Donnerstag, 8. September 2011

Vom Fundi zum Daktari

Kuandika ist einer der wichtigsten Mitarbeiter des Hospitals, auch wenn das von vielen nicht so gesehen wird, denn er ist „nur“ Handwerker und jede noch so unqualifizierte Hilfsperson im medizinischen Bereich des Hospitals meint, ihn herumkommandieren zu können. In medizinischen Berufen tätige Personen genießen in diesem Land höchstes Ansehen, auch denen mit geringer Qualifikation, abgebrochener oder fehlender Ausbildung, erkennbar in hellgrüner Kleidung, begegnet man ehrfürchtiger als Menschen jeder anderen Berufsgruppe. Selbst die Schülerinnen in ihren Rosa-Uniformen nehmen das für sich in Anspruch. Es ist gesellschaftlicher Konsens.

Kuandika ist gelernter Elektriker aber auch versierter Klempner und Automechaniker und hat als Fundi auf allen Gebieten reichlich zu tun. Das Solarsystem hat so seine Tücken, von den Batterien steigt nach 12 Jahren eine nach der anderen aus und Rohrbrüche der verrotteten Wasserleitungen gibt es permanent. Ohne Kuandika und seine Helfer gäbe es so manches Mal keinen Strom oder kein Wasser.

Seit einer Woche müssen wir sagen: Kuandika war einer der wichtigsten Mitarbeiter, denn er arbeitet nicht mehr in Lugala. Seit Anfang September absolviert er eine dreijährige Ausbildung zum clinical officer (co) im weit entfernten Machame. Nach über 10 Jahren hatte er von all den Ungerechtigkeiten ihm gegenüber die Nase voll, für uns nur allzu verständlich. Die hier üblichen sprunghaften, von der Regierung angeordneten, Gehaltserhöhungen gelten nur für das medizinische Personal, seine schriftlichen Anträge auf Lohnerhöhung wurden dem HMT nie vorgetragen, ebensowenig wie sein Wunsch nach einer Wohnung. Er wohnte in einem Zimmer, ursprünglich der Lagerraum im Hinterhof des Gästehauses. Für die private Nutzung der Motorräder müssen die Angestellten einen wirklich sehr geringen Betrag pro gefahrenen Kilometer bezahlen. Natürlich gibt es ein Fahrtenbuch, doch einige haben statt ihrer Unterschrift in das entsprechende Feld einfach Kuandika eingetragen. Beklagt hat er sich nie, wohlwissend, dass er in der Hierarchie ganz unten steht.

Kuandika ist ein kluger Kopf und eher schweigsamer Mensch und hatte nach sicher langer Überlegung seinen Entschluss gefasst. Bekannt als absolut zuverlässig und jederzeit einsatzbereit, machte er vor ca. einem halben Jahr immer mal für ihn untypische Bemerkungen, er würde nach Feierabend oder am Wochenende nichts mehr reparieren. Peter Hellmold bat ihn zum Gespräch, denn es war offensichtlich, dass er irgendetwas mit sich herumtrug – und dann gab es die Offenbarung: er will clinical officer werden. Nach ungläubiger Rückfrage, ob er sich das reichlich überlegt hätte und ob er nicht vielleicht ein Studium im Bereich Solartechnik aufnehmen wolle, was für ihn ohnehin vorgesehen war, meinte Kuandika, mit seinem Berufsleben als Techniker hätte er abgeschlossen, jetzt möchte er Mediziner werden. Die Frage nach den Zugangsvoraussetzungen erübrigte sich von selbst. Keiner der heute im Hospital beschäftigten und geförderten CO`s oder Labortechniker hatte ein besseres Schulzeugnis vorzuweisen als er. Am Tag nach dem Gespräch mit Peter Hellmold brachte er alle notwendigen Bewerbungsunterlagen geordnet in einer Folie ins Büro, so etwas haben wir hier noch nie gesehen. Es wird öfter um Kopien für Urkunden und Zeugnisse gebeten, die meisten Papiere sind verschmutzt, fleckig, eingerissen und manchmal sogar von Ratten angefressen.

Nachdem er im Juli seine Zulassung zum Studium erhalten hatte, war Kuandika wohl der glücklichste Mensch weit und breit. Wir haben hier noch nie jemanden so strahlen sehen.


Erst Allzweck-Fundi - jetzt Student

Die Ausbildung wird vom Hospital bezahlt. Damit besteht die Verpflichtung, nach seinem Studium 5 Jahre in Lugala zu arbeiten. Krankenpflegerinnen gibt es dank der eigenen Schule ausreichend, doch clinical officer fehlen. Wir haben keinen Zweifel, dass das Hospital in Lugala einen sorgfältig arbeitenden und freundlichen clinical officer als Verstärkung bekommen wird und unterstützen Kuandika auch privat.

B.

1 Kommentar:

  1. Wir haben Kuandika nur wenige Tage kennen gelernt. Er ist ein sehr sympathischer Mensch, schweigsam, zurückhaltend und hilfsbereit. Er scheint auch eine sehr optimistische Lebensauffassung zu haben, was für die Erreichung seines angestrebten Zieles von großer Bedeutung ist. Wir hoffen, dass das Umfeld und die Lebensumstände in seinem Land ein erfolgreiches Studium ermöglichen.
    Es ist erfreulich, dass ihr, Beate und Peter, dem Kuandika Hilfe und Unterstützung zuteil werden lassen wollt. Sollte es unsererseits eine Möglichkeit der Unterstützung geben, würden wir diese gern nutzen.
    EuE

    AntwortenLöschen