Mittwoch, 17. August 2011

Kommunikationsschwierigkeiten

Ich weiß nicht, wie oft wir in den letzten Wochen immer wieder die selben Lieder gehört haben. Dabei haben wir noch Glück und wohnen genügend weit von der Musik entfernt....Aber der Reihe nach :
Die Ernte in diesem Jahr war gut- reichlich Regen und zur rechten Zeit Sonne und Trockenheit, so dass der Reis reifen konnte. Jetzt fahren täglich abenteuerlich beladene Transporter nach Malinyi und weiter nach Ifakara. Die Leute haben mehr Geld in der Tasche (nur nebenbei: wenn man nach der Ernte bzw. den Erträgen fragt- dann winken die shamba-Eigentümer ab und stöhnen; aber da unterscheiden sie sich nicht von den Bauern in Deutschland) und deshalb hat auch Makassy seine "Bar" wieder geöffnet. In der Zeit der knappen Kassen ist sie geschlossen. Bar ist bestimmt ein Euphemismus, ein Verkaufsverschlag (so wie alle Läden hier), ein paar Plastikstühle und -hocker, etwa 6 qm sind überdacht und keine 10 Meter entfernt donnern die oben erwähnten Tranporter mit riesiger Staubfahne vorbei; nebenan werden unter freiem Himmel die Speisen gekocht und gleich mit eingestaubt. Die Leute kommen gegen 17 Uhr und spielen Dame, d.h. zwei spielen in wechselnder Besetzung, die anderen sehen zu und kommentieren lautstark.

Makassy-Bar
Und hören Musik. Der Tonregler ist bis zum Anschlag aufgedreht und jede Unterhaltung schlicht unmöglich. Das ist aber nicht nur bei Makassy so, auch in Malinyi ist die Musik in den beiden Kneipen oder Handyläden schon fast schmerzhaft. Überall im Land ist das der Fall- ich habe keine Erklärung dafür. Deshalb gibt es auch keine Unterhaltung, alle sitzen nur da, sehen den Damespielern zu und wechseln manchmal die Plätze. Ich will gerecht sein: wenn ich komme und Bier trinke, wird die Lautstärke zurückgenommen, aber wenn ich dann gehe- und die Fahrstraße noch nicht überquert habe- wieder voll aufgedreht. Beate weiß dann, in 3 Minuten bin ich zu Hause. So geht das bis tief in die Nacht. Gesehen haben wir es noch nicht (mit Einbruch der Dunkelheit kann man sich wegen der Mücken nicht mehr draußen aufhalten, gegen 19 Uhr sind wir also meist zu Hause), aber die Vorbereitungen für das Abendessen lassen darauf schließen, dass auch später noch einige Gäste erwartet werden. Auf offenem Feuer auf drei Steinen werden in einer Ölpfanne immer im selben Öl abwechselnd Fisch und Bananen frittiert.

Vorbereitung des Abendessens - Kochbananen und Fisch

Das Schärfste ist jedoch, dass es offenbar nur diese eine CD gibt, die irgendwann einmal kopiert wurde und nun ununterbrochen gespielt wird, sehr laut gespielt wird. Wir hören es in unserem ca. 400 m entfernten Haus immer noch laut genug. Da es im Dorf keinen Strom gibt, hat Makassy für die Beschallung extra einen Generator angeschafft.
Eine Unterhaltung mit einer Bierflasche in der Hand ist also schon wegen der Lautstärke nicht möglich und außerdem - wie und worüber sollten wir mit den Schwarzen reden? Da sind einmal die sprachlichen Schwierigkeiten. Unsere Fertigkeiten des Kisuaheli (besonders meine, Beate ist mir da um Längen voraus) und ihre Kenntnis der englischen Sprache sind nur unvollkommen und damit beschränken sich Gespräche zumeist auf das Notwendigste. Dazu kommt, dass es bei einem Gespräch mit einem Einheimischen einfach kein Thema geben würde. Wir wohnen jetzt über ein Jahr hier wie auf einer Insel, kennen viele Leute und erkennen sie manchmal schon auf weite Entfernung, aber auch nach dieser langen Zeit haben wir wenig Kenntnis wie sie leben, oft auch nicht wo sie leben und was sie denken. Das würden sie uns auch niemals sagen. Wir stehen hier in der Hierarchie ganz oben, da würde bei dem ausgeprägten Rangordnungsdenken der Tanzanier niemand mit uns ein seine persönlichen Ansichten betreffendes Gespräch führen. Wir werden zwar angesprochen, ob wir jemandem Schulgeld bezahlen, ob wir Geld verborgen oder jemandem ein Haus bauen könnten- das ist die übliche und normale Bettelei. Diese ist auch nachvollziehbar; wenn die Leute hier erleben, wieviel Geld von den Weißen für das Hospital oft in kürzester Zeit aufgetrieben werden kann und wie schnell ein Vorhaben zu Ende gebracht ist- müssen sie ja denken, dass alle Europäer/Amerikaner Geld im Überfluss haben. Man kann es auch niemandem klarmachen- und da bin ich wieder bei den Verständnisschwierigkeiten- dass es in Deutschland zwar beachtliche soziale Leistungen gibt, dass die Mittel dafür aber erst einmal hart erarbeitet werden müssen. Damit ist ein Gespräch auch über diesen Bereich bzw. auf dieser Ebene erledigt. Weil man mit Menschen nicht über Dinge reden kann, die sie einfach nicht kennen oder anders ausgedrückt: man kann mit einem Blinden nicht über Malerei diskutieren....Das ist einfach so....
Wenn die Einheimischen als Gesprächspartner ausscheiden, bietet sich natürlich der hier tätige Arzt für die Kommunikation an- und um Kommunikation ging es ja eigentlich. So angenehm es ist, einen weiteren deutschen Gesprächspartner zu haben- oft genug reduzieren sich die Gespräche auf die Organisation des Hospitalbetriebs und noch öfter auf aktuelles Krisenmanagement. Dazu kommt noch die Beurteilung der Besucher, Gespräche über die Aktivitäten (meist sind es Forderungen) der Diözese. Da unsere einzige Verbindung zur Außenwelt das Internet ist, haben wir auch täglich die selben Nachrichten, über die man sich austauschen kann. Doch egal über welches Thema wir uns auch unterhalten, irgendwann landen wir immer wieder beim Hospital.
Wir haben auch sehr unterschiedliche tägliche Erfahrungen. Der Arzt ist unbedingt die absolute Autorität aber in seiner täglichen praktischen Arbeit auf ein kollegiales Miteinander angewiesen- auf die Zusammenarbeit mit dem OP- Team, mit der Matron, mit dem Hospital Management Team und bei diesen Gesprächen erfährt er schon die eine oder andere Neuigkeit- und sei es der hier übliche Klatsch. Außerdem hat er öfter ein Erfolgserlebnis: eine schwierige und dennoch geglückte OP; eine Mutter, die sich nach der Entbindung bei ihm bedankt; ein geheilter Patient, den eigentlich schon alle abgeschrieben hatten und mehr....Alles das haben wir nicht. Wir versuchen eine gute Verwaltung anzubieten und sind mit unseren Vorstellungen vom ehrlichen Umgang mit den Finanzen, mit einer bescheidenen Systematik in der Verwaltung oder auch Verantwortung für die tägliche Arbeit oft im grundsätzlichen Widerspruch zu den Angestellten. Was denUmgang mit Geld, die Solidarität mit Schwächeren oder auch Sauberkeit und Ordnung betrifft- unsere Auffassungen könnten oft nicht unterschiedlicher sein. Und da nicht zu erwarten ist, dass sich die Auffassungen der Schwarzen ändern, müssen wir immer und immer wieder Kompromisse eingehen und den kleinsten gemeinsamen Nenner finden. Auf jeden Fall bekommt man in diesem täglichen Miteinander bestimmt keine familiären Angelegenheiten mitgeteilt.
Ein Phänomen kann man aber nach diesem doch längeren Aufenthalt hier in der Abgeschiedenheit bemerken: man nimmt viel deutlicher wahr, wie sehr der Leser von und zu Nachrichten gelenkt wird. Gerade weil wir sonst keine Möglichkeiten haben, uns anderweitig zu informieren. Da wird ein Thema gepusht, täglich aufgeregt darüber berichtet und bald von der nächsten Sensation abgelöst. Beispiele?? Wer spricht heute noch von Fukushima? Dabei frisst sich dort immer noch die geschmolzene Masse in den Boden... Wer spricht noch von Gadhafi und Libyen- dort wird immer noch gekämpft, aber das ist keine Meldung mehr wert. Welche Nachricht erinnert noch an Herrn zu Guttenberg- noch vor kurzer Zeit haben Nachrichten über ihn sogar die Meldungen zur Eurokrise überlagert. Von dem Getöse um die FDP ganz zu schweigen....
Das wird wohl ein ganz großer Gewinn unseres Aufenthaltes hier auf dieser Insel Lugala sein: wir haben gelernt, Dinge nicht so wichtig zu nehmen- in wenigen Tagen interessiert es ohnehin niemanden mehr.
Und ich hoffe sehr, dass dieser Zustand nach unserer Rückkehr sehr, sehr lange anhält.....
P.

1 Kommentar:

  1. Wenn ich daran denke, dass ich mit euch bei Makassy´s Bar schon tansanisches Bier (oder wars Cola?) getrunken habe und dass dies fast ein Jahr her ist... Viele Grüsse aus den Schweizer Bergen! Michael

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