Samstag, 11. Februar 2012

Abreisestimmung

In einigen Tagen werden wir unsere Arbeit hier beenden und Lugala verlassen. Eine kleine Feier werden wir für die Hospitalangestellten noch ausrichten- und das war es dann... Kaum vorstellbar, dass schon zwei Jahre vorüber sind; zwar gab es jeden, aber auch jeden Tag eine neues Problem. Aber so Tag für Tag und Woche für Woche hat sich doch alles in diesem Mikrokosmos “Lugala“ abgespielt und wenn es jeden Tag ein andere Überraschung gibt, dann sind das irgendwann auch keine Neuigkeiten mehr.

Auch die Einkaufsfahrten nach Dar es Salaam sind irgendwann immer nach dem gleichen Schema abgelaufen: am ersten Tag bis Morogoro, dann bis Dar, 2 oder 3 Tage einkaufen und wieder zurück bis Morogoro oder- wenn es mit dem Einkauf ein bisschen schneller ging- bis Mangula und am nächsten Tag zum Hospital. Interessant waren zum Schluss nur noch die Tiere, die im Mikumipark zu sehen waren, die verunglückten Lkw’s und natürlich immer wieder die Frage, ob wir diesmal ohne „puncher“ durchkommen würden. So sind diese zwei Jahre im Rückblick doch ziemlich einförmig verlaufen. Willkommene Abwechslung waren immer die Besuche von Verwandten oder Freunden- sie waren auch so etwas wie eine heimliche Zeitrechnung: in 5 Wochen kommen diese, dann sind wir bis zum Besuch von jenen allein....das war schon hilfreich. In diesem Zusammenhang war die Mikumisafari durch den Nationalpark eigentlich jedesmal ein Erlebnis; wenn ich auch zum Schluss ein bisschen das Gefühl hatte, dass die Tiere mir schon vertraulich zuzwinkerten- so oft waren wir uns schon begegnet.

Die Hitze war oft mörderisch, ich habe darunter sehr gelitten (Beate ist viel hitzeresistenter), manchmal war ich schon am Vormittag in Schweiß gebadet- und es begann erst richtig heiß zu werden. Einigermaßen tröstlich war nur, dass nicht nur die Weißen unter den Temperaturen litten; auch die Einheimischen laufen mit kleinen Handtüchern herum- aber letztlich bringt einem geteiltes Leid auch keine Abkühlung.... Jetzt lese ich von der Kälte in Deutschland und bin gespannt, wie lange mein Wunsch nach tieferen Temperaturen anhält.

Das Essen haben wir einigermaßen in den Griff bekommen. Für unsere Besucher war es immer eine irgendwie neue, exotische Erfahrung- schmeckt ganz gut, kann man essen- aber wenn man über Monate nur etwa ein knappes Dutzend Zutaten zur Verfügung hat, dann ist das über zwei Jahre doch irgendwann eintönig. Wir haben uns beholfen und von unseren Fahrten nach Dar noch etwas für unsere Küche mitgebracht: Weißkraut, Mohrrüben, Sonnenblumen- und Olivenöl, Thunfisch, Sardinen und Lachs in der Dose, Butter (die wir in der Kühlbox immer gerade so bis nach Lugala brachten, bevor sie zerschmolzen ist), Nudeln und Gemüsekonserven. Die letzten Reste brauchen wir gerade auf. Ein paar Dinge auf dem Frühstücks-/Mittagstisch werden wir vermissen: die aromatischen Bananen (jede Sorte schmeckt anders, aber immer gut), die Mango waren süß, süß und noch einmal süß und im Überfluss vorhanden- irgendwann mochte man sie nicht mehr essen, ebenso Papaya. Unser Zitronenbaum im Garten trägt in diesem Jahr richtig gut und wenn ich ein paar Früchte in die Küche bringe, duftet alles ganz intensiv. Dabei wird einem erst einmal bewusst, mit welchen Zuchtzitronen wir uns in Deutschland zufrieden geben müssen. Wenn uns die Fischer diese Welsart aus dem nahegelegenen Furua brachten, haben die Fische oft noch gelebt- frischer kann man Fisch nicht bekommen. Ebenso frisch war das Zickelfleisch, oft noch schlachtwarm. Ach ja, und ungehemmt so viel Knoblauch essen, konnten wir zuletzt nur in Rumänien. Doch vieles, vieles hat uns auch gefehlt und darauf können wir uns jetzt freuen....

Aber wir waren ja nicht in Lugala, um Essgewohnheiten und das Klima kennenzulernen- die Arbeit im und für das Hospital war der Grund für diese zwei Jahre Lugalaaufenthalt. Der Auftrag vor unserer Abreise wurde etwas salopp formuliert: ...sehen Sie mal, ob Sie in Lugala in Sachen Finanzen und Verwaltung etwas auf die Beine stellen können.... oder so ähnlich- und wenn ich mir vorstelle, dass auch von Abschreibungen und Rücklagen die Rede war- dann kann ich jetzt nur lächeln. Die finanzielle Situation des Hospitals war eigentlich hoffnungslos und nach „unseren“ Maßstäben war es absolut bankrott. In den ersten Monaten habe ich oft nicht gewusst, wie wir die Löhne zahlen können: wir haben die Auszahlung zeitlich gestreckt und auf die Tageseinnahmen gewartet, wir haben uns Geld von Solidarmed geborgt- es war manchmal abenteuerlich. Gleichzeitig haben wir die vielen- erst im März (vor unserer Ankunft!!) massiv erhöhten- Sonderzahlungen gekürzt, einige auch ganz gestrichen und im übrigen nach dem Prinzip der oft zitierten schwäbischen Hausfrau gewirtschaftet: man kann nur so viel ausgeben, wie man eingenommen hat. Es war unglaublich schwierig und ich glaube nicht, dass wir das noch einmal machen würden.....Alles, aber auch alles hat sich um das Hospital gedreht - es gab ja auch sonst nichts anderes- wir haben jeden Tag 10 Stunden im Büro gesessen und auch an den Wochenenden gearbeitet (es gab ja auch sonst nichts anderes). Dazu die unglaublich vielen Schulden und immer wenn wir dachten, nun wäre ein Ende in Sicht, wurde eine neue Forderung präsentiert. Dazu muss man noch wissen, dass die Beschäftigten auch in dieser fast auswegslosen Situation auf keine, wirklich keine einzige ihrer- berechtigten oder unberechtigten- Forderungen verzichtet haben. Aber irgendwann haben wir Boden unter den Füßen bekommen und wie das so oft im Leben ist: wo Tauben sind, fliegen Tauben zu....oder in Thüringen sagt man: der Teufel sch....t immer auf den größten Haufen. Von da kam eine Spende, von dort ein Hilfsangebot, es ging spürbar aufwärts und auch in einem kleinen Hospital im afrikanischen Busch ist Wirtschaft 50% Ökonomie und 50% Psychologie. Es hatte sich offenbar herumgesprochen, dass der Service im Krankenhaus sehr gut ist und dass die Behandlungskosten unschlagbar niedrig sind. Dieses „Aldiprinzip“ war unsere strategische Linie (das Gros der Patienten hatte ja nicht mehr Geld in der Tasche) und inzwischen kommen die Patienten bis von Ifakara und weiterher. Die Patientenzahlen und damit auch die Einkünfte haben sich beinahe verdoppelt (im Januar 2010 hatten wir 14,754 Mio Tsh Patienteneinnahmen, im Januar dieses Jahres waren es 29.279 Mio Tsh!!) und das Hospital hat einen richtig guten Ruf. Letzteres vor allem auch wegen der engagierten Arbeit des hier tätigen Arztes.

Auf jeden Fall ist es dem Hospital finanziell noch nie so gut gegangen wie jetzt. Das Hospital ist gesund uns steht gut da- ich gestehe, dass wir da beide auch ein wenig stolz darauf sind- und was die Zukunft bringt? In Afrika ist eine längerfristige Planung nicht möglich, es wird kurzfristig gedacht und entsprechend gehandelt. Das ist auch so eine Erfahrung, die wir in diesen zwei Jahren gemacht haben.

Das alles soll keine Bilanz unserer Arbeit hier in Lugala sein- eher ein vorsichtiger Abgesang und wahrscheinlich sind es die letzten Grüße aus dem Busch.

P.

1 Kommentar:

  1. Respekt - und bald wieder willkommen in der Heimat. Hoffentlich sehen wir uns mal.

    Mit besten Grüßen,
    Thomas Becker

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