Mittwoch, 26. Januar 2011

Fahrt nach Makambako

Die Fahrt nach Makambako führte uns erstmals ab dem Abzweig in Mikumi nicht Richtung Dar es Salaam sondern auf dem sogenannten Tan-Zam-Highway ebensoweit nach Süden durch wunderschöne Berglandschaft. Die Straße wird gegenwärtig mit dänischer Hilfe instandgesetzt und man wechselt zwischen Abschnitten, die die Bezeichnung Schnellstraße verdienen und Knüppeldamm. Interessant zu beobachten ist der Abbau des Straßenbaumaterials. In Tanzania ist man ja nicht gerade zimperlich beim Fällen großer, alter Bäume, sei es als Feuerholz oder zum Brennen von Ziegeln, doch Baobabs werden verschont und bleiben auf Inseln stehen. Zum Verbrennen wären sie allerdings auch ungeeignet, denn der weiche Stamm der Affenbrotbäume ist wie ein Schwamm und kann große Mengen Wasser speichern, die ihm das Überleben in der Trockenzeit sichern. Für viele Einheimische gelten die Bäume als heilig, wofür es natürlich eine Geschichte gibt.


Baobab oder Affenbrotbäume - genießen Respekt und werden nicht gefällt

Makambako ist eine eher unbedeutende Kleinstadt und verdankt seine Bekanntheit wohl nur der Tatsache, dass sie an einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt liegt, hier kreuzen Eisenbahn (TAZARA) und Schnellstraße (Tan-Zam), beides Richtung Zambia. (das z in Kiswahili als stimmhaftes s). Wir hatten uns telefonisch mit Kuandika verabredet. Es passte gut, er war gerade im Jahresurlaub zu Hause bei seiner Familie, nur ca. 5 Busstunden von Makambako entfernt und war auf dem Wege, sich ein Bahnticket bis Ifakara zu kaufen. Nach Besichtigung der kompletten Fracht hat Kuandika für einen kleinen LKW den Preis ausgehandelt, mit diesem wurden die große Kiste mit dem Narkosegerät, die sperrigen Krankenhausbetten mit den Matratzen und Rollstühle transportiert. Alle kleineren Kartons konnten in unserem Auto verstaut werden. Da Kuandika den Lorry nach Lugala begleitete, haben wir uns für die Rückfahrt 2 Tage Zeit gelassen. Einen Zwischenstop gab es für uns im ca. 1600m hoch gelegenen kühlen Iringa, und einen weiteren in den Udzungwa-Bergen. Iringa gilt als Tor zum südlichen Hochland und ist eine geschäftige Stadt mit fruchtbarem Umland. Schon in den 1930-er Jahren wurde Tabak angebaut und aus dieser Zeit stammen eine heute noch Tabak verarbeitende Fabrik und ein paar sehr schöne alte Gebäude, die allerdings ihre beste Zeit längst hinter sich haben. Neben dem Tabak gibt es Unmengen von Zwiebeln und Tomaten, man könnte denken, von hier aus wird das ganze Land versorgt. In einer Konservenfabrik werden Tomaten- und Chillisaucen hergestellt, die als die besten Ostafrikas gelten. Mag sein.

Natürlich haben wir uns unterwegs bei Kuandika nach den Umständen der Fahrt erkundigt und müssen erfahren, dass es nach einem Achsenbruch, der hier bei den klapprigen Fahrzeugen auf schlechten Straßen zur Normalität gehört, eine längere Zwangspause gab. Letztendlich kamen wir fast zeitgleich in Lugala an.

Die Betten sind inzwischen eine Bereicherung unserer Intensivstation, das Narkosegerät ist allerdings noch ungenutzt. Unser Anästhesist Lothi hat es hocherfreut in Empfang genommen, er hatte dieses Gerät schon bei seinem Besuch in Torgau im Einsatz erlebt. Für den zwingenden Controllcheck vor Inbetriebnahme und in festgelegtem Zyklus während des laufenden Betriebs wird u.a. Lachgas benötigt, welches in Tanzania wahrscheinlich kaum gebraucht und deshalb schwer zu beschaffen ist. Bisher war es jedenfalls in Dar es Salaam bei den üblichen Lieferanten für Arzneimittel und Krankenhausausstattung nicht erhältlich, aber man will sich dort für uns erkundigen. Große Dinge scheitern oft an kleinen Einzelheiten.

B.

Donnerstag, 13. Januar 2011

Jahresbeginn

Vieles ist für uns auch nach 10 Monaten in Lugala schwer zu verstehen.

In unserer Nursing school gibt es 2 Jahrgänge mit knapp 100 Schülern, die von 2 pensionierten Lehrerinnen und dem Schulleiter, der allerdings als tanzanischer Regierungsbeamter hauptsächlich gutbezahlte Meetings besucht, unterrichtet werden. Einige Stunden werden auch von Mitarbeitern des Hospitals gegeben, das ist natürlich viel zu wenig und es werden Ausbilder benötigt. Für unsere ausgebildeten Krankenschwestern genügt eine einjährige Weiterbildung mit einer Prüfung, dann sind sie Nurse Tutor. Also wurde per Aushang gefragt, wer hierfür Interesse hat. SolidarMed übernimmt sämtliche Kosten. Noch am Silvesternachmittag wurde das HMT einberufen, die SolidarMed – Vertreterin hatte die Ausbildungsverträge einige Tage vorher allen zur Kenntnis gegeben und wir erwarteten eine schnelle Unterschriftenrunde. Eigentlich hätten wir es wissen müssen, wenn man sich einmal zum Meeting eingefunden hat, dann wird palavert. Aber das für uns Unverständlichste dabei: Die drei bekommen die Chance auf eine höhere Bildung, sämtliche Kosten, auch Unterkunft, Verpflegung, Schreibmaterial usw. werden übernommen und sie bekommen ihr Gehalt vom Hospital zu 100 % weitergezahlt. Doch statt wenigstens einem leisen Danke, kam als erstes Kritik, dass sie laut Vertrag 3 Jahre als Ausbilder in Lugala arbeiten müssen. Da fehlen einem schon mal die Worte.

Eine der drei Kandidatinnen war in den Wochen zuvor vom Schulleiter als eine Art Zeugwart eingesetzt worden. Damit hatte sie die Verantwortung für die Beschaffung von Material und Lebensmitteln und natürlich auch für die Aufzeichnung des täglichen Verbrauchs. Wir verwahren lediglich das Geld, geben es nach Anforderung des Schulleiters heraus und führen ein Cashbook. Reis, Mais und Bohnen müssen jetzt in großen Mengen eingekauft werden, für die Lagerung hatte das Hospital die großen Transportkisten der letzten Spendenlieferung bereitgestellt. Bei einigen Dingen erschien uns der Preis etwas hoch und Peter sagte beiläufig, er werde Charles fragen, wo man am günstigsten einkauft. Für die Einkäufe wurde viel Geld ausgegeben, immer mit der Maßgabe, entsprechende Quittungen oder wenigstens Unterschriften der Leute, von denen z.B. einige Säcke Reis oder Bohnen gekauft wurden, vorzulegen. Wegen ihrer bevorstehenden Abreise brachte sie nun ihre nach Belieben geführten Aufzeichnungen in unser Büro, ein Nachfolger wurde noch nicht benannt und eigentlich ist die Übergabe Angelegenheit des Schulleiters, der wie so oft nicht da war. Aber um ihr den Gefallen zu tun, haben wir gemeinsam alle Lagerräume aufgesucht - mehr als die Anzahl der Säcke feststellen konnte ich ohnehin nicht – und ich fragte, warum sie in ihren Heften nicht unterschreiben lässt, wem sie Geld für Fisch, Fleisch oder Bananen gibt. Es stimmte so vieles nicht. Ich war mir nicht sicher, ob sie es nicht besser wusste oder eben das viele Geld zu Schummeleien verleitet. Am nächsten Tag war alles irgendwie passend gemacht... Sie ließ die Bücher im Büro und auch die Schlüssel für die Lagerräume, obwohl sie ja noch ein paar Tage da war, doch verständlicherweise Zeit für ihre eigene Vorbereitung brauchte. Ich war damit einverstanden, weil in unserem Büro immer jemand ist, der den Schlüssel herausgeben kann.

Nach einem ruhigen Silvesterabend in kleiner deutscher Runde – zur Zeit weilen wieder 2 Studenten in Lugala – und einer Flasche Sekt um Mitternacht, begann der Neujahrstag mit großer Aufregung. Peter Hellmold meinte, der Schulleiter wäre da, völlig aufgelöst, er fühle seine Autorität untergraben, könne hier nicht mehr arbeiten, alles sehr theatralisch. Was war der Grund? Zunächst beklagte er sich, dass er keine Schlüssel für die Lagerräume hat. Die gebe ich sofort dankbar zurück, schließlich wollte ich sie gar nicht haben. Viel schlimmer war jedoch, dass Peter erwähnt hatte, Charles nach Preisen zu fragen. Das ginge ja nun wirklich nicht, wenn er als Schulleiter sagt, wieviel Geld z.B. für Bohnen ausgegeben wird (die Preise variieren im Laufe des Jahres sehr stark) dann könne man doch wohl von einem Gardenboy keinen anderen Preis ermitteln lassen. Vorher hatte er sich nach Charles' Qualifikation erkundigt. Dass unser Gardenboy schon oft genug eingesprungen ist, mit unserem Auto zur Mais- oder Reismühle zu fahren, weil seine Schüler morgens vor der Tür standen und klagten, sie hätten nichts zu essen, erwähnen wir in diesem Moment lieber nicht. Ein Fahrer hat hier einen sehr hohen Stellenwert und wer weiß, ob der Führerschein eines Gardenboys in seinen Augen ausreichend ist, von Schülern begleitete Säcke zur Mühle zu fahren.

Am Ende stellen immer alle fest, dass es einfach nur Missverständnisse sind und man verabschiedet sich freundlich voneinander. Natürlich bleibt er gern Schulleiter in Lugala.

In den nächsten Tagen beschäftigt mich noch immer die nursing school. Ein 4- wöchiges Praktikum in dörflichen Gesundheitsstationen für die Schüler des 1. Jahrgangs soll vorbereitet werden, d.h. für 4 Gruppen, die sich selbst versorgen, müssen die komplette Ausrüstung gekauft, u.a. Kochtöpfe, kleine Holzkohleöfchen, auf denen hier gekocht wird und Lampen, dazu Reis, Maismehl und Bohnen eingepackt werden. Geld für Tomaten, Fleisch, Fisch usw. wird mitgegeben. Eine Kalkulation gab es vorher nicht und die noch verantwortliche Nurse bittet mich, ihr zu helfen. Mir fallen sofort wieder die Bedenken des Schulleiters ein. Ich werde ganz gewiss nicht festlegen, wieviel die Schüler wann essen und übernehme nur das Rechnen. Insgesamt sind es knapp 20 Positionen, vom Maismehl bis zum Lampenöl, und nach einigen Stunden gebe ich etliche Scheine aus der Kasse.

Doch damit ist es noch immer nicht genug, die Schüler müssen an die verschiedenen Einsatzorte gebracht werden, aber unser Fahrer ist in den nächsten Tagen mit Patienten unterwegs. Also wird wieder einmal unser Auto zum Einsatz kommen und einer unserer Studenten freut sich als Fahrer über den Fahrspaß mit dem Landcruiser.


Nebenbei gibt es viele andere Ärgernisse, unser Kopierer hat den Geist aufgegeben, nach mehreren immer nur kurzzeitig erfolgreichen Instandsetzungsversuchen müssen wir ihn nächstens mit nach Dar nehmen, unsere betagte Solaranlage steigt immer öfter aus und wir müssen auf teuren Generatorbetrieb umschalten, die Mitarbeiter sind trotz enormer Gehaltserhöhung unzufrieden, weil die ausufernden allowances auf ein angemessenes Maß gestutzt werden sollen...Außerdem warteten wir jeden Tag auf die Nachricht aus Makambako, dass der Spendencontainer zur Abholung eingetroffen ist. Wir wurden informiert, dass der Container, dem unsere Kisten beigestellt waren, am 17. Dezember per LKW ab Dar unterwegs war. Der verantwortliche Mitarbeiter wurde gebeten, mit dem dortigen Pfarrer Kontakt aufzunehmen und sich nach der Ankunft des Containers zu erkundigen. Auf unsere täglichen Nachfragen gab es immer die gleiche Antwort: bado – noch nicht. Nachdem er sich am 3. Januar wieder einmal für eine Woche nach Dar für eines seiner wichtigen Meetings abgemeldet hatte, haben wir selbst angerufen und erfahren, dass die Sendung seit dem 24.Dezember in Makambako steht und dies auch telefonisch mitgeteilt wurde. Wahrscheinlich hat es den Mitarbeiter nicht interessiert, weil diesmal nichts Persönliches für ihn dabei war, beim letzten Mal war er deswegen übereifrig. Die Gemeinde lässt sich die sichere Aufbewahrung dieser Lieferungen verständlicherweise gut bezahlen, es sind mehrere Einrichtungen im Süden, für die diese Station ein Zwischenlager darstellt. Um weitere Lagergebühren zu vermeiden, sind wir am nächsten Tag nach Makambako aufgebrochen. Für uns war es eine willkommene Abwechslung, später mehr.

B.