Freitag, 30. September 2011

Geld

Die Einnahmen und Ausgaben des Hospitals beschäftigen uns eigentlich ständig. Bei jeder, aber auch wirklich jeder Entscheidung wird geprüft, ob das Hospital zur Finanzierung in der Lage ist und welches Programm für eine Rückerstattung geeignet sein könnte- viel Phantasie und Kreativität sind gefragt.

Irgendwann überlegt man natürlich auch einmal, wie es mit unseren Einnahmen und Ausgaben hier in Lugala bestellt ist. Einnahmen haben wir nicht. Ich bekomme in Deutschland meine Altersbezüge, aber Beate ist für diese zwei Jahre unentgeltlich freigestellt und dieser Verdienstausfall macht sich schon bemerkbar. Für Miete und Strom wären 5 Euro im Monat zu zahlen. Diese lächerlich geringen Ausgaben für die Wohnung sollten einmal ein Anreiz für das Krankenhauspersonal sein, hier in Lugala sesshaft zu werden- die gute Absicht ist nie wirksam geworden.

Ca. alle 8 Wochen fahren wir nach Dar es Salaam. Diese Fahrten sind immer Versorgungsfahrten mit langer Erledigungsliste (Medikamente, Labor- und Verbrauchsmaterial bei verschiedenen Anbietern, Ersatzteile, Büromaterial usw.) und wir verbinden sie nach Möglichkeit mit der Abholung bzw. Rückreise von Besuchern. Die 2 max. 3 Übernachtungen in DAR bei den Kapuzinern- 15 Euro für uns beide pro Nacht- werden vom Hospital bezahlt.

Zu Besuchern sage ich immer, man kann in Lugala kein Geld ausgeben. Das ist natürlich leicht übertrieben. Ein bisschen braucht man schon und ich habe einmal versucht zu überschlagen, wie teuer das Leben hier in Lugala für uns ist.

Emma und Charles bekommen im Monat jeweils 50 Euro- das ist hier sehr viel für eine Haushilfe, zumal sie nur etwas mehr als halbtags arbeiten. Üblich ist bei den Familien in Lugala weniger als die Hälfte. Aber wir sind Weiße und so wird natürlich mehr erwartet und auch gezahlt. Um sich vorstellen zu können, welche Bezahlung hier angeboten und auch akzeptiert wird, nur ein Beispiel: für unseren Handwerker Kuandika brauchten wir dringend einen Nachfolger. Nach längerer Suche haben wir einen – hoffentlich- gleichwertigen Ersatz gefunden, eine Empfehlung der Diözese in Ifakara. Der neue fundi kann Autos reparieren, Klempnerarbeiten ausführen und als Elektriker arbeiten- Autofahren kann er auch. Bis vor kurzer Zeit hat er bei der Diözese gearbeitet und dort 50.000 Tsh (das sind weniger als 25 Euro) verdient. Im Monat!!!

Aber weiter in der Aufzählung: Emma kocht Mittagessen, für die Zutaten geben wir täglich ca. 1 Euro aus, wenn wir einen Fisch bekommen, ist es etwas mehr. Am Sonntag gibt es Fleisch, das ist natürlich teurer, ca. 4 € pro kg). Meine tägliche Bierration (1-2 Bier ) kostet etwas mehr als unser Mittagessen- noch einmal 40 Euro monatlich (die Marke „Castel“ ist richtig gut und gibt es seit ein paar Wochen auch als Schwarzbier). Butter, Nudeln, Oliven-/Sonnenblumenöl, Kaffee, Obstsäfte, Wein, Rum oder Gin (damit wir nicht ganz den Geschmack vergessen) und ein paar Köstlichkeiten, auf die wir nicht ganz verzichten möchten, bringen wir aus DAR mit, ebenso Waschmittel und was man sonst so braucht - und so ein Einkauf schlägt dann mit 100-150 Euro zu Buche. Auf diesen Fahrten machen wir meist in Morogoro und auf der Rückfahrt in Mangula Station; hier kostet die Übernachtung 20 bzw. 25 Euro. Bei diesen Aufenthalten gehen wir abends essen, das sind noch einmal jeweils 20 Euro.

Außerdem bezuschussen wir das Studium von Njaala und seit September auch das von Kuandika- für beide jeweils 50 Euro. Das war es dann schon – und man kann überschlagen, dass wir in diesem Land ungefähr 500 Euro im Monat ausgeben.

Damit sind wir hier in Lugala absolute Verschwender. Eine einfache nurse verdient 130 Euro, wenn sie besser ausgebildet ist, sind es etwa 70 Euro mehr. Damit sind sie in dieser Gegend absolute Spitzenverdiener; aber auf dieses Geld wartet eine große Verwandtschaft und die bestimmt, was mit dem Verdienst geschieht. Gespart wird nicht- man könnte das Geld nur irgendwo verstecken und dann besteht immer noch die Gefahr, dass es die Ratten anfressen- also wird es restlos ausgegeben. Sofort ....und das führt dann dazu, dass oft wenige Tage nach der Gehaltszahlung schon wieder nach Vorschuss für den nächsten Monat gefragt wird. Dabei beschränkt man sich natürlich beim Essen auf das Sattwerden, d.h. jeden Tag ugali (ein fester Maisbrei) und irgendetwas für den Geschmack. So ein grosser Klumpen reicht dann für die ganze Familie, gegessen wird mit den Fingern, alle greifen zu und alle werden für wenige Cent satt. So gesehen haben Emma und Charles bei uns jeden Tag ein Sonntagsessen, auch wenn es nach unseren Vorstellungen nur einfache und mit der Zeit vor allem ziemlich eintönige Kost ist. Emma kocht immer schon vorsorglich so reichlich, dass genügend für beide übrig bleibt und wir wundern uns oft, dass diese Mengen zu schaffen sind und nach dem „Resteessen“ absolut nichts mehr übrig ist.

Jetzt nach der Reisernte haben die Leute mehr Geld- man merkt es auch daran, dass öfter einmal ein Bier getrunken wird. Da die Schwarzen aber keinen Alkohol gewöhnt sind, ist das manchmal schon komisch anzusehen.... Außerdem leistet man sich auch einmal etwas „Besonderes“ zum Essen und auch das ist manchmal komisch anzusehen: viele, viele frittierte Bananen und viel Fisch, ebenfalls frittiert. Aber auf diese Einnahmen aus dem Reisverkauf wird auch das ganze Jahr gewartet und sie sind oft für viele Familien die einzige Einnahmequelle. Auch über die Verwendung dieser Gelder entscheidet die Großfamilie und wenn auch immer gesagt wird, dass die Tanzanier konsensgeneigt sind: beim Geld hört auch hier die Freunschaft auf und keiner kann sich gegen die Entscheidungen der Sippe stellen. Das kann manchmal schon hart sein....

Aber das Leben hier ist hart- nach anderthalb Jahren Aufenthalt können wir da schon ein wenig mitreden. Ein wenig nur- aber immerhin.

P.

Donnerstag, 8. September 2011

Vom Fundi zum Daktari

Kuandika ist einer der wichtigsten Mitarbeiter des Hospitals, auch wenn das von vielen nicht so gesehen wird, denn er ist „nur“ Handwerker und jede noch so unqualifizierte Hilfsperson im medizinischen Bereich des Hospitals meint, ihn herumkommandieren zu können. In medizinischen Berufen tätige Personen genießen in diesem Land höchstes Ansehen, auch denen mit geringer Qualifikation, abgebrochener oder fehlender Ausbildung, erkennbar in hellgrüner Kleidung, begegnet man ehrfürchtiger als Menschen jeder anderen Berufsgruppe. Selbst die Schülerinnen in ihren Rosa-Uniformen nehmen das für sich in Anspruch. Es ist gesellschaftlicher Konsens.

Kuandika ist gelernter Elektriker aber auch versierter Klempner und Automechaniker und hat als Fundi auf allen Gebieten reichlich zu tun. Das Solarsystem hat so seine Tücken, von den Batterien steigt nach 12 Jahren eine nach der anderen aus und Rohrbrüche der verrotteten Wasserleitungen gibt es permanent. Ohne Kuandika und seine Helfer gäbe es so manches Mal keinen Strom oder kein Wasser.

Seit einer Woche müssen wir sagen: Kuandika war einer der wichtigsten Mitarbeiter, denn er arbeitet nicht mehr in Lugala. Seit Anfang September absolviert er eine dreijährige Ausbildung zum clinical officer (co) im weit entfernten Machame. Nach über 10 Jahren hatte er von all den Ungerechtigkeiten ihm gegenüber die Nase voll, für uns nur allzu verständlich. Die hier üblichen sprunghaften, von der Regierung angeordneten, Gehaltserhöhungen gelten nur für das medizinische Personal, seine schriftlichen Anträge auf Lohnerhöhung wurden dem HMT nie vorgetragen, ebensowenig wie sein Wunsch nach einer Wohnung. Er wohnte in einem Zimmer, ursprünglich der Lagerraum im Hinterhof des Gästehauses. Für die private Nutzung der Motorräder müssen die Angestellten einen wirklich sehr geringen Betrag pro gefahrenen Kilometer bezahlen. Natürlich gibt es ein Fahrtenbuch, doch einige haben statt ihrer Unterschrift in das entsprechende Feld einfach Kuandika eingetragen. Beklagt hat er sich nie, wohlwissend, dass er in der Hierarchie ganz unten steht.

Kuandika ist ein kluger Kopf und eher schweigsamer Mensch und hatte nach sicher langer Überlegung seinen Entschluss gefasst. Bekannt als absolut zuverlässig und jederzeit einsatzbereit, machte er vor ca. einem halben Jahr immer mal für ihn untypische Bemerkungen, er würde nach Feierabend oder am Wochenende nichts mehr reparieren. Peter Hellmold bat ihn zum Gespräch, denn es war offensichtlich, dass er irgendetwas mit sich herumtrug – und dann gab es die Offenbarung: er will clinical officer werden. Nach ungläubiger Rückfrage, ob er sich das reichlich überlegt hätte und ob er nicht vielleicht ein Studium im Bereich Solartechnik aufnehmen wolle, was für ihn ohnehin vorgesehen war, meinte Kuandika, mit seinem Berufsleben als Techniker hätte er abgeschlossen, jetzt möchte er Mediziner werden. Die Frage nach den Zugangsvoraussetzungen erübrigte sich von selbst. Keiner der heute im Hospital beschäftigten und geförderten CO`s oder Labortechniker hatte ein besseres Schulzeugnis vorzuweisen als er. Am Tag nach dem Gespräch mit Peter Hellmold brachte er alle notwendigen Bewerbungsunterlagen geordnet in einer Folie ins Büro, so etwas haben wir hier noch nie gesehen. Es wird öfter um Kopien für Urkunden und Zeugnisse gebeten, die meisten Papiere sind verschmutzt, fleckig, eingerissen und manchmal sogar von Ratten angefressen.

Nachdem er im Juli seine Zulassung zum Studium erhalten hatte, war Kuandika wohl der glücklichste Mensch weit und breit. Wir haben hier noch nie jemanden so strahlen sehen.


Erst Allzweck-Fundi - jetzt Student

Die Ausbildung wird vom Hospital bezahlt. Damit besteht die Verpflichtung, nach seinem Studium 5 Jahre in Lugala zu arbeiten. Krankenpflegerinnen gibt es dank der eigenen Schule ausreichend, doch clinical officer fehlen. Wir haben keinen Zweifel, dass das Hospital in Lugala einen sorgfältig arbeitenden und freundlichen clinical officer als Verstärkung bekommen wird und unterstützen Kuandika auch privat.

B.

Samstag, 3. September 2011

Blüten ohne Ende und Staub ohne Ende

Die Mangobäume stehen wieder in voller Blüte. Die eher unscheinbaren und nur wegen ihrer großen Dichte auffälligen Blüten verströmen einen einzigartigen Duft. Mangobäume wachsen hier reichlich und so wird die Nase sozusagen auf Schritt und Tritt von diesem intensiven Duft geradezu verwöhnt.

Blühende Mangobäume

Im Unterschied zu den Vegetationsperioden wie wir sie aus Mitteleuropa kennen, beginnen auch andere Bäume zu blühen und das ist bei dieser Trockenheit wirklich erstaunlich. Im Moment ist dies aber auch das einzig Schöne, was die Vegetation zu bieten hat, inzwischen gibt es fast kein Grün mehr. Dies aber nicht nur, weil alles vertrocknet, sondern weil alles mit einer dicken rotbraunen Staubschicht überzogen ist. Mit dem Fahrrad unterwegs, wird man von Fahrzeugen aller Art permanent in Staubwolken gehüllt. Das ist einfach lästig und unangenehm und so suchen wir uns immer neue Nebenwege durch die Buschdörfer. Die Hauptstraße nach Malinyi ist zur Rennstrecke für die mittlerweile zahlreichen Motorräder geworden und man kann sie eigentlich nur noch meiden. Doch ab und zu wollen wir schließlich auf den Markt oder in der Serengeti-Bar ein Bier trinken und Ziegenfleich für unseren Sonntagsbraten kaufen. Wieder zu Hause, muss man sich sofort unter die Dusche stellen, dann stört nicht einmal das kalte Wasser.
Gerechterweise sei erwähnt, dass auch wir die Leute mit einer imposanten Staubfahne einhüllen, der niemand ausweichen kann, wenn wir mit dem Auto unterwegs sind.

Unterwegs

Mit Regen ist in den nächsten Monaten nicht zu rechnen, so müssen wir den Staub noch einige Zeit in Kauf nehmen. Die Menschen hier scheint es in ihrer großen Gelassenheit wenig zu stören, es ist eben eine Begleiterscheinung der Trockenzeit, die sie nicht anders kennen.

B.