, die es leider auch diesmal nicht gibt und brechen wieder nach Lugala auf. Unterwegs haben wir den nunmehr 6. Platten, diesmal im Busch. Es reicht. Freundliche Helfer bugsieren das kaputte Rad auf`s Dach und wir erreichen Lugala noch vor Einbruch der Dunkelheit. Das Haus ist total verstaubt, so hat Emma am Montag reichlich zu tun.

Es wird von Tag zu Tag heißer, das Thermometer im Haus zeigt jetzt 35 Grad, alles ist vertrocknet und der Staub lästig. Einmal Regen wäre jetzt nicht schlecht, darauf müssen wir noch bis Ende November warten.

Donnerstag, 7. Oktober 2010

Ein Scheck unterwegs

Am Ende eines jeden Quartals muss unsere Internetgebühr bezahlt werden, etwas über eine halbe Mio. Schilling. Das ist viel Geld, nicht nur für unser von Finanzsorgen geplagtes Hospital- aber der Anbieter in Arusha ist Monopolist, bestimmt die Preise und ist nicht gerade kundenfreundlich. Das Hospital hat bei der National Mikrofinance Bank (NMB) ein Konto, online-Banking wird nicht angeboten, so erfolgt die Bezahlung von Rechnungen per Scheck.

Für die Bezahlung der Internetgebühr wird in Lugala ein Scheck ausgefüllt- wie immer- Dr. Hellmold und Mr. Moses unterschreiben. Der Scheck muss nun nach Ifakara gebracht werden- dafür muss man jemanden finden, der nach Ifakara fährt und den Scheck mitnimmt. Das gelingt auch, doch nach ein paar Tagen wird der Scheck wieder nach Lugala gebracht: die Unterschriften stehen nicht an der richtigen Stelle. Die vorherigen Schecks waren genauso unterschrieben- diesmal stehen die Unterschriften eben nicht an der richtigen Stelle, deshalb: ein neuer Scheck. Ein Freund unseres Fundi Kuandika will nach Ifakara fahren- Kuandika bekommt einen Umschlag mit dem neuen Scheck und soll ihn mitgeben. Einige Tage später, wir sind mittlerweile in Dar es Salaam, um Gäste des Lugala-Arbeitskreises vom Flughafen abzuholen, erhalten wir einen Anruf von Mr. Matimbwi, dem Solarstromexperten, der schon seit einigen Jahren nicht mehr im Hospital arbeitet. Er informiert uns über einen Anruf aus Arusha: es wurde noch immer kein Geld überwiesen und der Internetzugang soll gesperrt werden. Kritik wird hier nie direkt ausgesprochen, sondern immer über Umwege angebracht, in diesem Falle über den ehemaligen Mitarbeiter. Eine Nachfrage bei Kuandika: ja, ja sein Freund hat den Scheck mitgenommen. Noch eine Nachfrage: hat er den Scheck abgegeben? Nun ist der Freund per Celfon nicht zu erreichen.

Ein kleiner Einschub: am nächsten Morgen soll ein Mitarbeiter mit dem Bus nach Moshi fahren, um 50 kg Natriumchlorid und 25 kg Dextrose für die Infusionsabteilung zu kaufen. Abfahrt ist 4 Uhr in Malinyi/Lugala, dann ca. 12 Stunden bis Chalinze, übernachten, am nächsten Tag noch einmal etwa 10-12 Stunden bis Moshi. Dort am übernächsten Tag die Chemikalien einkaufen und in gleichen Etappen zurück nach Lugala, immer mit 75 kg Gepäck.

Wir erfahren, dass Kuandika den Scheck vergessen und ihn diesem Mitarbeiter mitgegeben hat. Dieser hat den Scheck dann einem Fahrgast, der in Ifakara aussteigt, weitergereicht, mit der Bitte, den Umschlag bei SolidarMed abzugeben. Ein Mitarbeiter erledigt die Bankgeschäfte für unser Hospital. Wieder eine Nachfrage: dort ist der Scheck nicht angekommen, er soll sich aber in Ifakara befinden. Wir veranlassen telefonisch, dass unser Kontrollabschnitt aus dem Scheckbuch gescannt und nach Arusha gesendet wird. Einigermaßen erfreulich ist, dass unsere Internetverbindung nicht abgeschaltet wurde. Wie alles hier, wird es erst einmal angekündigt, Taten folgen selten - weder im positiven noch im negativen Sinne. Ob der gescannte Kontrollabschnitt die Firma beruhigt hat oder das Geld überwiesen wurde, wissen wir ein paar Tage später noch immer nicht.

Wenig später erhalten wir von SolidarMed die Nachricht, dass der Scheck eingetroffen ist, bei der Bank eingereicht und nun mit den Unterschriften akzeptiert wurde. Fortsetzung folgt.

Donnerstag, 2. September 2010

Neue Herausforderungen

Vor ca. 4 Wochen wurde eine vom Kreiskrankenhaus Torgau gespendete Röntgeneinheit, die einem Container beigestellt war, nach Lugala geliefert. Dieses moderne und leistungsfähige Gerät mit diversem Zubehör war in insgesamt 4 großen Holzkisten sicher verstaut und sollte nun endlich ausgepackt werden. Für solche Aktionen ist nur am Wochenende Zeit und so hatten sich am Samstag einige neugierige Helfer eingefunden. Die Kollegen der Sangerhäuser Holzbaufirma hatten schöne Kisten gezimmert und es mit dem sicheren Verschluss besonders gut gemeint. Es wurden unendlich viele Torx-Schrauben verwendet, für die zum Befestigen und Lösen ein spezielles Werkzeug benötigt wird. Wer hat so etwas im afrikanischen Busch? Natürlich der Hospitalverwalter mit seinem Akku-Bohrschrauber und den für die Torx-Schrauben passenden Bits. Der Akkuschrauber hatte schon des öfteren seine Bewunderer und in unserem versierten Hospitalfundi Kuandika einen Liebhaber gefunden. Für besondere Arbeiten bekommt er das Gerät leihweise und hatte es zwischenzeitlich schon in seinem für hiesige Verhältnisse gut ausgestatteten Werkzeugschrank einsortiert. Auch im OP wird ein solches Gerät aus einer früheren Spendenlieferung verwendet. Von diesem ist leider das Ladegerät defekt und so diente unser Gerät auch schon zum Knochen verschrauben. Für den OP erhoffen wir uns baldige Abhilfe, der Besuch einiger Lugala-Arbeitskreis-Mitglieder steht unmittelbar bevor, sie werden sicher einen Akku-Schrauber im Gepäck haben.
Die beiden Peter haben sich bei diesem Einsatz nicht geschont und damit wieder einmal Personal und Patienten beeindruckt. Leider gibt es nicht einmal ein Foto. Wir hatten vergessen, die Akkus des Fotoapparates aufzuladen und die hier erhältlichen Batterien sind schon untauglich, bevor sie überhaupt ausgepackt werden, man braucht sie also gar nicht erst zu kaufen.

Für Aufbau und Inbetriebnahme der kompletten Anlage warten wir nun auf einen Monteur aus Dar es Salaam.

Während dieser Zeit habe ich für den örtlichen Polisi Steven ein aus 50 A4- Seiten bestehendes Lehrbuch 20-fach kopiert. Unser Kopierer ist zwar ein recht komfortables Gerät, doch ohne automatischen Einzug. Jedes Blatt muss einzeln eingelegt und gewendet werden, so war das Ganze recht umständlich und zeitaufwändig. Auch so etwas ist nur am Wochenende möglich, an einem normalen Arbeitstag gleicht unser Büro einem Taubenschlag. Einen Kopierer gibt es hier natürlich weit und breit nicht, so dass dieser Büroservice ebenso wie unsere Internetverbindung in der Bibliothek gern in Anspruch genommen wird und für das Hospital eine bescheidene Einkommensquelle geworden ist.

Am Nachmittag habe ich mich als Fahrlehrer betätigt. Dem Hospital gehören 3 Motorräder, mit denen unsere Medical Officer zur Patientenbetreuung ab und zu über Land fahren. Das staatliche Programm zur Gesundheitsvorsorge sieht vor, dass auch Nurses zum so genannten outreach fahren und in den Dörfern Sprechstunden und gesundheitliche Aufklärung zu Ernährung, Säuglings- und Kinderpflege, Schutz vor HIV, Malaria usw. anbieten. Bisher wurden die Nurses mit dem Auto gefahren, Auto samt Fahrer waren damit den ganzen Tag blockiert, Patiententransporte nicht möglich. Nun haben wir für diesen Zweck ein Moped. Das steht seit einem Monat ungenutzt herum, denn keiner der Nurses kann mit diesem pikipiki fahren, jemand muss es ihnen beibringen. Ich habe mich dazu bereit erklärt und natürlich vorher selbst eine Runde gedreht, schließlich habe ich seit mehr als 25 Jahren nicht mehr auf einem Moped gesessen, höchstens als Sozius bei Jens auf seinem S50. Damals war es meine Schwalbe, diesmal eine kleine, aber wie ich finde, relativ schwere Honda 50. Das einstmals vertraute Fahrgefühl war trotz dieser langen Fahrpause schnell wieder da.

Wir hatten uns 16.00 Uhr auf dem zum Hospital gehörenden Airstrip verabredet. Natürlich kam eine gefühlte Ewigkeit niemand und ich hatte schon in Erwägung gezogen wieder zu fahren, denn mittlerweile kam ich mir vor, wie der Affe im Zoo oder besser die Giraffe im Nationalpark, vor allem unzählige Kinder bestaunten die Mzungu-Frau mit dem pikipiki. Doch dann kamen sie – Mama Chogo, Prisca und Rose – in ihren Flip Flops und bunten Kangas.

Erste Bekanntschaft mit dem Pikipiki

Trotz dieser absolut ungeeigneten Fußbekleidung konnten die drei nach kurzer Einweisung und kleiner Vorführrunde mit dem Moped fahren, das Schalten war mit den Badelatschen natürlich schwierig. Die übereinander getragenen Kangas waren hinderlich und nach kurzer Zeit abgelegt. Das wichtigste: es macht ihnen Spaß und sie möchten auch wirklich selbst fahren – mal sehen. Theoretischen Unterricht und eine Prüfung gibt es nicht. Wenn wir der Meinung sind, es kann allein losgehen, dann kaufen wir für 5000 TSh (ca. 2,70 Euro!) eine Lizenz zum Fahren für das pikipiki und los geht´s. Nun üben sie jeden Tag, jede mit unterschiedlichem Geschick – aber alle mit Turnschuhen.

Mama Chogo in Aktion

Mit Prisca bin ich die 5 km in`s Dorf sogar schon als Sozius zurückgefahren, allerdings in der hier bei den Frauen üblichen seitlichen Sitzhaltung, damit ich notfalls abspringen kann… Heute Nachmittag geht es weiter.

Rose mit Freude am Fahren

Rose war die eifrigste, fuhr jeden Tag ein paar Runden auf dem Hospitalgelände, hat sichtlich viel Freude am Fahren und war eine Woche nach der ersten Fahrstunde allein über Land unterwegs. Der Radius beschränkte sich natürlich erst einmal auf 5 km, doch dieses Ereignis war hier schon etwas Besonderes und Rose zu recht stolz auf sich.


Dienstag, 24. August 2010

Wie spät ist es?

Einen Wecker brauchen wir hier nicht. Noch in der Dunkelheit beginnen alle Hähne des Dorfes zu krähen, spätestens dann ist für uns die Nacht zu Ende. Zum Glück gibt es Ohropax für denjenigen, der damit schlafen kann– ich kann es nicht.

Zwischen 06.00 und 07.00 Uhr geht die Sonne auf, jahreszeitliche Unterschiede gibt es ein paar Grad südlich des Äquators nicht – und deshalb ist es auch jeden Tag 19.00 Uhr wieder dunkel. Nach diesem täglich gleichen Verlauf richten sich die Zeitangaben in Tanzania. Natürlich hat auch hier ein Tag 24 Stunden, doch beginnt die Stundenzählung des Tages zum Sonnenaufgang mit Stunde 0 bzw. weil es das Ende der Nacht ist, nach Stunde 12. Nach unserer Zeitrechnung ist es dann 06.00 Uhr. So werden die 12 Stunden des Tages bis zum Einbruch der Dunkelheit gezählt und wiederum mit Stunde 0, bzw. 12 beginnt die Nacht, also 18.00 Uhr MEZ. Wenn notwendig, folgt zur eindeutigen Zeitangabe der Zusatz siku für tags und usiku für nachts, wie im Englischen mit a.m. und p.m.

Damit noch nicht vertraut, hatte uns der schon bei der Anmeldung nach Deutschland übermittelte Stundenplan der Sprachschule verblüfft – der Unterricht begann täglich SAA 02.00. Darauf konnten wir uns zunächst keinen Reim machen, denn auch die nachfolgenden Pausen- und Endzeiten passten natürlich nicht in unser MEZ-Schema. Wir fanden es sehr ungewöhnlich, SAA 04.00 zur Frühstückspause zu gehen, SAA 06.30 von Mittagessen zu sprechen und SAA 10.00 Schulschluss zu haben.

Inzwischen schon Geschichte: Ankündigung der Übertragung des WM Halbfinalspiels ...

für uns war es 21.30 Uhr.

Wenn hier Verabredungen getroffen werden, macht man das mit den Einheimischen grundsätzlich nach Kiswahili – Zeiten, etwas anderes kennen sie schließlich nicht.

Besuchszeiten zur Versorgung der Patienten

an die sich die Angehörigen so ungefähr halten, da es schließlich morgens, mittags und abends die üblichen Essenszeiten sind.

Im Hospital werden Termine im Allgemeinen mit den uns geläufigen MEZ-Angaben vereinbart, denn das HMT – Hospital Management Team, dem auch wir angehören, spricht englisch.

Es gibt im ländlichen Sprachgebrauch einige für uns amüsante Umschreibungen für Zeitangaben, die nach den üblichen Aktivitäten zur jeweiligen Tageszeit benannt werden, wie „bring die Herde auf die Weide“ (gegen 08.00 Uhr), „bring die Herde nach Hause“ (spätestens 17.00 Uhr), „ist das ein Mensch oder was ist das?“ bezeichnet man die Zeit zwischen Sonnenuntergang und Dunkelheit, wenn man kaum etwas erkennen kann oder „der Topf steht auf dem Feuer“, dann ist es gegen 19.00 Uhr, wenn das Abendessen gekocht wird.

Schon diese vagen Deutungen zeigen, dass Zeitangaben hier eigentlich nichts wert sind oder bestenfalls der groben Orientierung dienen. Ist für 13.00 Uhr ein HMT-Meeting vereinbart, beginnt es niemals vor 14.00 Uhr, irgendwann trudeln alle ein und das endlose Palaver beginnt. Für uns war das eine große Umstellung, vor allem für den Pünktlichkeitsfanatiker vom Rechnungshof.

Zeit spielt für einen Tanzanier keine Rolle. Eine Uhr hat ohnehin kaum jemand und Zeit haben hier alle, wenn auch sonst nichts weiter - im Überfluss.

Sonntag, 8. August 2010

Eine Woche Urlaub

Nach einem kurzen aber wie ich finde, wohlverdienten Urlaub hat auch mich der Alltag in Lugala wieder. Lange hatte ich mich auf Claudias Besuch gefreut, dann sind die knapp drei Wochen mit ihr wie im Flug vergangen. Bis zum letzten Tag ihrer Abreise aus Deutschland wussten wir nicht einmal, ob sie tatsächlich kommen würde. Mit unseren Unternehmungen hier in Lugala waren wir natürlich sehr eingeschränkt, Radtouren durch die Buschdörfer und unsere geplante Regenwaldwanderung durch die Udzungwa-Berge mussten ausfallen. Doch wichtig war vor allem, dass wir die Zeit gemeinsam verbringen konnten. Außerdem war ich hier ohnehin noch in der Pflicht, da Quartalsabrechnungen erledigt werden mussten und wenn wir in Lugala anwesend sind, sind wir sowieso immer im Dienst - vor allem Peter, der auch schon mal nachts aus dem Bett gerufen wird, weil das Hospitalauto mit leerem Tank abgestellt wurde, man aber dringend einen Patienten holen muss. So hat Claudia eine ganze Menge Hospitalalltag erlebt.

Mit Charles als stolzem Chauffeur waren wir auf Spazierfahrt am Furua. Allein hätten wir uns in dem weitverzweigten Wegenetz durch die – jetzt trockene – Sumpfebene wohl hoffnungslos verirrt. Es ist ein idyllischer Platz und Charles meint, abends kämen Elefanten zum Fluss.


mit Charles am Furua

Unsere Weiterreise begann dann schon ein bisschen abenteuerlich. Peter brachte uns nach Ifakara und wollte nach unserer Zugabfahrt am nächsten Morgen samt Geldboten und dringend benötigter Reifen zurück nach Lugala fahren. Elisabeth Rotzetter, Leiterin des SolidarMed-Büros in Ifakara hatte noch brauchbare Reifen, die unsere „Glatzen“ vorerst ersetzen sollten. Eine ungewöhnlich lange Autoschlange am Kilombero machte uns stutzig, wenig später die Gewissheit – die Fähre ist kaputt. Wann sie wieder einsatzbereit sein würde, wusste niemand, repariert wurde schon seit geraumer Zeit. Die Fischer nutzten natürlich die Gunst der Stunde und setzten die Leute gegen ein Mehrfaches des Fährpreises mit ihren Einbäumen über.

im Einbaum über den Kilombero

Ganz ungefährlich ist das nicht, es gibt Krokodile und Nilpferde, doch denen war der Trubel an diesem Tag wohl zu groß. Wir haben jedenfalls keine gesehen. Es blieb uns schließlich keine andere Wahl, den Fluss ebenso zu überqueren, wollten wir wie geplant mit der TAZARA (Tanzania-Zambia-Railway) am nächsten Morgen nach Dar Es Salaam fahren. Der Zug fährt zweimal wöchentlich, mitgenommen wird man nur mit platzreservierten Fahrkarten. Für einen Platz in einem der vier 1.Klasse-Waggons im Stil DR 80-er Jahre und ziemlich verschlissen, sollte man die Fahrkarte wenigstens 14 Tage vorher kaufen, will man nicht in der überfüllten Holzklasse zwischen Menschen, Hühnern, Reissäcken und sonstigen überdimensionalen Gepäckstücken und Bündeln schwitzen.
Mit Elisabeth war schnell vereinbart, Geldbote und Reifen werden zum Ufer gebracht, mit Einbaum übergesetzt und Peter fährt mit beiden/m zurück. Die Vorstellung, dass Peter in der Dunkelheit mit seiner wertvollen Fracht durch die Wildnis nach Lugala fährt, war mir unheimlicher als die am Ende doch sehr ruhige Flussüberquerung im Einbaum.

Claudia und ich mussten auf der Ifakara-Seite noch eine ganze Weile auf das SolidarMed-Auto warten, schließlich war Wochenende, Fahrer und Geldbote nicht auf diesen Einsatz vorbereitet. Zwischenzeitlich war tatsächlich die Fähre wieder flott und Peter gelang es mit geschicktem Vordrängeln und Verweis auf seine zu transportierende Patientin aus dem Lugala-Hospital mit der zweiten Überfahrt an´s andere Ufer zu kommen. An den im Einbaum übergesetzten Mzungu mit Krücken konnten sich natürlich alle erinnern.

Auf die Verspätung der TAZARA am nächsten Morgen waren wir eingestellt, mitunter sind es auch mal 20 Stunden. Das macht niemandem etwas aus, denn wenn man hier in Afrika auch sonst nicht viel hat, Zeit haben alle. Trotzdem waren wir natürlich pünktlich am Bahnhof, denn verlässliche Informationen gibt es nicht. Auf teilweise landschaftlich sehr schönen Strecken geht es recht gemächlich in 9 Stunden nach Dar. Allein der Abschnitt durch den Selous Nationalpark lohnt diese Fahrt, denn hier erlebt man sozusagen eine „Safari for free“.

Auf Sansibar gab es dann Erholung, wie man sich das auf einer exotischen Insel vorstellt: Sonne, Strand, Indischer Ozean, entspannte Menschen, reife Früchte im Überfluss, gutes Essen, für mich guten Wein – Claudia blieb bei ihrer Brause- ein bisschen faulenzen und lesen, auf Sansibar natürlich ein Bummel durch Gewürzplantagen und durch die verwinkelten Gassen der Stone town.

Gewürznelken kurz vor der Ernte

Nach einer Woche bestieg Claudia ihr Flugzeug nach Berlin und für mich ging es mit der Fähre auf`s Festland nach Dar, mit dem Taxi zum Bus und wieder zurück in den Busch. Peter hat mich auf halber Strecke abgeholt und schon sehnlich erwartet – siehe letzten Beitrag.

Freitag, 6. August 2010

Eine Woche Einsamkeit

Ich hatte Beate und Claudia in Ifakara zum Bahnhof gebracht, 7.00 Uhr sollte der Zug fahren. Später erfahre ich, dass der Zug 5 Stunden Verspätung hatte – das war noch relativ pünktlich, es waren auch schon 12 Stunden und mehr. Dann muss ein geplatzter Reifen gewechselt werden, das Radkreuz bricht auch noch ab, aber am Abend bin ich dann wieder in Lugala.
Ein ganz komisches Gefühl- der einzige Mzungu weit und breit zu sein. Der Arzt Peter Hellmold ist in Deutschland, Beate urlaubt mit Claudia und ich bin allein in der Wildnis.
Wie sehen dann die Tage aus? Soziale Kontakte außerhalb der Arbeit gibt es nicht und wird es wohl auch niemals geben. Also bleiben nur: Arbeiten, Fahrrad fahren, Lesen und Internet. Ich fange mit dem letzten an und gebe zu, dass ich noch bis vor wenigen Monaten ein absoluter Internet-Ignorant war. Hier ist es das Fenster zur Welt und ich bin dankbar für diese Erfindung.

unser Fenster zur Welt

Lesen ist auch eine Abwechslung, aber jeden Abend allein mit einem Buch ist auch nicht unbedingt aufbauend. Da ist Fahrrad fahren schon besser, man muss nur die einzig befestigte Straße hier meiden. Es gibt jetzt mehr Fahrzeuge als gewöhnlich (die Reisernte wird mit prinzipiell überladenen Lastwagen irgendwohin geschafft) und jetzt zur Trockenzeit macht einem der Staub doch zu schaffen. Aber auf den Wegen etwas abseits macht es Spaß – die Hütten unter Palmen, Cashewnuss- und Mangobäumen, die Feuer vor den Hütten und Kinder über Kinder. Es ist wie das Eintauchen in eine andere Welt.

mit dem Fahrrad unterwegs

Bleibt noch die Arbeit und da ist es schon ein ungewöhnlicher Zustand und auch ein bisschen verstörend, sich mit niemandem austauschen zu können. Eigentlich gibt es täglich ein oder mehrere neue Probleme, aber wenn ich dann (wie geschehen) einer größeren Gruppe staffs gegenüberstehe und diese der Meinung sind, ihnen würden über 8 Mio Schilling Sitzungsgeld vorenthalten – dann ist es schon eine besondere Situation. Oder wenn das Krankenhaus Tag für Tag und rund um die Uhr von brennendem Müll eingenebelt wird und alle Plasteabfälle gleich mit verbrannt werden – das ist auch nicht unbedingt stimmungsfördernd. In diesem Fall habe ich abends bis in die Dunkelheit versucht, mit Wasser die Brände zu löschen. Natürlich allein, wen interessiert das sonst.
Bei der Dieselabrechnung wird betrogen, d.h. irgendjemand hat geklaut, der Diesel für die Stromversorgung wird nicht rechtzeitig nachgefüllt – und alles das muss man mit sich allein abmachen. Da fällt es doch schwer, die Anwesenheit hier in Lugala nicht in Frage zu stellen.
Ich möchte diesen Job hier nicht allein machen und wenn ich es mir überlege: ich bewundere die Menschen, z.B. die Missionare, die unter bedeutend schwierigeren Bedingungen dieses Kreuz auf sich genommen haben. Da ziehe ich voller Ehrfurcht den Hut.

Samstag, 24. Juli 2010

Mein Besuch in Lugala

Nach einem anstrengenden Flug war ich froh, in Dar Es Salaam gut gelandet zu sein und wieder Boden unter den Füßen zu haben. Am Flughafen bei der Visumausgabe erwies es sich als Vorteil, mit Krücken unterwegs zu sein – auf die ich angewiesen war, nachdem ich mir anderthalb Wochen vor der Abreise einen zweifachen Bänderriss im Sprunggelenk zugezogen hatte und der Afrikaaufenthalt nicht so leicht „vom Fuß“ gehen sollte, wie geplant – ich wurde nach vorn gerufen. Den Sicherheitsbereich verlassend, war die Freude groß, Mutti und Peter nach 4 Monaten wieder zu sehen. Nach ein paar Stunden bei einem Glas Brause am Meer stellten wir aber fest, dass es sich doch so anfühlt, als hätten wir uns letzte Woche erst gesehen.


Nach dem anstrengenden Flug, fand ich, hatte ich mir ein Stück Kuchen und eine Eiskugel verdient. :-)





Am nächsten Tag machten wir uns nun auf den Weg nach Lugala. Der Straßenverkehr erwies sich als echtes Abenteuer und zugegebenermaßen auch als risikoreich. Ich war jedenfalls froh, als wir zunächst unser Zwischenziel erreichten - den Mikumi-Nationalpark.

Durch diesen führt eine Schnellstraße und das ist sie in den Augen der tansanischen LKW-Fahrer leider auch wortwörtlich. Die Tiere stehen direkt neben und aufgrund des Seitenwechsels auch mitten auf der Fahrbahn. Die meisten Fahrer brettern mit ihren bremsschwachen Fahrzeugen durch den Park – nur interessiert am schnellen Ankommen, aber nicht am Überleben der Tiere.

Wenden wir uns aber wieder den schönen Dingen zu – dem Anblick der friedlich futternden Tiere, die sich auch auf 3m Entfernung nicht stören und bereitwillig von uns fotografieren ließen.


Elefanten an der Straße





Am darauf folgenden Tag hatten wir beim Besuch des Mikumis Glück. Elefanten, Giraffen, Zebras, Büffel, Nilpferde, Affen – alle konnten wir aus nächster Nähe bestaunen.





neugierige Giraffen und Zebras




Viele Tiere hatten Junge, dessen niedlicher Anblick vor allem bei Mutti zu freudigen Jauchzern führte.

Nach diesem Zwischenaufenthalt ging es nun wieder über Straßen, die bei uns als schlechte Feldwege ausgewiesen sind und max. mit 30km/h befahren werden. Hier donnert man sie eben mit 80km/h lang…wieder war ich froh, abends gut angekommen zu sein – nun endlich in Lugala.

Ich weiß gar nicht so recht, was ich erwartet hatte. Fest stand: wir sind wirklich im afrikanischen Busch gelandet.

Das Erste, was mir in den Sinn kam, beim Anblick der Hütten, war: Das sieht hier ja aus wie in der Steinzeit. Lehmhütten mit Strohdach, davor die Feuerstelle. Hühner laufen wirklich überall lang. Vereinzelt gibt es kleine Steinhäuschen. Das war’s. Im krassen Gegenteil dazu steht, dass hier jeder, ob er es sich leisten kann oder nicht, ein Handy hat. Es gibt bunte Tücher und Kleider, Gummistiefel und Plastikeimer. Aber alle leben im Dreck.


Lehmhütten in Lugala




Wenn die Leute etwas brauchen, gehen sie in die – für sie – große Stadt, also ins Nachbardorf Malinyi. Hier gibt es zumindest einen „Markt“, eine „Ladenstraße“ und sogar eine Bar.


Shoppingmeile und Bar in Malinyi





Täglich brachte ich meinen Spießrutenlauf hinter mich – der Weg von unserem Wohnhaus zum Krankenhaus. Es sind gerade einmal 200 Meter. Aber auf diesen 200 Metern wurde ich durchleuchtet und angestarrt, als wäre ich gerade vom Mond gelandet. Gut, Weiße kennen sie hier schon. Aber eine mit blauen Krücken und roten Reflektoren – das war etwas Neues. An die Blicke habe ich mich bis jetzt, nach einer Woche Lugala, nicht gewöhnt. Schnell hatte sich überall herum gesprochen, dass ich da bin. Täglich standen neue Menschen vorm Krankenhaus und erwarteten mich mit ihren neugierigen Blicken.

Aber sonst kann man sich mit den Gegebenheiten doch anfreunden, solange man nicht weiter darüber nachdenkt, dass man weit abgeschnitten ist und sich in einer ganz anderen Welt befindet.

Die Menschen hier sind nett, haben aber merklich eine andere Mentalität. Mit alten Autobatterien wird überlaut Radio gehört. Im Krankenhaus brennt die ganze Nacht Licht trotz Schlafenszeit. Tanks werden leer gefahren, die Fahrzeuge einfach wieder abgestellt. Charles gießt im Überfluss die Blumen. Alles wird verbraucht, ohne sich Gedanken darüber zu machen, was passiert, wenn’s denn mal alle ist. Alles was da ist, wird auch verbraucht. Das Wort „Planung“ findet hier keine Kenner und Freunde.

Zum Mittag gab es bei uns das, was angeboten wurde. Mal kommt jemand mit (gerade geschlachtetem) Rindfleisch vorbei, der Nächste bringt ein (noch lebendes) Hühnchen mit oder hat frisch gefangenen Wels im Angebot. Es gibt Reis, Kartoffeln und einige tansanische Beilagen. Obst und Gemüse gibt es auch. Darüber müssen wir uns keine Gedanken machen - die Menschen hier aufgrund ihrer Armut natürlich schon. Etwas hartes Fell muss man schon haben, um sich das jeden Tag angucken zu können.

Morgen reisen wir nun ab aus Lugala und verbringen noch ein paar Tage auf Sansibar zur Erholung. Die Fahrt von Lugala, zunächst zurück nach Dar Es Salaam, dauert länger als der Flug von Deutschland nach Tansania…

Während ich nun hier sitze und schreibe, kam noch jemand zu Besuch – für mich, er wollte mich kennen lernen. Nach etwas Verwunderung, wer mich denn hier besuchen will, stellte sich heraus, dass es sich um den örtlichen „Polisi“ handelt. Wie unterhielten uns über unsere Arbeit, stellten fest, dass unsere beiden Länder grundverschieden sind und verabschiedeten uns. Vielleicht gibt es ja ein Wiedersehen, auch mit allen anderen.


Claudia