Mittwoch, 29. Februar 2012

Emma und Charles

waren unsere beiden Hausangestellten. Natürlich hatten sich unmittelbar nach unserer Ankunft in Lugala mehrere Frauen und Männer vorgestellt und darum gebeten, für uns arbeiten zu dürfen. Selbst wenn wir dies nicht als notwendig erachtet hätten, wären wir nicht umhin gekommen, jemanden einzustellen. Es wird ganz einfach erwartet, dass man jemanden beschäftigt und damit für das Einkommen der gesamten Familie sorgt. Im Laufe der Zeit haben wir mitbekommen, dass hier jeder, der meint, es sich leisten zu können, ein sehr gering bezahltes Hausmädchen zum Kochen, Putzen und Waschen sowie ein Kindermädchen einstellt. In einem europäischen Haushalt zu arbeiten, ist für die Betreffenden ein Glücksfall - sie werden gut bezahlt, fair behandelt und versorgt.

Wir entschieden uns letztlich für Emma und Charles als Team, weil beide schon gemeinsam im Haushalt des vormals in Lugala tätigen Arztes gearbeitet hatten und beide auch seine Empfehlung waren.

Charles hat sich redlich als Gärtner gemüht. Für unsere mitgebrachten Sämereien legte er akkurate Beete an, doch leider war seine mühevolle Arbeit fast umsonst. Sobald sich erste zarte grüne Spitzen zeigten, hatten die Pflänzchen gegen Affen, Nachbars Hühner oder irgendwelches Ungeziefer keine Chance. Einzig einige Zucchinis und Kürbisse wuchsen, doch die hat Charles dann leider selbst mit dem Gartenschlauch ersäuft.... Also beschränkte sich das Gärtnern weitestgehend auf Hecke- und Rasenschneiden, dies beherrscht er mit seiner typischen kurzschneidigen Sense perfekt. Das Grundstück hielt er rundherum in Ordnung.

Charles in Aktion

Emmas Arbeitstag begann meist mit Wäsche, was man so als Handwäsche in einer großen Schüssel bewältigen kann. Während der Trockenzeit war Hausputz fast täglich notwendig, denn der Staub zog unweigerlich in jeden Winkel des Hauses. Außerdem kochte Emma. Tomaten, Auberginen, Bohnen, Reis, ab und zu Kartoffeln oder Kochbananen - groß ist die Auswahl nicht. So gab es diese Zutaten in wechselnden Kombinationen und wenn es auch irgendwann eintönig war, schmeckte es immer gut, auch unseren Besuchern. Die waren vor allem über die vielseitig einsetzbaren Kokosnüsse erstaunt, mit denen Emma die meisten Gerichte verfeinerte.

Emma - in Arbeitskleidung

Es ist üblich, dass die Hausangestellten die Reste aus Topf und Pfanne essen dürfen. Emma sorgte täglich dafür, dass reichlich „Reste“ übrig blieben und wir staunten manchmal, wieviel ein Mensch essen kann.

Anfangs war es für uns gewöhnungsbedürftig, während unserer Abwesenheit ständig jemanden im Haus zu wissen, der sich dort bewegte, als wohnte er selbst dort. Eine afrikanische Weisheit besagt, im Busch gibt es keine Geheimnisse – für unser Haus galt das auch.

Über das besondere Beschäftigungsverhältnis von Afrikanern bei Europäern schreibt der Ethnologe Nigel Barley sehr treffend und unterhaltsam in seinen Aufzeichnungen:

Wer für mich arbeitet, ist nicht einfach bei mir beschäftigt...Unser Verhältnis ist allumfassend. Wenn die Frau des Betreffenden krank wird, ist das ebensosehr meine Sache wie seine und es wird von mit erwartet...sie gesund zu machen. Wenn ich beschließe, etwas wegzugeben, muss ich es ihm als erstem anbieten. Es einem anderen zu geben, wäre höchst ungehörig. Mich auf meine eigenen Angelegenheiten zu beschränken und aus seinem Privatleben herauszuhalten, ist fast unmöglich. Wenn ich nicht unverschämt großes Glück habe, werde ich ahnungsloser Europäer mich garantiert in das unabsehbare Netz lockerer verwandtschaftlicher Beziehungen und Verpflichtungen verstrickt finden.... Dann folgt mit Sicherheit irgendeine Geschichte über einen unbezahlten Brautpreis oder verendetes Vieh, und wenn ich mich weigere, einen Teil der finanziellen Lasten zu übernehmen, wird mir das als ...Verrat angerechnet. Die Grenzlinie zwischen `mein` und `dein` muss ständig neu ausgehandelt werden......Europäer und Amerikaner beklagen sich ständig über die `Unverschämtheit` oder die `Frechheit` ihrer Arbeitskräfte, die einfach erwarten, dass ihr Brotgeber sich um sie kümmere....“

Diese Erfahrungen können wir durchaus bestätigen, dennoch waren Emma und Charles angenehme und zuverlässige Hausangestellte.

B.

Samstag, 11. Februar 2012

Abreisestimmung

In einigen Tagen werden wir unsere Arbeit hier beenden und Lugala verlassen. Eine kleine Feier werden wir für die Hospitalangestellten noch ausrichten- und das war es dann... Kaum vorstellbar, dass schon zwei Jahre vorüber sind; zwar gab es jeden, aber auch jeden Tag eine neues Problem. Aber so Tag für Tag und Woche für Woche hat sich doch alles in diesem Mikrokosmos “Lugala“ abgespielt und wenn es jeden Tag ein andere Überraschung gibt, dann sind das irgendwann auch keine Neuigkeiten mehr.

Auch die Einkaufsfahrten nach Dar es Salaam sind irgendwann immer nach dem gleichen Schema abgelaufen: am ersten Tag bis Morogoro, dann bis Dar, 2 oder 3 Tage einkaufen und wieder zurück bis Morogoro oder- wenn es mit dem Einkauf ein bisschen schneller ging- bis Mangula und am nächsten Tag zum Hospital. Interessant waren zum Schluss nur noch die Tiere, die im Mikumipark zu sehen waren, die verunglückten Lkw’s und natürlich immer wieder die Frage, ob wir diesmal ohne „puncher“ durchkommen würden. So sind diese zwei Jahre im Rückblick doch ziemlich einförmig verlaufen. Willkommene Abwechslung waren immer die Besuche von Verwandten oder Freunden- sie waren auch so etwas wie eine heimliche Zeitrechnung: in 5 Wochen kommen diese, dann sind wir bis zum Besuch von jenen allein....das war schon hilfreich. In diesem Zusammenhang war die Mikumisafari durch den Nationalpark eigentlich jedesmal ein Erlebnis; wenn ich auch zum Schluss ein bisschen das Gefühl hatte, dass die Tiere mir schon vertraulich zuzwinkerten- so oft waren wir uns schon begegnet.

Die Hitze war oft mörderisch, ich habe darunter sehr gelitten (Beate ist viel hitzeresistenter), manchmal war ich schon am Vormittag in Schweiß gebadet- und es begann erst richtig heiß zu werden. Einigermaßen tröstlich war nur, dass nicht nur die Weißen unter den Temperaturen litten; auch die Einheimischen laufen mit kleinen Handtüchern herum- aber letztlich bringt einem geteiltes Leid auch keine Abkühlung.... Jetzt lese ich von der Kälte in Deutschland und bin gespannt, wie lange mein Wunsch nach tieferen Temperaturen anhält.

Das Essen haben wir einigermaßen in den Griff bekommen. Für unsere Besucher war es immer eine irgendwie neue, exotische Erfahrung- schmeckt ganz gut, kann man essen- aber wenn man über Monate nur etwa ein knappes Dutzend Zutaten zur Verfügung hat, dann ist das über zwei Jahre doch irgendwann eintönig. Wir haben uns beholfen und von unseren Fahrten nach Dar noch etwas für unsere Küche mitgebracht: Weißkraut, Mohrrüben, Sonnenblumen- und Olivenöl, Thunfisch, Sardinen und Lachs in der Dose, Butter (die wir in der Kühlbox immer gerade so bis nach Lugala brachten, bevor sie zerschmolzen ist), Nudeln und Gemüsekonserven. Die letzten Reste brauchen wir gerade auf. Ein paar Dinge auf dem Frühstücks-/Mittagstisch werden wir vermissen: die aromatischen Bananen (jede Sorte schmeckt anders, aber immer gut), die Mango waren süß, süß und noch einmal süß und im Überfluss vorhanden- irgendwann mochte man sie nicht mehr essen, ebenso Papaya. Unser Zitronenbaum im Garten trägt in diesem Jahr richtig gut und wenn ich ein paar Früchte in die Küche bringe, duftet alles ganz intensiv. Dabei wird einem erst einmal bewusst, mit welchen Zuchtzitronen wir uns in Deutschland zufrieden geben müssen. Wenn uns die Fischer diese Welsart aus dem nahegelegenen Furua brachten, haben die Fische oft noch gelebt- frischer kann man Fisch nicht bekommen. Ebenso frisch war das Zickelfleisch, oft noch schlachtwarm. Ach ja, und ungehemmt so viel Knoblauch essen, konnten wir zuletzt nur in Rumänien. Doch vieles, vieles hat uns auch gefehlt und darauf können wir uns jetzt freuen....

Aber wir waren ja nicht in Lugala, um Essgewohnheiten und das Klima kennenzulernen- die Arbeit im und für das Hospital war der Grund für diese zwei Jahre Lugalaaufenthalt. Der Auftrag vor unserer Abreise wurde etwas salopp formuliert: ...sehen Sie mal, ob Sie in Lugala in Sachen Finanzen und Verwaltung etwas auf die Beine stellen können.... oder so ähnlich- und wenn ich mir vorstelle, dass auch von Abschreibungen und Rücklagen die Rede war- dann kann ich jetzt nur lächeln. Die finanzielle Situation des Hospitals war eigentlich hoffnungslos und nach „unseren“ Maßstäben war es absolut bankrott. In den ersten Monaten habe ich oft nicht gewusst, wie wir die Löhne zahlen können: wir haben die Auszahlung zeitlich gestreckt und auf die Tageseinnahmen gewartet, wir haben uns Geld von Solidarmed geborgt- es war manchmal abenteuerlich. Gleichzeitig haben wir die vielen- erst im März (vor unserer Ankunft!!) massiv erhöhten- Sonderzahlungen gekürzt, einige auch ganz gestrichen und im übrigen nach dem Prinzip der oft zitierten schwäbischen Hausfrau gewirtschaftet: man kann nur so viel ausgeben, wie man eingenommen hat. Es war unglaublich schwierig und ich glaube nicht, dass wir das noch einmal machen würden.....Alles, aber auch alles hat sich um das Hospital gedreht - es gab ja auch sonst nichts anderes- wir haben jeden Tag 10 Stunden im Büro gesessen und auch an den Wochenenden gearbeitet (es gab ja auch sonst nichts anderes). Dazu die unglaublich vielen Schulden und immer wenn wir dachten, nun wäre ein Ende in Sicht, wurde eine neue Forderung präsentiert. Dazu muss man noch wissen, dass die Beschäftigten auch in dieser fast auswegslosen Situation auf keine, wirklich keine einzige ihrer- berechtigten oder unberechtigten- Forderungen verzichtet haben. Aber irgendwann haben wir Boden unter den Füßen bekommen und wie das so oft im Leben ist: wo Tauben sind, fliegen Tauben zu....oder in Thüringen sagt man: der Teufel sch....t immer auf den größten Haufen. Von da kam eine Spende, von dort ein Hilfsangebot, es ging spürbar aufwärts und auch in einem kleinen Hospital im afrikanischen Busch ist Wirtschaft 50% Ökonomie und 50% Psychologie. Es hatte sich offenbar herumgesprochen, dass der Service im Krankenhaus sehr gut ist und dass die Behandlungskosten unschlagbar niedrig sind. Dieses „Aldiprinzip“ war unsere strategische Linie (das Gros der Patienten hatte ja nicht mehr Geld in der Tasche) und inzwischen kommen die Patienten bis von Ifakara und weiterher. Die Patientenzahlen und damit auch die Einkünfte haben sich beinahe verdoppelt (im Januar 2010 hatten wir 14,754 Mio Tsh Patienteneinnahmen, im Januar dieses Jahres waren es 29.279 Mio Tsh!!) und das Hospital hat einen richtig guten Ruf. Letzteres vor allem auch wegen der engagierten Arbeit des hier tätigen Arztes.

Auf jeden Fall ist es dem Hospital finanziell noch nie so gut gegangen wie jetzt. Das Hospital ist gesund uns steht gut da- ich gestehe, dass wir da beide auch ein wenig stolz darauf sind- und was die Zukunft bringt? In Afrika ist eine längerfristige Planung nicht möglich, es wird kurzfristig gedacht und entsprechend gehandelt. Das ist auch so eine Erfahrung, die wir in diesen zwei Jahren gemacht haben.

Das alles soll keine Bilanz unserer Arbeit hier in Lugala sein- eher ein vorsichtiger Abgesang und wahrscheinlich sind es die letzten Grüße aus dem Busch.

P.

Donnerstag, 2. Februar 2012

Geschichten

Puffotter - schön aber gefährlich

Ihr Biss endet meist tödlich, wer es rechtzeitig zur Behandlung schafft, verliert vielleicht "nur" Arm oder Bein.

Eines abends bat Mama Chogo, Makali möge sie doch bitte mit dem Hospitalauto von ihrer shamba abholen. Es war spät geworden und in der Dunkelheit wollte sie nicht mit dem Rad nach Hause fahren. Ein paar Tage später meinte sie auf meine Frage, ob sie sich im Dunkeln nicht vor Schlangen fürchtet, nein, sie zieht immer Gummistiefel an, deshalb fürchte sie keine Schlangen, aber vor Löwen hätte sie Angst und Makali hätte auf dem Weg zu ihrer shamba auch einen gesehen. Meine skeptischen Blicke sind ihr natürlich nicht entgangen und ich fragte noch einmal, ob sie tatsächlich Löwen gesagt hatte. Sie bestätigte es. Wir haben hier schon etliche Geschichten gehört und vieles darf man nicht so ernst nehmen. Auch wenn Mama Chogo eine absolut glaubwürdige Person ist, dass es hier Löwen geben soll, glaube ich nicht.

Aber darüber kamen mir ganz andere Gedanken: die in den umliegenden Dörfern oder abseits irgendwo im Busch lebenden Menschen verlassen diese Region ein Leben lang nicht - und so werden sie wohl niemals in ihrem Leben all die Tiere ihres Heimatlandes sehen, die jeder Afrika-Tourist in den Nationalparks aus unmittelbarer Nähe beobachten kann. In Deutschland können selbst Kinder im heimischen Zoo Elefanten, Löwen, Zebras, Nashörner usw. bestaunen.

Neugierige Zebras im Mikumi-Nationalpark

Nicht einmal Giraffen, das Nationalsymbol Tanzanias, werden die Leute hier sehen, bestenfalls kennen sie diese anmutigen Tiere aus den Schulbüchern ihrer Kinder.

Stolze Giraffen - Symbol Tanzanias

Dagegen sind unliebsame Begegnungen mit Krokodilen und Nilpferden beim Fischen oder Durchqueren des Furua oder Mnyera gar nicht so selten. Wer es überlebt, trägt furchtbare Verletzungen davon. Diese Patienten hören dann im Hospital nicht ohne Stolz auf Namen wie Kiboko (Nilpferd) oder Mamba (Krokodil).

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Unser Tischler Lyabonga hat das Arbeiten wahrlich nicht erfunden, für ein Schwätzchen ist er dagegen gern zu haben. So standen wir am Hauseingang und beliebte Themen sind immer die shamba und das Wetter. Er ist derzeit ganz zufrieden mit seinem Reisfeld. Ich erzählte ihm, dass uns in Deutschland, wenn wir in Kürze zurückkehren, eisige Kälte und Schnee erwarten, zeigte ihm Winterfotos von unserem Garten und sagte, dass es viel kälter ist als im Bier-und-Cola-Kühlschrank in Makassys Bar. Anders kann man Frost hier niemandem erklären. Auch wenn die Leute die schneebedeckten Bäume auf Bildern sehen und ihnen die weiße Pracht gefällt, kann sich niemand vorstellen, wie sich Schnee anfühlt und sie fragen ernsthaft, wie man bei Minusgraden überleben kann.

Hier haben Regen und Wärme der letzten Wochen für üppiges Grün gesorgt und ein Hospitalarbeiter war noch beim Grasschneiden. Daneben weidete die Kuh des Pfarrers.

Gras für die Kühe in Deutschland?

Ich erzählte Lyabonga, dass man bei uns das geschnittene Gras im Sommer trocknet, um im Winter, wenn alles verschneit ist, die Tiere mit dem Heu zu füttern. Auch hier gibt es während der Trockenzeit einige Monate kein frisches Grün, alles ist verdorrt. Der Grasschnitt wird ebenfalls getrocknet- und anschließend verbrannt. Da wir ja nun bald nach Hause zurückkehren und es schließlich jetzt verschneit ist, fragte er mich, ob ich denn das Gras nicht mit nach Deutschland nehmen wolle....

B.