Freitag, 30. April 2010

Lege dein Herz nieder – oder: Geburtstag der besonderen Art (18. April)

Wir lernen jeden Tag ca. 10 bis 15 neue Wörter, dazu viele grammatikalische Besonderheiten. Manchmal steht ein Wort für einen ganzen Satz – Verb in der entsprechenden Zeitform mit Subjekt und Objekt - z.B. Nimekusalimu – Ich habe dich gegrüßt, oder Umeniambia - du hast mir erzählt.
Davon wollen wir an diesem Wochenende Abstand nehmen und fahren nach Bagamoyo, ein geschichtsträchtiger Ort. Schließlich hat Peter Geburtstag und den wollten wir nicht in der Sprachschule verbringen. Eine der Beschreibung nach sehr schöne Anlage mit Bungalows in einem großzügig angelegten Garten direkt am Meer hatten wir per sms reserviert.

Travellers Lodge


Wir fahren am Freitag mit dem Express-Bus Richtung Dar es Salaam. Ca. 1h vor Dar (Fahrstrecken werden hier grundsätzlich in Stunden angegeben) gibt es in Mlandizi einen Abzweig nach Bagamoyo. Unsere Idee, diese Straße zu nehmen, um dem dichten Feierabendverkehr in der Hauptstadt mit Wechsel der Busstation zu umgehen, erweist sich als nicht die Beste. Die vermeintliche Abkürzung ist zwar eine halbwegs ordentliche Straße, doch das Dalla Dalla fährt erst nach knapp einer Sunde los- es waren noch zu wenig Fahrgäste. Dieses Gefährt war zudem das Schrottigste, mit dem wir bisher gefahren sind und es kam wie es kommen musste. Auf halber Strecke ist Schluss, irgendetwas an der Radaufhängung ist kaputt. Mit ebenso schrottigen Werkzeugresten wird repariert und ca. 40 min später geht es weiter. Es ist furchtbar eng, Peter klagt über Schmerzen in den Beinen und allgemeines Unwohlsein.

Es ist fast dunkel, als wir endlich in Bagamoyo ankommen, über Dar wären wir wahrscheinlich schon längst da gewesen. Niemand kennt die Travellers Lodge, wir machen uns nach Stadtplanskizze aus dem Reiseführer zu Fuß auf den Weg. Nach einigen Umwegen und sehr langsamem Gehen, Peter ist kraftlos und trottet förmlich hinterher, kommen wir gegen 19.00 Uhr an. Wir trinken noch etwas im Gartenrestaurant und gehen zeitig ins Bett.
Die Nacht ist unruhig, weniger wegen Wind, Gewitter und Meeresrauschen, mehr wegen Peters Unwohlsein und heftigsten Gliederschmerzen. Am Morgen sehen wir uns die wirklich schöne Gartenanlage mit den hübschen Bungalows an, es sind nur ein paar Schritte zum Strand.
Peters Erschöpfung hält an und die Symptome sind eindeutig: Es ist Malaria! In einer Apotheke kaufen wir Medikamente und wagen trotz der Krankheit einen Gang durch die ehemalige erste Hauptstadt Deutsch-Ostafrikas. Wie überall, so auch hier, begegnet man verfallenen Kolonialgebäuden.


Vergessene Geschichte


Das ehem. Bezirksamt wird gerade restauriert, ein altes dt. Krankenhaus, später arabisches Teehaus, wurde im November 2009 fertiggestellt. Offensichtlich hat doch jemand erkannt, dass diese Gebäude, weniger wegen ihrer historischen Bedeutung, mehr wegen ihrer typischen Architektur, erhaltenswert sind. Bagamoyo war der bedeutendste Handelsplatz des 19. Jh. an der heutigen tansanischen Küste mit Beginn und Ende der großen Karawanenroute in das Innere Ostafrika. Neben Handelsplätzen für Salz, Elfenbein, Kupfer- und Messingwaren, Stoffen und Waffen gab es einen separaten Marktplatz für den Sklavenhandel. Im Hafen wurden die Sklaven zusammengetrieben und vor allem nach Arabien und auf die Gewürzplantagen nach Sansibar verschifft. Vor ihrem Zwangsaufbruch in die dunkle, unheilvolle Ungewissheit ohne Wiederkehr konnten sie nur ihr Herz in Afrika zurücklassen und an dieser Stelle niederlegen. Daran erinnert der Ortsname noch heute - Bagamoyo heißt auf Swahili: Lege dein Herz nieder.

Peter wird immer schwächer, zu heftigsten Kopfschmerzen kommen Seh- und Gleichgewichtsstörungen, irgendwann geht gar nichts mehr und er ist am Ende.

Peter ist am Ende


Eine längere Pause am Strand und eine Flasche Wasser bringen etwas Erholung und der Zustand bessert sich soweit, dass wir pole pole (ganz langsam) zu unserer Lodge gehen können. Peter schläft und ich sehe mir später die nahegelegene Livingstonkapelle an, beobachte die Fischer, wie sie ihren Fang von den Dhaus entladen und will eigentlich noch ins Wasser.

Frisch vom Fang zur Versteigerung am Strand


Leider lädt das Meer überhaupt nicht zum Baden ein, der Strand ist schmutzig vom vielen (Plastik-)Müll – sehr schade. Vielleicht ist das auch nur in der Nebensaison so, wenn kaum Gäste da sind, denn Bagamoyo gilt als Badeort und beliebtes Wochenendausflugsziel der Hauptstädter während der Trockenzeit.
Das Geburtstagsabendessen im Restaurant fällt auf Wunsch des Jubilars –nicht aus. Appetit habe allerdings nur ich. Die Nacht bringt neben unerträglichen Kopfschmerzen noch Schüttelfrost und Fieber. Ich habe große Sorge und mache mir Gedanken über die Rückfahrt am Sonntag. Wir fahren natürlich über Dar, mit dem Taxi zum Fernbusbahnhof und steigen glücklicherweise gegen 16.00 Uhr an der Sprachschule aus. Ich mache noch Hausaufgaben und Peter kuriert in den folgenden zwei Tagen die Malaria aus. Der abschließende Test ist negativ, also ohne Befund. Die modernen Malariamedikamente sind hochwirksam.
Später sagt Peter, dass seine Selbsterfahrung und -beobachtung mit dem Lehrbuch übereinstimmen und er seinen Geburtstag 2010 in besonderer, aber sehr unangenehmer Erinnerung behalten wird.

Dalla Dalla und andere Fortbewegungsmöglichkeiten (12./13. April)

Von Montag bis Freitag Intensivunterricht, am Abend noch Hausaufgaben und auch an den Wochenenden zusätzliche Übungen. Das ist in der Tat recht anstrengend, deshalb heute einmal ohne aktuellen Anlass eine Mitteilung, um auf andere Gedanken zu kommen.

Nach dem Unterricht wollen wir heute mit einem Dalla Dalla in die Stadt fahren und zu diesem beliebten Verkehrsmittel kann man durchaus ein paar Worte sagen: Es sind Kleinbusse, die ihre besten und guten Jahre schon längst hinter sich haben und mit Sicherheit irgendwo ausrangiert wurden. Es gibt auch wenige Fahrzeuge in besserem Zustand, doch das ist die Ausnahme.
An den jeweiligen Endstationen (im Stadtzentrum und irgendwo auf dem Lande) wartet der Fahrer, bis nach seiner Meinung genügend Fahrgäste zugestiegen sind. Diese Wartezeit kann bei mangelnder Nachfrage zu bestimmten Tageszeiten auch mal eine Stunde dauern - meist ist sie aber kürzer. Einen Fahrplan gibt es nicht. Die Fahrt kostet pro Person 500 Tsh (etwas über 20 Cent) gleichgültig, ob man 5, 10 oder 20 km fährt. Lastgepäck wird auch mitgenommen, wenn es nicht gerade eine Ladung für einen Lastwagen ist- aber ein paar Säcke Mehl oder Reis können es schon sein. Der Bus ist dann für unsere Begriffe schon längst überfüllt. Aber an jeder Station steigen noch weitere Passagiere zu - und wenn der“ mzungu“ d.h. der Weiße/Europäer denkt - jetzt ist endgültig Schluss, dann hält der Bus und weitere zwei oder drei Fahrgäste quetschen sich hinein. Bisheriger Rekord waren 27 Fahrgäste, der Kassierer hängt dann außen an der Tür. Alle Mitfahrer schwitzen und riechen vor sich hin, sind doch irgendwie gelassen und zufrieden und immer zu einem Witzchen oder Gespräch aufgelegt.

Die Fahrt mit dem Pkw kann ebenfalls abenteuerlich sein. Auf den paar Fernstraßen- eigentlich gibt es nur drei: jeweils von Dar es Salaam nach Mbeja, Arusha oder Sekeseke- ist der Verkehr normal. Die anderen Strassen sind meist nur Pisten, auch wenn die Karte etwas anderes erwarten lässt. Diese werden irgendwann einspurig und wenn sich dann zwei Fahrzeuge begegnen, rutscht meist eines in den Graben- zumal wie jetzt in der Regenzeit- und müssen freigeschaufelt werden. Die Reifen lassen kein Profil mehr erkennen, die Autos sind überladen (vor allem Getränkekisten, Coca- Cola hat es wirklich bis in den letzten Winkel in Tanzania geschafft, sogar in der morningside-Höhle gab es welche zu kaufen) und immer versucht einer, doch noch vorbeizukommen und landet dann natürlich auch im Graben. Zur Trockenzeit ist das Fahren dann weniger problematisch.

Unser zukünftiges Fahrzeug ist ein Landcruiser, zwar schon etwas betagt, aber mit Allradantrieb und vorn noch guten Reifen - außerdem mit einer Seilwinde ausgestattet, damit kann man sich und anderen helfen. Das Auto sieht imposant und gewaltig aus und das ist vor allem im Stadtverkehr in Dar es Salaam ein großer Vorteil. Hier gelten“ afrikanische Regeln“ d.h. Größe und Schnelligkeit bestimmen die Hierarchie der Verkehrsteilnehmer. Wir haben das erlebt, ebenso die Regel: Der Stärkere hat Vorfahrt. Auch daran werden wir uns wohl- wie an so vieles andere- gewöhnen.

Wenn man unterwegs ist, vor allem abseits der größeren Städte, hat man allerdings den Eindruck, ganz Afrika ist zu Fuß unterwegs. Die Leute laufen, egal wie weit die Wege sind. Aber auch hier sind die Chinesen auf dem Vormarsch und überschwemmen das Land mit Einheitsfahrrädern billigster Bauart. Doch für die Leute gilt: Hauptsache man muss nicht laufen und kann damit noch einen Sack Reis, Holzkohle o.ä. mehr transportieren.

Montag, 5. April 2010

Ostern 2010 in Morogoro

Es ist Ostersonntag weit nach 19 Uhr - und wir üben Kiswahili. Dabei meint es das Wetter hierfür richtig gut mit uns - es regnet wiederholt. Schon in der Nacht gab es sehr heftigen Regen und im Bad tropfte es durch. Die Leute hier haben lange auf den Regen gewartet: Reis, Mais, Bohnen und Hirse wachsen, man kann es später zu erschwinglichen Preisen kaufen und es gibt keinen Hunger. So einfach kann das Leben sein.
Nach dem Regen sind die Wege verschlammt, die Stadt Morogoro ist 10 km entfernt und außer Wörter- und Lehrbüchern haben wir bewusst nichts zu lesen mitgenommen. Also bleiben nur Sprachübungen, ein einfaches Beispiel, weil regelmäßig: naenda, waenda, aenda, twaenda, waenda - im Präsens. Im Perfekt: nimekwenda, umekwenda, amekwenda, tumekwenda, wamekwenda. Das Verb heißt im Infinitiv kwenda: gehen.
Ein bisschen hat uns auch das schlechte Gewissen gedrückt- Karfreitag hatten wir noch – freiwillig!- bis zum Mittag Unterricht. Samstag, Sonntag und Montag sind frei und wir sind am Samstag in die nahegelegenen Uluhuru- Berge gewandert.

Blick vom Campus auf die Berge



Mit dem Dalla- Dalla ging es in die Innenstadt, dann Richtung Berge. Rechts und links stehen uralte Mangobäume- die Straße heißt Boma-Road, nach der Boma, einem Stützpunkt der ehemaligen Schutztruppe benannt. Hier hatte auch der kaiserliche Bezirksamtmann sein Quartier. Das Gebäude besteht noch in alter Schönheit und ist neben Postamt, Uhrturm und Bahnhof eines der wenigen Gebäude aus deutscher Kolonialzeit. Ob in Dar Es Salaam oder Morogoro oder wo auch immer, diese einzigartigen erhaltenswerten Gebäude verschwinden und es wird Platz für Neubauten geschaffen – Neubauten der 70 er Jahre in der DDR sind dagegen architektonische Kostbarkeiten. Aber zu unserer Wanderung:
Unser Ziel ist eine Berghütte in den Uluhuru-Bergen. Das Gebäude wurde 1911 als Missionsstation „Schlesien“ gebaut und später als Sprachschule für deutsche Kolonialbeamte unter dem Namen „Edelweiß“ weitergeführt. Heute heißt sie Mornigside. Laut Reiseführer führt ein ca. 8 km Fahrweg bis kurz vor die Station, die letzten 10 min müsste man laufen. Von dieser Fahrstrecke ist nur anfangs noch etwas zu sehen, weiter oben wurde der Weg einfach umgeackert, Felder bis zum Gipfel angelegt und es gibt nur Trampelpfade zwischen Mais, Bananen, Bohnen und Yams. Der Wald wurde komplett gerodet. Einerseits ist dies verständlich: die Menschen müssen auch essen (lt. Statistik sind in Tanzania 47% der Bevölkerung unter 15 Jahren und wir haben noch nie - wirklich noch niemals - so viele kleine Kinder gesehen). Andererseits ist es auch nicht ungefährlich, wie einige Hangrutsche erkennen lassen. Nach ca. 3 h erreichen wir unser Ziel und sind maßlos enttäuscht. Die Morningside ist das Ausflugsziel der Region und hier jedem bekannt. Was haben wir eigentlich erwartet? Eine gepflegte Berghütte mit Bewirtschaftung? Das sind noch deutsche Vorstellungen von einem Ausflugslokal. Die Hütte ist ein verwahrlostes, heruntergekommenes, verrußtes und vermülltes Gebäude, in dem offensichtlich trotzdem ein Wärter wohnt. Dieser ist auch noch ausgesprochen unfreundlich und hat mit Sicherheit das Wort „Besen“ noch nie gehört.



Morningside


Nur die am Giebel erkennbare Jahreszahl weist darauf hin, dass es sich tatsächlich um die Morningside handelt. Einzig der wunderschöne Ausblick auf die gesamte Morogoroebene lohnt den Aufstieg.



Aussicht auf die Morogoro-Ebene


Wir genießen eine Weile diesen Ausblick, dann kommt schon der Höhlenmensch (mehr als eine Höhle ist dieses Loch wirklich nicht) – „Your time is off“.
Über andere Trampelpfade gelangen wir ins Tal und kommen gegen 16.00 Uhr wieder in Morogoro an. Wir sind einigermaßen geschafft, genehmigen uns ein kühles Bier und erleben public viewing ManU-Chelsea. Die Mehrzahl waren Chelsea-Fans mit entsprechendem Outfit und es gab großen Jubel nach dem 2:1. Die Premier-League wird hier mit großem Interesse verfolgt.

Heute Morgen nach dem Frühstück hören wir von der nahen Kirche Afrikapop – der Ostersonntagsgottesdienst wird vorbereitet. Wir sind interessiert und erleben: Rhythmusgymnastik (wie bei einer Cheerleader-Truppe) vor dem Altar, dazu Gesang zum Synthesizer. Die Frauen sind bunt gekleidet mit kunstvoll gebundenen Tüchern auf dem Kopf und um 09.00 Uhr beginnt der Gottesdienst. Das erste Lied ist: „Oh du fröhliche..“, aber warum auch nicht. Schließlich ist die Auferstehung für die kirchliche Gemeinde ein fröhliches Ereignis. Der Gesang der Gemeinde ist, wie schon in Ifakara erlebt, sehr gospelähnlich, mit Jauchzern und Kreischen wie auf einer Dorfkirmes in Thüringen. Wir gehen beizeiten, da die Veranstaltung wohl dauern wird. Gegen 12.00 Uhr ist immer noch Gottesdienst, zwischendurch fröhliches Jauchzen und Jubeln.

Donnerstag, 1. April 2010

Frohe Ostern

Wir wünschen unseren Familien, Freunden, Bekannten und interessierten Lesern unseres Blogs frohe Ostern!

Zur Zeit absolvieren wir einen Intensivsprachkurs und verabschieden uns vorerst von diesen Seiten, zumal die Kommunikation über das Internet in der Sprachschule reine Glückssache ist. Bis zum nächsten Ort mit Internetcafè sind es ca. 10 km, in Afrika eigentlich keine Entfernung…

Nach unserer Rückkehr nach Lugala im Mai werden wir wieder über unseren Alltag und besondere Begebenheiten berichten.